Ich finde nicht, dass sich ein Chemnitzer für seine Stadt verstecken muss

Die Firma hat Weltkriege und Wirtschaftskrisen überstanden und die „Kugeln rollen noch immer“. Seit 128 Jahren werden bei Billard-Krausse in Chemnitz Billard-Tische gefertigt. Der Billardbauer ist wohl das älteste noch existierende Unternehmen dieser Art in Deutschland, wahrscheinlich sogar in Europa. Es stellt Billardtische in allen Varianten her – unter anderem Poolbillards, Carambolbillards, Kegelbillards, Billardtische für Russische Pyramide, Snooker, aber auch Lochbillards für Kinder. Außerdem bietet das Unternehmen Beratungs- und Serviceleistungen rund um das beliebte Spiel.
Besitzer Marco Lohmann, der die Firma 2007 übernommen hat, tüftelt ständig über neuen Ideen, wie man die Produkte noch weiter verbessern kann. Für uns ist der Betrieb auf der Carolastraße 5 der Macher der Woche.

Marco Lohmann: Das war eigentlich ein Zufall. Ich hatte 2004 angefangen meinen Tischlermeister in Teilzeit zu machen. In meiner damaligen Firma, war das nicht mehr möglich, ein Meisterstück zu bauen. So habe ich in der Handwerkskammer unseren Lehrer gefragt, ob er nicht wüsste, wo ich mein Meisterstück bauen könnte. Der Lehrer kam die Woche darauf zu mir, und erzählte, dass er eine besondere Tischlerei kennt, die einen Nachfolger sucht. Es wäre kein Problem das Meisterstück dort zu bauen. Als ich Hans-Jörg Ritscher kennen lernte, meinen Vorgänger bei Billard-Krausse, und er mir von seinem Vorhaben erzählte, war die Entscheidung, mit welchem Möbelstück ich meine Meisterprüfung mache, gefallen. Ich baute einen Billardtisch.

Sie hätten doch auch Schränke bauen können - woher kam die Faszination Billard?
Ein Billardtisch ist genauso wie ein Schrank ein Möbelstück und von der tischlerischen Seite gesehen sehr anspruchsvoll. Die Steinplatte und der Bezug machen das Möbelstück erst zu dem Billardtisch wie wir ihn kennen. Reizvoll war auch die Aufgabe, ein Möbelstück zu bauen, für das es keine Schulungen gibt. Alles was man hier sieht, ist überliefert bzw. von Generation zu Generation weitergegeben worden. Für das Bauen, das Beziehen und die Bandentechnischen Sachen gibt es keine Lehrgänge.

Wie lange dauert es einen Billardtisch zu bauen?
Von zwei bis sechs Wochen kann ein Billardtisch einen schon in Beschlag nehmen.

Gibt es ausgefallene Wünsche bei dem Bau von solchen Tischen?
In unserer Manufaktur werden Billardtische nach Kundenwunsch gestaltet, gefertigt und ausgestattet. Zum Beispiel kann man, durch passende Abdeckplatten, das Billard mit wenig Handgriffen zum Esstisch, Konferenztisch oder Präsentationtisch umfunktionieren.

Ihre Kunden kommen doch sicherlich aus allen Ecken Deutschlands?
Ich war vor zwei Wochen hundert Kilometer vor Warnemünde und habe dort einen Poolbillard- und einen Kegelbillardtisch geliefert. Alles natürlich nach besonderen Wünschen.

„Durch Modernisierung und neue innovative Verfahrenstechniken sowie dem Durchbruch bei der Bandenfrage, hat man, auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, volle Auftragsbücher.“ Was kann man sich unter innovative Verfahrenstechniken und dem Durchbruch bei der Bandenfrage vorstellen?“
Man muss unterscheiden zwischen Privatkunden, über die wir bereits gesprochen haben und den Vereinen (Kreisklasse bis hin zur Bundesliga), die wir bedienen. Zum Beispiel beim Kegelbillard. Das Spiel ist im gesamten Osten verbreitet und wurde früher in jeder Kneipe gespielt. Die Gummibande spielt eine ganz wesentliche Rolle bei dieser Form des Billards. Nach der Wende wurde das Gummikombinat aus Waltershausen von der Treuhand abgewickelt, dabei wurden auch die Unterlagen und Formen vernichtet. Die Gummibande von den Pooltischen, wurde auch in die Kegelbillardtische eingebaut, könnten aber den Anforderungen der Wettkampfspieler nicht erfüllen, die höherklassig spielten. Nach 20-jähriger Entwicklungszeit, auch mein Vorgänger hatte daran getüftelt, gelang uns 2013 der Durchbruch mit Hilfe eines Gummiherstellers aus Hannover und der hiesigen Vereine, die als Probanden herhielten, die Herstellung präziserer Bandensysteme. Jetzt sind wir an dem Punkt, an dem wir sagen: Der Gummi bleibt.
Der Erfolg gibt uns mittlerweile Recht: Die Deutschen Meisterschaften im Kegelbillard fanden vor kurzem in Wusterwitz/Brandenburg auf unseren Billardtischen statt. Da sind Ergebnisse erzielt wurden, die es vorher noch nicht gab. Auch die Privatkunden profitieren letztendlich von dieser Bandenentwicklung. Wenn ein Kunde für daheim einen Kegelbillardtisch haben möchte, bauen wir die gleichen Banden wie für Vereine ein.

