Chemnitzer Zeitzeugen: Gertraude Reinsdorf
Der Kellergang war nur mit Kerzen beleuchtet. Darin saßen 11 Menschen, durch die Sirene in den Keller gescheucht, alte Leute und meine Mutter und ich (9 Jahre). Keiner wagte zu sprechen, es war nur das dumpfe Ausschlagen von Bomben im Sekundentakt zu hören. Jedes Mal der Gedanke: hoffentlich nicht unser Haus!
Na unendlicher Zeit war etwas Ruhe, wir gingen vorsichtig nach oben und sahen einen blutrote Himmel. Noch heute weiß ich, dass sehr viel Schnee lag… und überall krachten Zeitzünder. Plötzlich wieder Flugzeuggeräusche und der Keller war wieder unser Schutzraum! Dann ging die Kellertür auf und zwei dreckverschmierte junge Soldaten erschienen und baten uns um etwas zu trinken. Sie konnten kaum noch sprechen, aber sie berichteten von einem Rettungseinsatz an der Palmstraße, wo sie Frauen und Kinder über einen Kellerdurchbruch aus einen völlig zerbombten Haus retten konnten. Nachdem sie getrunken hatten, setzten sie ihren Weg in die Ebersdorfer Kaserne fort.
Irgendwann konnten auch wir in die Wohnung zurück. Muttel und ich haben die restliche Nacht in Decken gehüllt auf dem Sofa gesessen und durch den Streifen Glas (der zwischen der Pappe noch geblieben war) gesehen, wie Menschen mit Handwagen in Richtung Ebersdorf ihre Habseligkeiten beförderten. Oft saßen auch gebrechliche Leute und Kinder mit auf den Wagen. Diese Bilder haben sich bei mir eingerannt und ich sehe diese Grausamkeiten heute noch vor mir. Heut noch bekomme ich Gänsehaut, wenn ich Sirenen höre.
Am nächsten Mittag kam mein Opa, rußverschmiert, und sagte uns, dass seine Wohnung in Glösa auch dem Erdboden gleich gemacht wurde, durch Sprengbomben.
Als wir Opas letzte Reste seines Haushaltes bergen wollten, musste ich mit meinen 9 Jahren verkraften, wie meine gleichaltrige Spielkameradin tot neben den anderen Toten am Rande des Trümmerfeldes lag. Es war schrecklich!
Diese furchtbare Zeit darf sich unter keinen Umständen wiederholen, deshalb ist es wichtig, alle Kraft für den Frieden einzusetzen.