Chemnitzer Zeitzeugen: Heinz Gläser

Heinz Gläser

Im Jahre 1945 war ich 9 Jahre alt und wohnte in der Oststraße (jetzt Augustusburger Straße) 91. Unvergesslich für alle, die sie erleben mussten, sind die häufigen Bombenalarme. Sie begannen im Chemnitzer Raum 1940 mit ersten Abwürfen, die aber keinen nennenswerten Schaden anrichteten. Beim Ertönen der Sirene, die verschiedene Stufen des Alarms anzeigte, mussten alle in die Luftschutzkeller (Die Kennzeichnung „LSR“ kann man manchmal jetzt noch an altem Gemäuer lesen). Das Haus, in dem wir wohnten, war nicht unterkellert. Unsere Kohlen- und Kartoffelkeller befanden sich nahe am Haus im Hof unter einem Nebengebäude. Dies war eine eingeschossige Holzbaracke, die als Büro meines Onkels diente. Darunter befand sich ein Gewölbekeller. Dorthin gingen wir bei Bombenalarm. Selbstverständlich hätte dieser Keller bei einem Bombentreffer keinen ausreichenden Schutz geboten, wir wären getötet worden. Trotzdem sollte uns – wie später noch erzählt werden wird - gerade diese scheinbar ungünstige Anordnung des Hauskellers das Leben retten.

Im Februar 1944 gab es die ersten Bombenabwürfe in Chemnitz, in der Casparistraße.

Wir Kinder gingen dann hin und freuten uns noch, wenn wir Bombensplitter fanden!

Am 2. März 1945 waren wir dann dran, vormittags erfolgte ein schwerer Luftangriff mit Sprengbomben auf Chemnitz. Wir hörten in unserem Keller, wie das Geräusch einschlagender Bomben immer näherkam. Dann gab es ganz nahe eine fürchterliche Explosion und danach lange Zeit (so kam es uns vor!) einen Hagel herabfallender Trümmer. Für uns war sicher: unser Haus ist eingestürzt. Im Keller war glücklicherweise auch ein Mann, mein Vater. Da er bereits über 50 Jahre alt war, musste er nicht zur Wehrmacht, war aber zum Volkssturm eingezogen (in diese letzte Reserve kamen alle Alten, die noch einigermaßen beweglich waren), hatte aber keinen Dienst. Er wagte sich zum Kellerausgang und kam zurück: „Das Haus steht“.

Nach der Entwarnung stellten wir fest: Vor unserem Haus war eine Bombe in den Fußweg eingeschlagen. Der tiefe Bombentrichter reichte bis an die Hauswand. Es war klar, wenn das Haus einen Keller gehabt hätte, wäre die Wand eingedrückt worden und das Haus wahrscheinlich eingestürzt. In diesem Keller wären wir sicherlich getötet oder verschüttet worden.

Diese Bombe war eine von fünf oder sechs Bomben, die entlang der Oststraße im Reihenabwurf abgeworfen worden waren und rechts und links der Straße eingeschlagen hatten. Einige Häuser waren zerstört. Der Abwurf galt wahrscheinlich den Reinecker-Werken, die sich in dieser Höhe entlang der Bernhardstraße (der etwa 200 m entfernten übernächsten Parallelstraße zur Oststraße) befanden. Diese Fabrik wurde dann beim Großangriff auf Chemnitz am 5. März 1945 vollständig zerstört.

Unser Haus war stark beschädigt, alle Fensterscheiben zerbrochen, überall Glassplitter, auch in den Wänden der Möbel. In der Decke über unserem Bett steckte noch längere Zeit gut sichtbar ein Pflasterstein, der das Dach und die beiden Decken zum 2.Obergeschoss und unsere Decke zum 1.Obergeschoss durchschlagen hatte. Ein weiteres Wohnen in diesen Trümmern war schwierig.

Deshalb brachte mich meine Mutter nach Klaffenbach, meinem Geburtsort, wo ich bei meiner Cousine und ihrer Familie unterkam. Man ging damals zu Fuß von der Endstelle der Straßenbahn in Altchemnitz (damals „Reichels Neue Welt“) „über den Berg“, wie man sagte (am Harthauer Berg in Richtung der jetzigen B 95 zur Klaffenbacher Schule). Auf dem Berg mussten wir uns vor tief fliegenden alliierten Mustang-Flugzeugen im Graben am Weg verstecken.

Dort in Klaffenbach erlebte ich den Großangriff am 5. März 1945 auf Chemnitz und sah den blutroten Himmel über dem brennenden Chemnitz. Nach einiger Zeit kamen die ersten Ausgebombten durch Klaffenbach und erzählten, wie schrecklich das Feuer in Chemnitz wütet. Ich hatte große Angst um meine Familie. Glücklicherweise erfuhren wir bald, dass Gablenz nicht so stark betroffen war. Auch meine ältere Schwester Ellen, die sich während des Angriffs als Postbote im Zentrum aufgehalten hatte, fand glücklich nach Hause.

Nach den Bombenangriffen wurde der Schulbetrieb in Chemnitz eingestellt, deshalb ging ich einige Wochen in die Klaffenbacher Schule. Bei Kriegsende am 8. Mai 1945 war ich aber schon wieder in Chemnitz und erlebte den Einzug der sowjetischen Truppen mit.
 

Hier hat der Zeitzeuge seine Geschichte erlebt:

Zeitzeugen-Broschüren

Der ewige März

Titelbild der Broschüre

Erinnerungen an eine Kindheit im Krieg


Die letzten Zeugen

Titelbild der Broschüre

Als das alte Chemnitz im Bombenhagel starb

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