Historisches zum Bau des Neuen Rathauses
Am 2. September 1911 wurde das Chemnitzer Neue Rathaus in Anwesenheit des sächsischen Königs Friedrich August eingeweiht. Nach Leipzig (1905) und Dresden (1910) legte sich auch die Industriestadt einen neuen, repräsentativen Verwaltungssitz zu.
Der Weg dahin war nicht ohne Hindernisse. Die schon Ende der 1880er Jahre diskutierten Vorschläge, ein größeres Rathaus zu errichten, mussten zunächst aus finanziellen Gründen zurückgestellt werden, als Zwischenlösung entstand 1891 das Rathaus am Beckerplatz. Im Jahre 1903 aber begannen neue Planungen und Erörterungen des städtischen Hochbauamtes, wobei ein Anbau an das Rathaus am Beckerplatz, der Alte Johannisfriedhof oder der Markt und Neumarkt als mögliche Standorte im Gespräch waren.
1905 legte schließlich Oberbürgermeister Dr. Heinrich Beck eine Denkschrift für einen Rathaus-Neubau am Markt und am Neumarkt vor. Stadtbaurat Richard Möbius war mit den Planungen beauftragt worden. Das Projekt war nicht unumstritten, und Möbius musste seine Entwürfe mehrmals abändern. Dr. Beck verteidigte es aber gegenüber allen Kritikern. An seiner weiteren Ausarbeitung hatte Stadtbaumeister Wilhelm Luthardt wesentlichen Anteil, der auch die Bauausführung von 1907-1911 leitete.
Das Gebäude knüpft in seinem Äußeren an den Stil der „deutschen Renaissance“, für den Giebelaufbauten und reich geschmückte Portale typisch sind, auch an die Spätgotik an. Sie verbinden sich mit den gefälligen Formen des Jugendstils, die vor allem in den Innenräumen sichtbar werden. Zwar mussten dem Neubau nicht nur die ehemalige Lateinschule am Jakobikirchplatz und die Feuerwache am Neumarkt, sondern auch die historischen „Lauben“ am Markt und der Ostflügel des Alten Rathauses weichen. Doch gelang es Richard Möbius, vielfältige Bezüge zum alten Chemnitz herzustellen. In den Läden der Marktseite klingen die früheren Laubengänge mit ihren Verkaufsständen an. Die Steinrippen des Hauptgiebels darüber rufen den imposanten Giebel des Gewandhauses in Erinnerung, auch dessen Fenstergewände mit den Vorhangbögen klingen beim Neuen Rathaus wieder an. An die ehemaligen vier Stadttore gemahnen die seitlichen Ecktürmchen des Turmes. Steinreliefs mit sechs Stadtwächtern befinden sich über dem Durchgang zum Jakobikirchplatz, im Schlussstein erscheint der Jakobikirchenchor, wie er sich freistehend darbot. An der Seite zur Jakobikirche hin darf die Figur des Jakobus, des Schutzpatrons von Stadt und Kirche, nicht fehlen. Am Treppenturm dieser Seite wird der Rote Turm sichtbar. Von der alten Lateinschule fand das Portal Verwendung. Die Innenausstattung erfuhr mit einem Werk von Max Klinger für den Stadtverordnetensaal, dem Wandgemälde „Arbeit – Wohlstand – Schönheit“, erst im August 1918 ihre Vervollständigung.