Bahnanschluss als Standortfaktor
Mehr als 12.000 Unterschriften für bessere Fernverkehrsanbindung an Bahnchef übergeben – Nächste Aufgabe: Anmeldung im Bundesverkehrswegeplan – Einladung an Sachsens Wirtschaftsminister
In der Bewertung der Situation sind sich alle einig gewesen: Der Anschluss der Industrie- und Technologieregion ans Fernverkehrsnetz der Deutschen Bahn AG ist nicht zufriedenstellend. Im Gespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG, Dr. Rüdiger Grube, und Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig sowie Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Kultur und Gesellschaft ging es daher heute in Chemnitz um die Frage, wie sich diese Situation ändern lässt.
Erste Priorität haben dabei die Elektrifizierung und der zweigleisige Ausbau der Strecke Chemnitz – Leipzig. Zugleich dürfe die Sachsen-Franken-Magistrale, deren bisherige Taktung bis 2014 weiter läuft, nicht aus dem Blick geraten.
Nachdem das Land Sachsen zum Bahngipfel am 7. Juni zugesagt hatte, die Vorplanung für die Strecke Chemnitz – Leipzig zu übernehmen, besteht eine weitere Aufgabe des Freistaates darin, das Projekt über den aktuellen Landesverkehrsentwicklungsplan im kommenden Bundesverkehrswegeplan anzumelden. Zugleich muss in dieser Liste die vordringliche Priorität des Projekts festgestellt werden.
Da die Anmeldung für den Bundesverkehrswegeplan bis zum Jahresende erfolgen muss, wird das Gremium im Herbst Sachsens zuständigen Wirtschaftsminister Sven Morlok zu einem Gespräch einladen. Auch in das zur Verkehrsinfrastruktur angekündigte gemeinsame Strategiepapier von Freistaat und Deutscher Bahn AG will sich die Runde einbringen. “Auch wenn es hier einen längeren Atem bis zum Erfolg braucht, werden wir mit Nachdruck dran bleiben”, so Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig. “Wir tun viel dafür, den Nahverkehr attraktiv zu gestalten, unter anderem mit dem weiteren Ausbau des Chemnitzer Modells, für den vor wenigen Tagen Fördermittel vom Freistaat zugesagt wurden. Doch diese Kunden, die durch die Ansiedlung der Uni-Bibliothek in der Alten Aktienspinnerei und verschiedener Fakultäten in der Innenstadt erheblich mehr werden, erwarten auch moderne, leistungsfähige Fernverkehrsanschlüsse.”
Die anwesenden Unternehmer und Kammerpräsidenten sowie TU-Rektor Arnold van Zyl unterstrichen die Bedeutung eines attraktiven Bahnanschlusses als Standortfaktor, der bei der Gewinnung von Kunden und Fachkräften essenziell ist.
“Wir haben hier über 850 Unternehmen, die zwischen fünf bis 20 Millionen Euro Umsatz machen – das ist der Mittelstand”, so IHK-Regionalpräsident Gunnar Bertram. “Eine komfortable Anbindung ist hier Pflicht.”
“Wir haben fast 140 Unternehmen mit Hilfe des Technologie Centrums Chemnitz und des Gründernetzwerkes SAXEED aus der Universität heraus neu gegründet, außerdem bauen wir ein bundesweit einmaliges Exzellenzcluster für den Leichtbau auf”, unterstrich der Rektor der Technischen Universität, Prof. Arnold van Zyl. “Das bringt auch Kongresse nach Chemnitz, deren Teilnehmer potenzielle Bahnkunden sind.” Hinzu kommen die Studierenden der Universität, von denen etwa 4000 aus anderen Bundesländern oder aus dem Ausland kommen.
“Für unsere Geschäftspartner ist die schlechte Anbindung oft nicht nachvollziehbar”, erklärt Prof. Nils Kroemer, Werkleiter der Siemens AG. “Angesichts der erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklung der Region ist der Bedarf heute sicher ein anderer als noch in den 1990er Jahren.”
“Das Zugabteil wird mit mobiler Technik zum Arbeitsplatz. Bahnzeit ist produktive Zeit, im Gegensatz zum Autofahren. Für unsere Auftraggeber und Kunden in ganz Deutschland und aus dem Ausland ist es deshalb üblich, mit der Bahn zu Terminen zu fahren, außer nach Chemnitz”, betonte Uwe Bauer, Vorstand der Hartmannsdorfer aetka AG.
Dass die Region hinter dem Projekt steht, zeigten die mehr als 12.000 Unterschriften, die in den vergangenen Wochen gesammelt wurden. Bürgerinnen und Bürger aus Chemnitz und der Region unterzeichneten den Appell an Bund, Land und Bahn AG, die Fernverkehrsanbindung zu verbessern.
Bahnchef Dr. Rüdiger Grube zeigte großes Verständnis für die Anliegen der Chemnitzer. „Wir nehmen das Thema Schienenanbindung der Region Westsachsen sehr ernst. Allerdings ist für eine qualifizierte Fernverkehrsanbindung der Ausbau der Infrastruktur eine zwingende Voraussetzung, wobei wir uns derzeit vor allem auf die Strecke zwischen Chemnitz und Leipzig konzentrieren. Um hierfür eine Vorplanung anzuschieben, sind wir derzeit intensiv in Gesprächen mit dem Freistaat Sachsen.“ DB und Freistaat hatten im Rahmen des Bahngipfels eine Absichtserklärung unterzeichnet, mit dem Ziel, die Vorplanungen für einen möglichen Ausbau der Strecke Chemnitz – Leipzig bis 2013 abzuschließen. Schwerpunkt der Infrastrukturinvestition wäre dabei die durchgehende Elektrifizierung, der Ausbau der Zweigleisigkeit und die Begradigung von Kurven, um einen qualifizierten Fernverkehr infrastrukturell zu ermöglichen. Bis Ende 2012 muss das Infrastrukturvorhaben für den Bundesverkehrswegeplan 2015 angemeldet werden.
Grube ergänzte: „Ganz wichtig für die weitere verkehrliche Entwicklung des gesamten sächsischen Wirtschaftraums ist aber auch ein ganzheitliches Verkehrskonzept für den Freistaat. Ein solches Konzept fehlt bislang. Von daher bin ich sehr froh, dass wir uns auf dem Bahngipfel mit dem Freistaat dazu verständigt habe, bis Ende dieses Jahres gemeinsam eine stringente Konzeption für den Nah-, Fern- und Güterverkehr in ganz Sachsen vorzulegen. Denn der von den Chemnitzern so stark eingeforderte Fernverkehr muss von der DB eigenwirtschaftlich gefahren werden. Deshalb kann nur ein wirtschaftlich tragfähiges Konzept im Einklang mit dem bestehenden Nahverkehrsangebot auch ein langfristiges Angebot sichern.“
Hinsichtlich der Verbindung Nürnberg-Chemnitz Dresden betonte Grube: „Die DB hat auf dem zurückliegenden Bahngipfel zugesichert, den eigenwirtschaftlich betriebenen IRE trotz jährlich hoher Verluste bis 2014 weiter zu betreiben. Für die Zeit danach laufen jetzt bereits die Verhandlungen mit den beiden Freistaaten, um zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln.“
Weiteres Thema der heutigen Runde: der Zustand des Bahnhofsgebäudes. Während derzeit 120 Millionen Euro in den Knoten Chemnitz investiert werden, braucht es zugleich eine Aufwertung des Bahnhofsgebäudes. Dieser Frage will sich Bahnchef Dr. Grube noch einmal widmen.