Man muss seinem Publikum zuhören können

Thilo Götz

Macher der Woche vom 4. Juni 2014

In Siegmar steht ein Tempel - Ein Cineasten-Tempel! Mit dem Clubkino hat sich in diesem Stadtteil eine Institution etabliert, die nicht nur ausgemachten Filmfans eine Heimat bietet. Vielmehr und vor allem mit der Chemnitzer Filmwerkstatt als Betreiber will das Haus für Filmschaffende aus Chemnitz und der Region ein Domizil sein. Dass hier schon Streifen entstanden sind, die renommierte Preise wie die Lola bekommen haben, spricht dafür. Wer in den Clubsesseln des Hauses einmal Platz genommen hat, bekommt denn auch eine Vorstellung davon, wie sich Kino anfühlen muss. Konzentriert auf den Film, auf die Unterhaltung oder auch die Kunst und nur durch wenig Werbung gestört, kann man Filme wirklich genießen. Dazu gehört, dass man mit Thilo Götz, dem Macher im Clubkino, der auch hinter der Bar im großen Kinosaal Getränke und kleine Snacks verkauft, vorher einen Plausch halten oder einen Spaß machen kann. Man ist nicht unter sich, aber man weiß, dass der Sitznachbar und die Betreiber Filmfans im besten Sinne sind. Dabei hat Thilo Götz auch einen überwältigenden Fundus an Gesprächsstoff über Chemnitz, die Situation von Kino im Allgemeinen und von der Anziehungskraft von Filmen im Besonderen. Im Gespräch mit ihm, dem Vater einer Tochter und gebürtigen Chemnitzer wird deutlich, mit wie viel Liebe und Wissen einer so ein Kino betreiben kann, wenn er ein Programm und eine Idee hat von dem, was mit einem Kino möglich ist, in Chemnitz.


Das Clubkino, Thilo, ist eines der letzten Programmkinos in Chemnitz. Was ist der Unterschied zu den großen Häusern?
Thilo Götz:
Die Frage mit dem Programmkino ist immer eine schöne Frage. Also wir haben ein feststehendes monatliches Programm, im Gegensatz zum Beispiel zum Cine Star im Roten Turm, wo das Programm jede Woche geändert wird. Dort heißt es: Läuft ein Film, bleibt er drin, geht er nicht, kommt er raus. Bei uns ist das so, dass ich mich einen Monat vorher festlege und sage: Nächsten Monat laufen diese Filme. Die laufen dann, egal wie, aber danach ist auch Schluss. Darauf kann man sich einrichten. Es gibt noch ein paar andere Filmstellen wie das Weltecho zum Beispiel, aber die machen eben nicht nur reines Kino.

Bei Programmkinos erwartet man immer auch einen gewissen künstlerischen oder einen Qualitätsanspruch hat. Wie schaffen es denn Filme bei Euch ins Programm und welche laufen nicht?
Das ist auch immer schwierig. Natürlich geht es viel über Preisträger, Kritiken und bekannte Namen. Und dann gibt es aber auch bekannte Namen, die hier bei uns nicht stattfinden, Schwarzenegger und wie sie alle heißen. Es gibt schon ein paar Filme, bei denen ich sage: Nee, das muss jetzt nicht sein!

Aber der durchaus nicht unumstrittene Film „Fack ju Göhte“ hat es zu Euch ins Programm geschafft. Warum?
„Fack ju Göhte“ lief vor Kurzem. Aber das hatte den Hintergrund, dass eine Schule den für ihre Schüler bestellt hatte. Und da habe ich den dreimal die Woche ins Programm genommen, weil es Leute bei uns gab, die den sehen wollten. „Fack ju Göhte“ ist ein Phänomen, wie es eben ab und zu mal passiert. Außerdem glaube ich, dass das ein richtiger Sommerfilm ist. Vielleicht nehme ich den im Sommer noch einmal rein, wenn die Leute sich fragen: „Was machen wir denn heute? Ach, guck mal, den habe ich zwar schon mal gesehen, aber da lache ich mich nochmal kaputt.“ Der ganz große Anspruch ist es nicht, aber es ist unterhaltsam.