1886 gründete Robert Krausse damals noch auf der Brückenstraße die Billard-Fabrik. Zwei Weltkriege später und nach der Teilung Deutschlands spielte man im Westen vorwiegend Carambolage und zunehmend auch Poolbillard, das die amerikanischen Soldaten mitbrachten. Im Osten hatte sich ebenfalls Carambolage und Kegelbillard durchgesetzt.

Sind Chemnitzer eigentlich überrascht, so etwas einzigartiges hier zu finden?
Viele kommen vorbei und sagen: Ach ihr seid immer noch hier. Billard-Krausse war schon früher den Chemnitzern ein Begriff und die erinnern sich auch heute noch gerne an uns. Bei Fragen rund um das Billardspiel kommen sie zu uns. Sei es die Queuereparatur, wenn ein neues Leder gewünscht ist oder wenn was kaputt ist.

Ist Chemnitz eine Billardhochburg?
In Sachen Kegel- und Poolbillard schon.

Wissen Sie wie viele Tische Sie schon gebaut haben?
Der Neubau ist das eine, der Umbau und die Restaurierung das andere. Wir reparieren und beziehen viele Billardtische, die sind dann wie neu.

Haben sich durch die Snooker-Übertragungen auf Eurosport die Zahlen der Hobbyspieler erhöht?
Der eine oder andere kam, nachdem er es im Fernsehen gesehen hat, und hat sich ein Snookerqueue gekauft. Das gab es schon. Es kommt im Monat einer, der wieder Lust an diesem Sport gefunden hat und spielen will. Daran merken wir das.

Ein besonders Highlight war sicherlich ihre indirekte Teilnahme an dem TV-Duell Schlag den Raab. Wie kam es dazu?
(Marco Lohmann schaut auf seine Akkreditierung) Genau am 22.09.2012. Die Verantwortlichen suchen immer wieder nach neuen Spielen bei denen sich der Herausforderer mit Stefan Raab duelliert. Poolbillard gab es schon, also fiel das Kegelbillard in die engere Auswahl. Bei den Recherchen der TV-Produktion sind sie auf den sächsischen Billardverband gekommen und bei der Frage nach einem Tisch, haben sie sie an uns verwiesen. Die Schwierigkeit bestand darin, dass der Tisch während der Live-Übertragung innerhalb von 30 Sekunden stehen musste. Ich war am Anfang sehr skeptisch. Doch durch unsere spezielle Bauweise konnten wir den Tisch mit einem Hubwagen in den Halle transportieren. Die Sendung war ein Spitzenerlebnis.

Spielen Sie selber Billard?
Zu wenig. Nur zum Hobby. Ich bin ja nicht über das Billard in die Firma gekommen, sondern über meinen Beruf als Tischler. Es war schon immer so, dass ich spezielle Sachen gern gemacht habe, getüftelt und probiert habe. Allein die Zeit fehlt ein wenig.

Vor drei Jahren, am 1. März 2011, ist Billard-Krausse zum 125. Firmenjubiläum geehrt worden. Macht das stolz?
Um 1900 rum, gab es in Chemnitz elf Billardhersteller. Alle anderen sind weg und wir geblieben. Das macht schon stolz.

Würde sich ihr Unternehmen in einer anderen Stadt auch halten können?
Mit unserer Kompetenz könnten wir theoretisch unser Unternehmen, auch in einer anderen sächsischen Stadt weiterführen. Da die meisten Kegelbillardspieler zwischen Kap Arkona und Fichtelberg leben.

Wenn ich mir einen Billardtisch in die Wohnung stellen möchte, wie viel zahle ich dafür?
Billards mit wenig Platzbedarf sind ab 295 Euro zu haben. Ein Billardtisch mit Steinplatte ab 2500 Euro für höchsten Spielkomfort.

Unsere Standardfrage bei den Macher-Interviews: Muss man den Chemnitzern Mut machen?
Wenn ich in Deutschland unterwegs bin und sage wo ich herkomme: Chemnitz kennt jeder. Das ist doch schön. Mit dem Karl-Marx-Kopf, der Wiedererkennungswert hat. Viele kommen zum Arbeiten nach Chemnitz, denn die Wirtschaftskraft ist in der Stadt sehr stark. Ich finde nicht, dass sich ein Chemnitzer für seine Stadt verstecken muss.