Chemnitzer Zeitzeugen: Brigitte Seifert
Meine wohlbehütete Kindheit und später auch die Jugendzeit verbrachte ich mit meiner Schwester und unseren Eltern in Chemnitz auf der Planitzstraße 122 (heute Heinrich-Schütz-Straße), im Haus meines Großvaters.
An die Zerstörung unserer Stadt Chemnitz am 5. März 1945 kann ich mich gut erinnern. Das Geheul der Sirenen die Fliegeralarm meldeten, schnelles Anziehen und der Griff zu einem kleinen Kinderkoffer, der meine Geburtsurkunde und verschiedene Dinge enthielt die meine Eltern für wichtig für mich erachteten, dann der Gang in den Keller. All das ist für mich immer noch gegenwärtig.
Meine Freundin Helga Kunze wohnte Planitzstraße 106, ihre Großeltern in unserem Haus. Wir Mädels hingen täglich zusammen, verbrachten viel Zeit miteinander. Nach der Entwarnung des Fliegeralarms kam Helga entsetzt und aufgelöst zu uns und bat um Hilfe. Helgas Wohnhaus brannte und ihr Vater brauchte Hilfe um Möbel und Hausrat auf die Straße zu tragen. Mein Vater stürmte hilfsbereit los um zu helfen. Wir zurückgebliebenen warteten und warteten. Inzwischen heulten erneut die Sirenen zum nächsten Fliegeralarm. Was war mit unseren Vätern passiert?
Endlich! Beide kamen und berichteten: Brandbomben hatten die Häuser der Münchner Straße getroffen und über die Dächer bis auf das Eckhaus Planitzstraße und weiter Richtung Yorckstraße die Häuser angebrannt. Zur damaligen Zeit brannte als letztes Wohnhaus das meiner Freundin. Mein Vater war der Meinung, dass die Häuser sich weiter entzünden würden und erst an der Yorckstraße dieser enorme Brand zum Stillstand kommt. Die Dächer müssten getrennt, eine breite Bahn muss gehackt werden, um dem Feuer über die Dächer keine Nahrung mehr zu bieten. Unsere beiden Väter und einige wenige Soldaten der gegenüberbefindlichen Kaserne hatten den Mut unter Leitung meines Vaters und trotz erneutem Fliegeralarm diese schwierige Arbeit zu tun. Das Feuer kam zum Stillstand, viele Häuser blieben erhalten.
Für mich waren unsere beiden Väter Helden, große stille Helden, die tun mussten, ohne Auftrag, was dringend sein musste. Hilfe für die Nachbarn, Freunde oder auch Menschen, die in Not waren, die man garnicht kannte, war in dieser schweren Zeit selbstverständlich. In meiner Erinnerung sehe ich noch, wie mehrere Tage, trotz schlechtem Wetters die Planitzstraße mit Möbel und Hausrat vollgestellt war. Es dauerte lange bis für all das eine Möglichkeit zum unterstellen gefunden wurde.