Eine Kassette im Porphyrgewand
Museum für Naturkunde: Präsentation, Konzert und Vorträge am 30. März, 19.30 Uhr
Am Donnerstag, dem 30. März, 19.30 Uhr sind Interessierte zu einem besonderen Abend in das Museum für Naturkunde Chemnitz eingeladen. Präsentiert wird eine Kassette mit phönizischen Grabinschriften, die eingespielt und eingesungen wurde von dem spanischen Oktett ZA! & TransMegaCobla. Zudem wurde die Kassette in einen neuen Mantel aus Leinen und Zeisigwald-Tuff gehüllt.
Der Eintritt ist kostenfrei.
Zur Präsentation der Kassette erklingen Remixes des musikalischen Ausgangsmaterials von dem Münchner Duo Sewicide und der französischen Musikerin Laure Boer. Vorträge zur phönizischen Sprache und Kultur sowie zum Werkstoff Porphyrtuff runden den Abend inmitten des Versteinerten Waldes ab. Sprachgeschichte wird Spiel, wird Medium, wird Musik.
Unter dem Titel „Phönizische Buchstaben lesen – was das mit uns und :innen zu tun hat“ wird der Althebräisch-Spezialist Daniel J. Naumann Wissenswertes zu Texten der alten Phönizier und der Entstehung unseres heutigen Alphabets erzählen. Professor Heiner Siedel von der TU Dresden führt in die Geheimnisse des 291 Millionen Jahre alten Zeisigwald-Tuffs ein, den der Chemnitzer Steinmetz und Produktdesigner Till Apfel zur Hülle für die Kassette verarbeitet hat.
Umrahmt wird der Abend von musikalischen Darbietungen von Laure Boer und Sewicide, die den Versuch unternehmen werden, dies alles zu einem ästhetischen Ganzen zu verschmelzen – in Rückkopplung mit dem musikalischen Ausgangsmaterial, dem Album ZA! & TransMegaCobla, das am 10. Februar 2023 in Zusammenarbeit mit sechs weiteren Labels aus der ganzen Welt veröffentlicht wurde.
Impulsgeber und Veranstalter ist das seit 2018 bestehende Chemnitzer Label IN:EX, das mit der Veranstaltungsreihe EX:IN für experimentelle Musik verknüpft ist. Es versteht sich als Plattform für Austausch und Kommunikation der lokalen Szene sowie als Teil einer internationalen Kassettenkultur, die unbeeindruckt von globalen Trends ein Nischendasein fristet.
IN:EX veröffentlicht sperrige Inhalte in raffinierter Form und hat sich von Anfang an darauf spezialisiert, handgemachte Verpackungsdesigns zu entwickeln und vorhandene Materialien zu nutzen, möglichst ohne neuen Müll zu produzieren. Als Tonträger dienen meist recycelte Kassetten.
Durch sein Interesse an Architektur entdeckte der aus Kaiserslautern stammende Steinmetz und Bildhauer Till Apfel den Chemnitzer Porphyrtuff für sich. Die warme rote Farbe und die gute Bearbeitbarkeit machen das in der Stadt verbreitete Vulkangestein zu einem beliebten Bau- und Dekorationsmaterial. So lag es nahe, dass er für vertonte Texte von Grabsteinen eine Hülle aus diesem Stein schuf.
Hinter Sewicide verbergen sich die Münchner Klaus Erika Dietl und Stephanie Müller. Sie schätzen die Splitter im Klanggewebe, knarziger Pop zwitschert zwischen Bytes und Beats. Mal treffen Nähmaschinen-Rhythmen auf tiefe Basslinien, dann reiben zarte Vocals an dissonanten Sprachbarrieren. Live wird die Bühne zur offenen Werkstatt.
Die französische Multi-Instrumentalistin Laure Boer lebt und arbeitet in Berlin. Ihre Musik ist von zeitgenössischem Noise ebenso beeinflusst wie von traditioneller Folklore. Boers Live-Auftritte sind hypnotische Improvisationen: klassische Instrumente, merkwürdige Percussion und ihre Stimme, die auf Französisch singt oder rezitiert. Ein pulsierendes Klanguniversum, zerbrechlich und brutal zugleich.