Ausbildung bei der Stadt Chemnitz
Auslandspraktikum in Nordirland
Bericht des Gärtner-Auszubildenden Paul Becht
Mein Auslandspraktikum fand vom 17.03 bis zum 03.04.2019 statt.
Anreisetag/Vorbereitung
Die Vorbereitungen für meine Reise gestalteten sich einfacher als gedacht. Die Organisatoren von CMS Belfast kümmerten sich um alle Reiseunterlagen, auch um nötige Versicherungen, sowie um die Flüge.
Mein Gepäck beschränkte sich weitestgehend auf meine Arbeitssachen, Kleidung und was man halt so braucht. So konnte ich am Abreisetag ganz entspannt zum Flughafen Berlin-Schönefeld fahren und in Ruhe einchecken und los ging es.
In Belfast erwartete mich Sandra. Sie ist keine Einheimische, aber lebt schon eine Weile in Belfast und arbeitet für CMS. Zwei weiteren Mitgereisten und mir erklärte sie, dass sie sich für den Zeitraum unseres Aufenthaltes um uns kümmert und wir jederzeit zu ihr kommen können, wenn etwas sein sollte. Kurz darauf saßen wir im Auto auf dem Weg zu unserer Unterkunft. Der Linksverkehr war auch für mich als Mitfahrer schon eine Gewöhnungssache. Man lernt schnell, dass man äußerste Vorsicht geben sollte, wenn man hier die Straßen überqueren möchte.
Während der Fahrt lernten wir uns schon mal näher kennen, jedoch sollten noch einige Personen mehr am Abend zu uns dazustoßen.
Angekommen an dem Haus, in dem wir die nächsten anderthalb Wochen verbringen sollten, bezogen wir unsere Zimmer. Uns wurde
gesagt, dass wir Abends noch eine kleine Tour unternehmen würden, zusammen mit Ausbildern, die ebenfalls gerade auf einer Reise durch Irland sind. So besuchten wir schon am ersten Abend ein hochbrisantes Viertel von Belfast, in dem es immer noch häufig zu Ausschreitungen zwischen der katholisch-irischen Bevölkerung und der protestantischen-britisch/ulsterischen Bevölkerung kommt. Um mehr über diesen Konflikt zu lernen, hörten wir uns einen Vortrag von einem Streetworker an, der helfen möchte, indem er die jungen Männer von der Straße holen möchte, bevor diese zu Gewalttätern werden. Dieses Thema ist wirklich sehr interessant und momentan auch wieder so aktuell wie lange nicht mehr.
Jeder der diese Reise unternimmt, sollte sich vorher im Klaren sein, dass die einheimische Bevölkerung sehr mit diesem Thema zu
kämpfen hat und auch nicht jeder darüber reden möchte. Die Wunden sind noch sehr tief und der Heilungsprozess geht nur langsam, zum Teil gar nicht voran.
Nach einem Essen ging es dann nach Hause. Mit Schlaf konnte man an diesem Abend aber nicht rechnen. Denn an diesem Tag war gerade Sankt-Patrick's Day und unser Haus stand im katholisch geprägten Univiertel. Gerade hier wurde am meisten gefeiert. So ging der Abend noch lang...
Arbeit in Mount Stewart
Mit unserem Arbeitsplatz konnte es uns wahrlich nicht besser treffen.
Gut, der Weg bis dorthin ist nun wirklich nicht so angenehm, schließlich ist man gut und gerne anderthalb Stunden unterwegs. Dies kommt daher, dass Mount Stewart ein gutes Stück außerhalb von Belfast liegt. Nachdem man morgens immer erst eine halbe Stunde zum
Fernbusbahnhof läuft, fährt man dann noch gut eine Stunde an einer wunderschönen und die Mühe belohnenden Küstenstraße entlang. Den Busfahrer sollte man allerdings frühzeitig informieren, dass man doch bitte aussteigen möchte, denn man bekommt schnell in Belfast das Gefühl, dass die Verkehrsbetriebe ihren eigenen Rennstall in der Formula1 betreiben.
