Stolpersteinverlegung am 30. September 2015
Mit der Verlegung von 25 Steinen im Gedenken an ehemalige Chemnitzer Mitbürger wurde am 30. September 2015 das Stolperstein-Projekt in Chemnitz fortgesetzt.
Dresdner Straße 38, Georg-Landgraf-Forum
Ernst Heilmann (geb. 1881), gebürtiger Berliner, übernahm in Chemnitz von 1909 bis 1915 die Leitung der sozialdemokratischen Volksstimme mit Sitz im Druck- und Verlagsgebäude in der Dresdner Straße 38. Er war bereits mit 17 Jahren der SPD beigetreten und vertrat diese später auch im Preußischen Landtag sowie von 1928 bis 1933 im Reichstag. Im Juni 1933 wurde er verhaftet und nach dem Aufenthalt in mehreren Konzentrationslagern sowie schweren Misshandlungen am 03.04.1940 im KZ Buchenwald ermordet.
Paten: Dr. Stephan Pfalzer, Dr. Mike Schmeitzner (Dresden)
Dresdner Straße 178, Klinikum Chemnitz gGmbH
Henriette Frensdorf (geb. 1876) arbeitete bis Oktober 1930 als Oberschwester an der Nervenheilanstalt Chemnitz, zog im Februar 1943 zunächst noch in das Jüdische Alters- und Siechenheim am Antonplatz, bevor sie wenige Wochen später mit den letzten Bewohnern des Heims nach Theresienstadt deportiert und im Mai 1944 in Auschwitz ermordet wurde.
Richard Bretschneider (geb. 1899) kam als Patient 1933 in die Chemnitzer Nervenklinik. 1937 erfolgte seine Verlegung in die Landesanstalt Zschadrass. In der „Euthanasie“-Anstalt Pirna-Sonnenstein wurde er im Rahmen der „Aktion T4“ am 19.07.1940 ermordet.
Paten: Prof. Dr. Teresa Pinheiro, Daniel Steinbach
Münchner Straße 61
Eugen Simon (geb. 1877) musste 1939 von der Münchner Straße in eines der Judenhäuser von Chemnitz ziehen. Wie auch seine drei Geschwister, zu deren Gedenken bereits im Vorjahr Stolpersteine an der Bernsdorfer Straße 1 / Ecke Ritterstraße verlegt wurden, erlitt er das Schicksal der Deportation und Ermordung. Am 27. Februar 1943 wurde er nach Auschwitz deportiert, wo er am 17. April den Tod fand.
Patin: Heidrun Schreiter
Zschopauer Platz 13
Dr. Else Wolff (geb. 1891), städtische Beamte, war als Stadtschulärztin in Chemnitz tätig. 1936 verzog sie von Chemnitz nach Leipzig. Am 10.05.1942 wurde sie im Rahmen eines großen Transportes in das Ghetto Belzyce deportiert und dort ermordet.
Elsasser Straße 8, Peretz-Haus
Dem Kaufmann und Unternehmer Siegfried Peretz (geb. 1859) gehörte die in diesem Gebäude ansässige Strumpffabrik Siegfried Peretz. Nach dessen Enteignung im Jahr 1938 und folgenden Jahren der Demütigung setzten er und seine nichtjüdische Ehefrau Lina (geb. 1860 als Lina Aeberlein) am 3. Mai 1943 ihrem Leben ein Ende.
Patin: Familie Mähler (Berlin)
Ahornstraße 32
Hedwig Doerzbacher (geb. 1883 als Hedwig Kohn), die Witwe des Chemnitzer Strumpffabrikanten Max Doerzbacher, erlitt ebenfalls das Schicksal der Deportation am 10.05.1942 in das Ghetto Belzyce und anschließender Ermordung. An der Stelle, wo einst das Haus Ahornstraße 32, zuletzt ein „Judenhaus“, stand, wurde bereits vor einigen Jahren ein Stolperstein verlegt.
Heinrich-Beck-Straße 47
Der Kaufmann Alfred Löser Joachimsthal (geb. 1877) und seine Ehefrau Elli (geb. 1885 als Elli Muhr) gehörten zu den am längsten in Chemnitz lebenden Juden. Am 10.05.1942 wurden die Eheleute in das Ghetto Belzyce bei Lublin deportiert. Bei der Räumung des Ghettos durch die SS im Oktober 1942 wurden etwa 5300 Menschen ermordet, unter ihnen auch Alfred Löser und Elli Joachimsthal.
