Chemnitzer Zeitzeugen: Klaus Müller

Da ich zum Zeitpunkt des Bombenangriffs erst 3 Jahre und 8 Monate war, sind meine Erinnerungen sicher eine Mischung von Erlebtem und im Nachhinein Berichteten. Im März 1945 lebten wir zu siebent in der Lutherstraße 51 in Bernsdorf, in einer 2 Raum – Erdgeschosswohnung. (…)

Zum Bombenangriff am 05.03.1945 fanden wir Zuflucht in einem größeren Gewölbekeller in der Lutherstraße 49, in meiner Erinnerung mit vielen Bewohnern der umliegenden Häuser. Drei recht klare Erinnerungen habe ich an die Stunden im Keller. Erstens, dass ich als jüngster Spross auf dem Schoß meiner Mutter sitzen durfte. Zweitens, dass beim Treffer einer Brandbombe in die Hausnummer 47 alles wackelte und der Putz von der Decke fiel. Und die dritte und einschneidendste Erinnerung habe ich an eine Frau, die neben meiner Mutter stehend eine Gasmaske aufsetzte, was mir wahnsinnig bedrohlich vorkam und deren Anblick ich nie vergessen konnte. Wir blieben in jener Nacht unverletzt. Unser Vater, der nicht bei uns war, auch. Lediglich die Fensterscheiben unserer Wohnung waren zu Bruch gegangen. In der Folge der dramatischen Nacht war ich so traumatisiert, dass ich nicht mehr sprach, wie lange weiß ich nicht genau. Irgendwann fand ich meine Stimme wieder, jedoch nur stotternd, was die Schulausbildung in der entbehrungsreichen Nachkriegszeit nicht einfach machte. Letztlich verlor sich der Sprachfehler erst im Jugendalter.

Zum Ende des Krieges verbrachten wir einige Zeit in der großen Gartenanlage an der Reichenhainer Straße um dem Häuserkampf in der Stadt zu entfliehen, hier erinnere ich mich noch an den Weg mit unserem wichtigsten Hab und Gut auf einem Kinderwagen und das berittene Polizei oder Militär eines Tages vorbeikam und uns mitteilte, dass der Krieg endlich vorüber sei.

Mein jüngstes Enkelkind Lina wird dieser Tage vier Jahre, ist also ähnlich alt wie ich zum Ende des Krieges. Ihre größten Sorgen sind die typischen Sorgen eines Kindergartenkindes unserer Zeit und drehen sich um Spielzeug, den Sandmann, Gute Nacht Geschichten und die Wünsche zum Geburtstag. Mögen wir uns und den nachfolgenden Generationen immer ins Bewusstsein rufen, dass das die Sorgen sind, die ein 4jähriges Kind haben sollte und nicht Angst vor dem Tod, dem Tod der Eltern und Geschwister, Hunger oder ähnliches. Wir haben 75 Jahre Frieden in Europa und nunmehr 70 bzw. 30 Jahre Demokratie in unserer Republik und dies ist keine Selbstverständlichkeit und muss immer neu erarbeitet und erstritten werden. Dass sollte jedem, vor allem in den letzten Jahren, klargeworden sein. Den sorglosen Umgang mit der Demokratie und teilweise die Infragestellung dieser überhaupt, macht mir große Sorge beim Gedanken an alle meine Enkelkinder.

Irgendwann wird es keine Zeitzeugen mehr geben die mit erlebtem Schicksal warnen können!
 

Hier hat der Zeitzeuge seine Geschichte erlebt:

Zeitzeugen-Broschüren

Der ewige März

Titelbild der Broschüre

Erinnerungen an eine Kindheit im Krieg


Die letzten Zeugen

Die letzten Zeugen

Als das alte Chemnitz im Bombenhagel starb

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