Angekommen am ersten Tag, durften wir direkt erst mal eine kleine Führung durchs Gelände genießen, sodass wir uns später dort auch
selber zurecht finden sollten. Allein der Anblick und die Schönheit des Parks lassen vermuten, wie wahrhaft traumhaft es erst im Sommer
aussehen muss, wenn doch auch schon im März die Gartenanlagen so wunderbar aussehen. Das Herrenhaus, samt Garten, der Marquesses von Londonderry entstand im 18 Jh. und wird mittlerweile vom National Trust (einer Art Treuhandgesellschaft, welche sich um nationales Kulturgut kümmert) gepflegt und verwaltet. Nur eine Nachfahrin der Adelsfamilie lebt noch zeitweise in einem Teil des Hauses und ist auch ab und zu im Park anzutreffen. So ließ ich mich ebenfalls von ihr und ihrem Mann in ein Gespräch einmal verwickeln und trotz meiner Bedenken, dass meine Englischkenntnisse wohl kaum für eine britische Adlige genügen werden, war es doch recht unterhaltsam und interessant. So konnte ich auf ihre Nachfrage hin nach deutschen Landschaftsparks (welche die beiden gerne im Sommer besuchen wollten) mit ein paar Informationen dienen. Sie bedankten sich vielmals für unsere Arbeit, die wir dort leisteten und sie würden sich freuen, wenn es uns mal wieder nach Mount Stewart ziehen würde.
Dies konnte ich zu diesem Zeitpunkt auch schon versichern.
Die ersten Tage sollten wir noch als gesamte Gruppe zusammen eine Benyes-Hecke für die Schnittabfälle, die in dem Park anfallen, errichten. Dazu sollten wir mehrere Pfähle in den Boden einbringen. In der Gruppe machte die Arbeit Spaß und wir kamen flott voran, sodass wir in den nächsten Tagen aufgeteilt in Gruppen unterschiedliche Arbeiten verrichteten. Dies waren meist Pflegearbeiten wie Jäten, Mähen oder Rückschnitt. So sollte ich zum Beispiel eine brach liegende Fläche von Gestrüpp und Unkraut befreien, denn diese sollte später anderweitig genutzt werden. Die dazu benötigten Geräte bekamen wir alle zur Verfügung gestellt. Ansonsten kümmerten wir uns darum, dass der „englische“ Rasen auch immer kurz blieb und durch Vertikutieren gut belüftet. Auch sonst hat der Garten allerlei botanische Besonderheiten vorzuweisen, wie riesige Eukalyptusbäume und auch Palmen. Diese wachsen dort aufgrund des äußerst milden, fast mediterranen Klimas, was auf die Lage Irlands am Golfstrom und die spezielle Lage des Parks in der Bucht zurückzuführen ist.
Unser letztes Projekt war schließlich noch das Austauschen von Balken einer großen Pergola, die einen Teil des Gartens säumt.
Insgesamt war das Arbeiten in Mount Stewart eine Bereicherung für meine Ausbildung. Ich konnte viele Ideen für Gartengestaltungen
mitnehmen, lernte neue Pflanzen kennen und konnte Kontakte zu anderen Gärtnern aus Deutschland sowie Einheimischen knüpfen.
Freizeit/Aktivitäten
Da wir morgens schon frühzeitig los mussten und abends meist nie vor 17 Uhr zuhause waren, bekamen wir die beiden Freitage noch
zusätzlich frei. So hatten wir an den Wochenenden genug Zeit, Belfast genauer zu erkunden. Diese Stadt, welche jahrelang nur durch den
Konflikt ab und zu in den Mittelpunkt geriet und dadurch ihr schlechtes Image bekam, ist momentan wieder auf einem aufsteigenden Ast. So gibt es viele wunderschöne Pubs und Gebäude- und Mauerbemalungen, welche den Konflikt und die Geschichte Belfasts darstellen und überall verteilt zu finden sind. So muss man sich auch ein Stück weit auf dem Weg machen, diese Stadt kennenzulernen. Dies geht am besten per Fuß oder Taxi. Diese sind dort äußerst günstig und man kann an fast jeder Ecke sich eines rufen. Entspannter kommt man
so dort fast nicht von A nach B. Über die Taxifahrer kann man auch so einiges über die Stadt erfahren. Viele erzählen gerne etwas, auch da die meisten keine Nordiren sind und so einen unvoreingenommenen und weniger emotionalen Blick auf die Stadt und ihren Konflikt besitzen.