Heinrich-Beck-Straße 53
Alfred Leder (geb. 1917), Sohn des jüdischen Unternehmer- und Kunstsammlerehepaars David und Lola Leder sowie Bruder des 1997 verstorbenen Schriftstellers Stephan Hermlin, lebte hier im Wohnhaus seiner Eltern. 1934 wanderte er nach Palästina aus, 1938 ging er nach England. Seit Oktober 1941 gehörte er der Royal Air Force an. Als Flugschüler kam er am 7. Januar 1943 bei einem Zusammenprall zweier Trainingsmaschinen in der Provinz Alberta (Kanada) ums Leben.
Hoffmannstraße 58/60
Im Alter von zwölf Jahren wanderte Benjamin Sigler (geb. 1922) in Begleitung seiner Eltern nach England aus und trat mit achtzehn Jahren der Royal Air Force bei. Bei einem Einsatz als Pilot kam er am 30.05.1942 ums Leben, als sein Flugzeug über Köln abstürzte.
Weststraße 73
Die Witwe des zweiten Chemnitzer Rabbiners, Gerta Mühlfelder (geb. 1853 als Gerta Lipmann), zog 1941 von ihrem Wohnhaus in der Weststraße 73 in das Jüdische Altersheim. Am 21. Juni 1943 wurde die blinde und taube 90-jährige Frau nach Theresienstadt deportiert und verstarb dort am 19.07.1943.
Paten: MdL Alexander Dierks, Gisela Flämig, Evangelisches Pfarramt St.-Nikolai-Thomas
Hübschmannstraße 19
In der 1910 erbauten „Kyffhäuserburg“ wohnten Max Moses Löwenstein (geb. 1871) und seine Ehefrau Elise (geb. 1869 als Elise Michaelis). Im Zuge des Novemberpogroms 1938 wurde Max Moses Löwenstein nach Buchenwald deportiert und dort schwer misshandelt. Er starb wenige Monate nach seiner Rückkehr nach Chemnitz am 14.07.1939
Paten: Anne Kubin, Dirk Landmann, Frank Hartmann
Helenenstraße 42 (heute Walter-Oertel-Straße)
Gilel Reiter (geb. 1878) erlitt während der „Schutzhaft“ 1938 in Buchenwald schwere Misshandlungen. Dem schwer nierenkranken Familienvater wurde jede medizinische Hilfe versagt und er verstarb qualvoll am 18.02.1944 in Chemnitz. Seine als illegal geltende Beisetzung auf dem Jüdischen Friedhof in Altendorf wurde von der Familie unter größten Schwierigkeiten im Winter organisiert.
Kaßbergstraße 22a
Der einst hier wohnhafte Jacob Ralf Götz (geb. 1913) gehörte der Kaufmannsfamilie an, die das ehemalige jüdische Kaufhaus der Gebrüder Böhm übernommen hatte. Nach einer „Schutzhaft“ 1938 gelang ihm 1939 die Flucht nach Holland. Er lebte 1942/43 im Untergrund, bis er von Nachbarn denunziert und am 19.10.1943 nach Auschwitz deportiert wurde. Am 31.03.1944 wurde er dort ermordet.
Paten: Rabbiner Dr. Edward van Voolen, Verwandter, Ines Vorsatz und Daniel Steinbach
Antonplatz 15 (heute Mühlenstraße 2 / Karl-Liebknecht-Straße 20)
Hier befand sich das Jüdische Altersheim von Chemnitz. Dessen damalige Leiterin, Marie Doernberger (geb. 1883 als Marie Levinger), stammte aus Berlin, wo sie bis 1940 lebte. 1943 wurde das Altersheim aufgelöst und alle Bewohner und Bediensteten nach Theresienstadt deportiert. 1944 kam die Witwe nach Auschwitz, wo sie am 14.10.1944 ermordet wurde.
Lange Straße 46 (heute bebaut, Verlegung Am Rathaus 8)
David Klebe (geb. 1873), der letzte Vorsitzende der Jüdischen Kultusvereinigung Chemnitz, wurde 1942 in Treblinka ermordet. Nach seinem unfreiwilligen Umzug aus seinem Wohnhaus in eines der Judenhäuser der Stadt wurde der ehemalige Getreidehändler am 7. September 1942 zunächst nach Theresienstadt deportiert.