Chemnitzer Zeitzeugen: Günter Baumhauer
Foto: Franziska Kurz
Wie immer brachte mich meine Mutter gegen 19:00 Uhr am besagten Tag ins Bett. Nach dem Bombenalarm gegen 20:30 Uhr wurde ich schon wieder geweckt. Meine Laune war nicht besonders. Die Mutter zog mich schnell an. Ab ging‘s in den Keller, der als Luftschutzraum ausgewiesen war. Mit starken Baumstämmen waren alle Kellerräume abgestützt. In der Nähe zum Kellerdurchbruch ins Nachbarhaus fand sich die Hausgemeinschaft ein. 17 Erwachsene, dazu acht Kinder im Alter zwischen zwei Monaten und 15 Jahren. Alle waren aufgeregt. Was erwartet uns? Dann ging das Lärmen der Flugzeuge los. Die ersten Bomben fielen, dazu die Luftminen, das Beben der Erde, die furchtbaren Explosionsgeräusche, versetzen uns in große Angst und Schrecken. Inmitten des Klagens, Wimmerns, dazu das Weinen der Kinder, die nicht zu beruhigen waren, sagte Frau Steinbach, die Mutter des kleinen Jürgens zu meiner Schwester Edith: Du kannst doch beten, so bete doch für uns alle. Meine Schwester betete laut, als Schlußgebet das Vaterunser. Alle wurden wir ruhiger und nachdenklicher. Der kleine Jürgen schlief fest in seinem Kinderwagen.
Als der Angriff vorbei war und wir ins Freie traten, sahen wir einen feuerroten Himmel. Der Brandgeruch war sehr stark.
Die Hausgemeinschaft versammelte sich in unserer Wohnküche im Erdgeschoss. Mein Vater hatte die Doppelfenster ins Waschhaus auf den Hof gelegt. Sie waren in Decken gehüllt. Diese wurden eingesetzt, im Küchenherd Feuer gemacht und Tee gekocht. Alle Fenster im großen Haus waren nicht mehr im Glas. Auch die Haustür war beschädigt worden, durch den Luftdruck der Bomben und Luftminen verursacht. Wir alle waren froh und dankbar, dass wir diesen Angriff einigermaßen gut überstanden hatten.
Am frühen Vormittag des 6.3. kamen meine Großeltern. Sie wohnten in der Äußeren-Johannis-Straße. Sie konnten den Rauch und die Hitze nicht mehr ertragen. Dazu kam auch meine Tante Dora. Sie wohnte in der Nähe der St.-Nikolai-Kirche. Das Haus, in dem sie gewohnt hatte, war total zerstört. Nur das, was sie am Körper trug, war ihr ganzer Besitz. Auch sie wurde aufgenommen.
Viele ausgebombte Familien liefen mit den letzten Habseligkeiten auf Handwagen, mit Kindern in Richtung Erzgebirge. Es war alles nur noch ein Jammer.
Alle Bürger, die aus der Geschichte nichts gelernt haben, die versuchen durch Gesten, Symbole oder Reden Stimmung zu machen, sollten zur Vernunft kommen und sich für ein friedliches, freundschaftliches Zusammenleben entscheiden.