Rede

zur Einweihung des Denksteins zur friedlichen Revolution am 07.10.2011

 

Es gilt das gesprochene Wort!

 

Cornelia Thieme schreibt über den 7. Oktober 1989 in Chemnitz:
„Ich bin gekommen.
An diesen Ort
zu dieser Zeit.

Verabredet ist es.
Denn: es ist genug.

Wir stehen nun hier.
Die Bemäntelten – man weiß ja, wer das ist –
und die, die nicht mehr mitmachen wollen.
eng beieinander.

Leise Gespräche führend,
Kreisen hellwache Blicke.

Abwarten.

Hinein geht es nicht für alle.
Die draußen stehen, warten. (…)

Unruhe. Zweifel. Hader.
Auch Resignation.
Und diese Wut im Bauch.“

Sehr geehrte Mitglieder des Bundestages, des Sächsischen Landtages, des Chemnitzer Stadtrates,
sehr geehrte Bürgermeister,
sehr geehrte Chemnitzerinnen und Chemnitzer,
am 7. Oktober 1989 wuchs aus der stillen, individuellen und lange zurückgedrängten Unzufriedenheit eine große, sichtbare und friedliche Protestbewegung.
Nicht ein einzelner Mensch, nicht eine einzelne Stadt hat sich um die friedliche Revolution verdient gemacht.
Es waren die viele Menschen an den vielen Orten.

Sie gingen auf die Straße, forderten Veränderungen.
Sie wollten Freiheit, Mitbestimmung, Demokratie.
Es waren viele. Und es wurden immer mehr. Und das war ihre große Stärke.

An diesem Ort entstand in unserer Stadt der Impuls, die Einschüchterungen zu überwinden und für Demokratie zu streiten. An den Mut, den diese Bürgerinnen und Bürger aufgebracht haben, wollen wir erinnern.
Ich freue mich, Sie hier zur Einweihung des Denksteins zu begrüßen.
„Ich habe gesehen, was ich nie für möglich gehalten hätte und bin betroffen“, schreibt eine Zeitzeugin am 7. Oktober `89 in ihr Tagebuch.

Sie trifft sich mit Freunden am Luxor.
Sie wartet vor der Spielstätte des Schauspiels. Dann formiert sich spontan ein Menschzug.
Mehrere Hundert Männer und Frauen ziehen schweigend zur Zentralhaltestelle.
Der ersten Anspannung folgt Angst, als die Demonstranten das Aufgebot von Polizei und Kampfgruppen sehen. Sie werden eingekesselt, auseinandergetrieben und etliche festgenommen.

Aber viele Karl-Marx-Städter sehen das: Wasserwerfer, Hunde, Kampfschilde gegen die Bevölkerung und ein Hubschrauber fliegt tief.
Nur wenige Meter entfernt feiert sich die DDR mit einem Volksfest selbst.

Und doch können sie das Zeichen nicht ignorieren, das viele Bürgerinnen und Bürger an diesem Tag gesetzt haben. Der erste öffentliche große Aufschrei gegen die sozialistischen Machthaber ist ein Signal. Und es wird immer stärker.

In der Johanniskirche und weiteren Orten bleiben die Bürgerinnen und Bürger beharrlich und mutig dabei, ihre Rechte einzufordern und auf Veränderung zu drängen.
Die friedliche Revolution gelingt, weil viele weitere Demonstrationen und Gesprächsrunden folgen.
Der 7. Oktober 1989 ist für unsere Stadt der Tag, an dem die friedliche Revolution ihren Ausgang nimmt. Mit dem Denkstein an dieser Stelle erinnern wir an den Ausgangpunkt.

Hier soll man bewusst, aber nur sprichwörtlich über die Geschichte „stolpern“.
Nach 22 Jahren wird mit dieser Erinnerungsstätte die Einladung aufrecht gehalten, Geschichte in unserer Stadt nachzuvollziehen und wach zu halten.

Der Herbst 1989 ist für die meisten Zeitzeugen der wohl eindringlichste und emotionalste Herbst, den sie erlebt haben. Miteinander darüber ins Gespräch kommen, das ist ein großes Anliegen der Arbeitsgruppe gewesen, die sich für die Erstellung des Denksteins zusammengetan hat.
Ich danke ganz herzlich den Mitgliedern der Arbeitsgruppe:
dem ehemaligen Schauspieldirektor Hartwig Albiro,
dem Ehrenbürger Christoph Magirius,
den Künstlern Thomas Ranft und Steffen Volmer,
den Stadträten und weiteren Mitgliedern.

Eine Gelegenheit zum Gespräch und zum Eintauchen in die Geschichte bietet auch die Ausstellung „Erinnerungen an den Herbst 89“.

Anlässlich der Einweihung des Denksteins eröffnet sie heute 15 Uhr im Bürgerhaus am Wall.
Tagebucheinträge, Gedichte und Zeitdokumente sind zu sehen, die uns Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung gestellt haben.
Zur Ausstellungseröffnung werden Zeitzeugen von ihren Erlebnissen um den 7. Oktober 89 berichten.
Und junge Menschen, die die friedliche Revolution nicht selbst miterlebt haben, werden die Fragen stellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Der Denkstein ist allen Bürgerinnen und Bürgern gewidmet, die sich vor 22 Jahren politisch engagierten, die hier auf dem Luxor-Vorplatz standen und friedlich demonstriert haben,
die an weiteren Gesprächen und Demonstrationen teilnahmen,
die für Werte wie Demokratie und Freiheit eintraten und gemeinsam den Umbruch ermöglichten.

Im Herbst 1989 haben die Menschen in der DDR etwas geschafft, das jahrzehntelang undenkbar schien: Sie haben die Mauer von innen zum Einsturz gebracht.

Ich gehe, schreibt Cornelia Thieme.
Ich gehe und alle gehen mit!
Immer hinter mir her.
Jeder Schritt ist bleiern.
Und doch: ich gehe.
Atemlos.
Wortlos.
Voller Angst.
Aber wir gehen!

Klatschen.
Ja, klatschen!
Der Rhythmus treibt uns voran.
Unsicher noch, aber verbindend.
Das macht Mut! (…)
Wir bleiben zusammen.
Das haben wir geschafft!

Langsam gehen wir.
Schritt für Schritt.
Nach vorn.
Hier sind wir.

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