Chemnitzer Zeitzeugen: Wolfram Hoschke

Wolfram Hoschke

Ein kleines Blechschild aus Aluminium erinnert mich an meine frühe Kindheit und an das wohl schlimmste Erlebnis, welches ich am 5. März 1945 hatte.

Meine Eltern und meine vier Geschwister wohnten zu der Zeit in Chemnitz auf dem Kaßberg in der Ludendorfstraße 25 (später Rudolf-Harlaß-Straße und jetzt Barbarossastraße) am Hindenburgplatz (früher Kaiserplatz) – von uns Kindern „Kaikai“ genannt - in der 2. Etage. Die Wohnung war groß, aber für heutige Verhältnisse wenig komfortabel mit Ofenheizung und einem „Plumpsklo“ mit „Gangschaltung“ neben dem Treppenhaus.

Ich erinnere mich, dass immer öfter bedrohlich klopfende Töne aus dem kleinen schwarzen Radio, einem sogenannten „Volksempfänger“ und anschließendes Sirenengeheul, Anlass waren, schnell den Luftschutzkeller im Hause aufzusuchen. Dort saßen dann die Bewohner des Hauses in Decken gehüllt mit einem Gepäckstück an der Seite, welches die wichtigsten Papiere und auch Kleidungsstücke für den Notfall, dass der Keller – wenn noch möglich – rasch evakuiert werden muss, enthielt.

Mein Vater zeigte mir, wenn ich mich richtig erinnere, ein durch eine Sprengbombe zerstörtes Haus an der Kaßbergauffahrt und einmal, vom Dachboden aus, nachts einen glutroten Himmel – den Widerschein des am 13. und am 15. Februar zerstörten und sich in einem Flammeninferno befindlichen Dresden.

Am 5. März 1945 wurden wieder alle Hausbewohner durch heulende Sirenen in den Keller getrieben.  Und diesmal war wirklich Chemnitz das Ziel der amerikanischen und englischen Bomberverbände. Die Detonationen der Bomben und Luftminen ließen das Licht flackern, die Wände zittern und den Putz von den Wänden rieseln. Das Nachbarhaus, welches zum „Kaikai“ gewandt war, wurde von Bomben getroffen und in Brand gesetzt. Wir mussten den Keller durch einen schmalen Ausgang verlassen, der zu einer eingelagerten kleinen Werkstatt eines Schuhmachers gehörte. Die Hauseingänge – zur Straße oder zum Hof - waren nicht mehr begehbar. Ich fürchtete mich, durch den vom Widerschein der Glut geröteten Ausgang zu gehen und sah danach in das Feuermeer der brennenden Nachbarhäuser.

Ich sah Frauen, die mit Wischtüchern auf den Kopf gebundene Kochtöpfe als Schutz vor herabfallenden und z.T. brennenden Gegenständen trugen. Meine Eltern hatten ihre 5 Kinder um sich geschart und liefen mit ihnen im Strom der Flüchtenden zur Weststraße und auf dieser in Richtung Altendorf. Ich entsinne mich, dass wir zunächst in einem Massenquartier im Erdgeschoß eines Hauses in der Roonstraße (heute Horst-Menzel-Straße) unterkamen und dort, dicht gedrängt auf dem Fußboden liegend, die Nacht verbrachten. Mein Vater ging zurück und bannte mit einigen mutigen Männern die Gefahr, dass das Feuer vom Nachbarhaus auf die Ludendorfstraße 25 überspringt. Sie schlugen Löcher in die Mauer zum Nachbarhaus und schütteten durch diese Wasser an der Brandmauer hinab. Das Wasser holten sie wahrscheinlich aus dem Löschwasserteich der auf der Wiese des Kaiserplatzes angelegt worden war.

So erinnere ich mich noch an die Nacht des 5. März 1945 und denke an sie, wenn ich das kleine Blechschild ansehe. Es sollte mir, wenn meine Eltern nicht mehr dazu in der Lage wären, durch Helfende den Weg zu meiner Großtante in Tharandt aufzeigen.
 

Hier hat der Zeitzeuge seine Geschichte erlebt:

Zeitzeugen-Broschüren


Der ewige März

Titelbild der Broschüre

Erinnerungen an eine Kindheit im Krieg

Die letzten Zeugen

Titelbild der Broschüre

Als das alte Chemnitz im Bombenhagel starb

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