Was an vielen Ecken Belfast beworben und auch zu diesem neuen Aufschwung mit geführt hat, ist das neue Titanic Quarter, in dem, wie
der Name schon sagt, früher die Werft und das Trockendock der Titanic standen. In den dortigen Filmstudios wurde die international bekannte Serie Game of Thrones gedreht, welche ebenfalls zu einem gewissen Tourismusboom für Nordirland geführt hat. Dort herrscht reges Treiben und auch wir besuchten das neue Titanic Museum, wo man sehr anschaulich vieles neues über die Titanic, wie aber auch über Belfast erfährt.
In der näheren Umgebung der Unterkunft befindet sich auch der Botanische Garten der Universität. Auch dieser lädt zu einem längeren
Besuch ein und lässt sich gleich mit einem Besuch im Ulstermuseum verbinden, welches direkt anschließt und in dem die Geschichte
Nordirlands, sowie die Tier- und Pflanzenwelt wunderbar wiedergeben wird.
Die Schönheit der „Grünen Insel“ wollten wir uns natürlich auch noch genauer anschauen und unternahmen so eine Bustour, die CMS
freundlicherweise für uns buchte. So konnten wir die beeindruckende Küste von Giant's Causway bestaunen und auch die Dark Hedges
betrachten. Wer mehr Zeit dafür einplant, sollte eventuell ein Mietauto nehmen. Auch wir konnten uns nur schwer von den wunderbaren Anblicken lösen, aber der Bus wartete leider nicht.
Aber auch unter der Woche konnten wir als Gruppe immer noch was unternehmen. Und sei es nur, dass man Abends sich im Pub trifft und noch etwas trinkt. In Nordirland etwas völlig Normales. Niemand bleibt dort abends zuhause, sondern geht in den Pub. Bei guter Livemusik kommt man schnell mit den Einheimischen ins Gespräch. Und Angst muss man keine haben. Wenn sie merken, dass man nicht von dort kommt, werfen die meisten auch mal kurz ihren, zumeist unverständlichen, irischen Akzent über Bord und verstehen es, wenn es
einem selber vielleicht gerade nicht so auf der Zunge liegt, was man gerade sagen möchte. Allgemein ist mir in der Zeit in Belfast nie jemand missmutig oder über gelaunt begegnet, mit dem ich mich auch unterhalten habe. Die meisten Menschen dort sind offen und äußerst freundlich. So wurde ich sogar von einem Arbeitskollegen eingeladen, ein Fußballspiel zweier Belfaster Mannschaften mit anzuschauen.
Ebenso verstanden wir uns in unserer Gruppe wunderbar und nach mehreren gemeinsamen Abendessen und auch Spieleabenden
verstanden und kannten wir uns bereits richtig gut.
Fazit/Abreise
So fiel es mir auch ziemlich schwer, nach der gefühlt sehr kurzen Zeit, schon wieder abzureisen. Als ich mit dem Flieger in Berlin landete, wäre ich am liebsten mit dem Nächsten zurück. Gerne wäre ich länger geblieben, doch was ich mitgenommen habe, bleibt ewig.
Die Leute, die ich kennengelernt habe, die andere Kultur, die mir näher gekommen ist und auch die wunderbare Landschaft vergesse ich so schnell nicht.
So nebenbei ist es auch nicht schlecht, dass man sein Englisch natürlich noch verfeinern kann und für die Ausbildung neue Anreize und
Ideen sammelt.
Jeder, der so eine Möglichkeit oder Angebot bekommt, sollte dies nutzen. Ein Auslandspraktikum im Rahmen von Erasmus+ kostet nichts und bringt einem doch so viel.