Chemnitzer Zeitzeugen: Karl-Heinz Wolf

Der Luftschutzkeller war der innere Hauskeller und für ca. 30-40 Hausbewohner aller Altersstufen ausgerüstet. Er war mit Decken, Matratzen und Kissen, die auf dem Boden lagen, ausgestattet. Wenn die Sirenen heulten, strömten alle Hausbewohner in den Kellerraum und knieten sich auf den ausgestatteten Fußboden und steckten die Köpfe zusammen.

Aus dem Radio kam die Meldung, dass anglo-amerikanische Bomberverbände aus nordwestlicher Richtung in Sachsen einflogen und die Flugroute über Leipzig kommend unsere Stadt Chemnitz anvisierten.

Dann hörten wir Motorenlärm, der immer lauter wurde. Die deutsche Abwehr war mit Geschützen ausgestattet und gaben erste Geschosse ab, die dann bald verstummten. Das Radio ging ständig und gab Berichte zum Stand. Ich kniete mit meiner Mutter, wie alle anderen Hausbewohner im Luftschutzkeller. Der Lärm der Bomber wurde immer lauter und jetzt gingen die Explosionen in unserer Umgebung los.

Als die Bomben unser Wohngebiet erreichten, wurden die Häuser durch Sprengbomben und Brandbomben zerstört. In der Hausecke unser Straße schräg gegenüber hat eine Luftmiene in einem Schlag drei bis vier Wohnhäuser dem Erdboden gleichgemacht. Überall Tote und verschüttete Menschen. Wir hörten überall wie verschüttete und verletzte Menschen um Hilfe schrien.

Meine Mutter, damals 37 Jahre alt, war auf Grund Ihres Alters die einzige rüstige Person in unserem Keller. Sie ging auf die Straße und sah die verschütteten und toten Menschen. Im Haus gegenüber war u.a. eine Mutter mit drei Kinder verschüttet worden, sie lebten. Meine Mutter versuchte diese Menschen aus den Trümmern zu befreien. Dabei brachen Wände und Balken und die verschütteten Frauen und Kinder riefen um Hilfe und keiner wusste, wie es weitergehen sollte.

Wir nahmen all das, was wir tragen konnten und gingen auf den damaligen Schlageterplatz, (dann Karl-Marx-Platz, heute Platz der Opfer des Faschismus) an der Zschopauer Straße und versuchten auf dem nassen und verschneiten Rasen etwas Ruhe zu finden.

Die Stadt brannte überall und der Himmel war feuerrot. Überall lagen und saßen tote und verletzte Menschen. Es war furchtbar.

Eine Frau aus unserem Haus schlug vor, dass wir nach Ebersdorf zu Ihrer Verwandtschaft gehen. Und so gingen wir bei Regen, Eis und Schnee mit unseren wenigen Habseligkeiten per Fuß nach Ebersdorf. Dort konnten wir in einer Kirchgemeinde etwas Essen erhalten und uns von den Geschehnissen etwas entspannen.

Diesen Weg gingen wir dann jeden Tag zu Fuß – bei Wind und Wetter, denn wir hatten nichts mehr. Als wir wieder einmal bei den Trümmern unserer Wohnung waren, sah ich Teile meiner Spielzeugeisenbahn liegen, auch sie war verbrannt. Immer wieder stocherten die Menschen in den Resten der Trümmer umher, in der Hoffnung, noch etwas Brauchbares zu finden.

In dieser Zeit fanden wir in Heinersdorf eine Schlafstätte bei der Schwester meiner Mutter. Meine Mutter und ich liefen fast täglich zu den Trümmern unserer zerbombten Wohnung. Es war Mitte März 1945, schönes Frühlingswetter. An diesem Tag kam von der Logenstraße, (Kurt-Günther Straße) ein Soldat in Uniform. Das war mein Vater. Er war aus Russland angereist und hatte erfahren, dass Chemnitz bombardiert worden war. Er suchte uns. Es war so schön, dass mein Vater da war. Meine Mutter wollte ihn von der Abreise zurückhalten, aber er ging trotzdem wieder zurück, da er schon genügend Soldaten an Bäumen erhängend, gesehen hatte. Im Jahr 1947, lief ich mit meinem Schulfreund in Borna in die Schule. Meine Mutter und ich wohnten mittlerweile auf der Sandstraße. Auf dem Schulweg kam uns ein schmächtiger Soldat in zerlumpter Uniform entgegen. Er lief sehr schlecht durch eine Verletzung. Als ich mittags aus der Schule kam, saß der Soldat mit der zerlumpten Uniform bei uns zu Hause. Das war mein Vater, er kam aus Gefangenschaft wieder nach Hause.

Ich denke viel zurück an die Zeit, an das, was wir verloren hatten. Und immer kommt der 05.03.1945 wieder, der mein Leben so veränderte. In denke an die Zeit vom Wiederaufbau, und in welchen Überfluss wir heute leben. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir das Erlebte nicht vergessen dürfen und an unsere Nachkommen weitergeben müssen.
 

Hier erlebte der Zeitzeuge seine Geschichte:

Zeitzeugen-Broschüren

Der ewige März

Titelbild der Broschüre

Erinnerungen an eine Kindheit im Krieg


Die letzten Zeugen

Die letzten Zeugen

Als das alte Chemnitz im Bombenhagel starb

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