Stimmt es, dass die Programmkinos aussterben, weil sie eben diesen Qualitätsanspruch haben?
Das glaube ich nicht. Ich kenne die Statistik bundesweit. Das Kino an sich ist ja relativ stabil. In den letzten Jahren sind durch die Umstellung auf die digitale Technik aber mit Sicherheit einige kleine Kinos gestorben, weil sie diese 50.000 bis 100.000 Euro für eine moderne Anlage nicht stemmen konnten. Ein Kino, wie wir es betreiben, hat aber noch die größten Chancen zu überstehen, weil wir flexibel reagieren können. Große Kinos sind darauf angewiesen, dass irgendjemand fernab das Programm macht. Und der sucht sich die Blockbuster heraus in der Hoffnung, dass da eben viele Leute hingehen. Es würde niemand erwarten, dass da großer Anspruch passiert. Aber wenn man etwas kleiner ist, kann man auch auf kleinere Ansprüche zugehen und es ist natürlich eine gemütlichere Atmosphäre, zumindest hier bei uns.

Was macht denn diese besondere „gemütliche“ Atmosphäre aus?
Ich glaube, dass ist bei uns schon etwas Außergewöhnliches. Da sind natürlich diese Drehsessel, die Tische, die kurze Werbung, die Bar im Kino und man sitzt ruhiger. Man kann auch miteinander reden und wir machen unsere Späße. Man kennt sich und seine Besucher. Das fällt beim großen Kino weg.

Dann ist der Kinobesuch bei Euch also eher ein Erlebnis als ein Event.
Das ist ein Erlebnis, ja. Wir haben schon auch Events, wenn mal wirklich etwas Besonderes ist. Aber das ist die Ausnahme. Man wird nicht abgelenkt, man hat seine Ruhe. Es ist eigentlich das, was man von einem Kino erwartet.

Jetzt heißt die Rubrik „Macher der Woche“. Braucht es fürs Kinomachen besondere Macherqualitäten? Und wenn ja, welche?
Ich glaube schon. Man muss sich auskennen und das auch wollen. Wer mit Kino nichts zu tun hat oder es nicht gut findet, sollte das nicht machen. Und man muss seinem Publikum zuhören können. Ich kann die Filme ja nicht ändern, ich kann nur die Filme spielen, die es eben gibt. Aber es bleibt natürlich die Frage, wie man die Filme einsetzt und wann und ob überhaupt. Viele haben bei uns das Vertrauen: „Wenn bei denen etwas läuft, kannst du den Film auch angucken.“ Es ist ganz selten, dass jemand sagt: „Ich habe bei euch einen Film gesehen, von dem war ich total enttäuscht.“ Natürlich gibt es das. Es gibt immer Filme, bei denen hat man sich etwas anderes vorgestellt hat. Aber es ist eigentlich noch nie passiert, dass die Leute rausgehen und sagen: „Das war ganz furchtbar.“ Man ist nie wirklich enttäuscht. Aber dafür muss man sein Publikum eben kennen und das lernt man erst kennen, wenn man das schon mit viel Liebe und viele, viele Jahre lang macht.

Wie würdest Du denn Euer Publikum beschreiben?
Wir haben viele Stammgäste. Das ist ein großer Teil. Die bringen immer mal wieder jemanden Neues mit. Und die erzählen dann anderen davon. Dann passiert es auch, dass Leute, die jahrelang nicht im Kino waren, dann doch irgendwann mal wieder herkommen. Hauptsächlich sind es aber Leute, die öfter kommen. Ich weiß nicht, warum die hergehen. Die einen haben keinen Fernseher, die anderen sagen: „Ach, da habe ich eine schöne Abwechslung.“ Die anderen sagen, es macht Spaß oder ist nicht so teuer. Es sind Filmfreunde.

Wie seht ihr euch selbst in der Chemnitzer Kinolandschaft?
Na, wir sind das beste Kino der Stadt. Das einzig wahre Kino! Was wir oft hören, ist die Formulierung „richtiges Kino“. Das meint meistens das Kino in der Galerie „Roter Turm“. Die Leute kommen gern in unser kleines Kino. Wer bequem und in Ruhe einen Film genießen will, findet das nur bei uns.

Ihr gehört zur Chemnitzer Filmwerkstatt. Ein paar Filme der Filmwerkstatt haben es auch international zu Auszeichnungen gebracht. Ist Chemnitz ein Ort, in dem man viel Material für Filme findet?
Da bin ich der falsche Ansprechpartner, denn mit dem Drehen und Produzieren von Filmen habe ich weniger zu tun. Aber mir ist es eigentlich ein bisschen zu wenig, was allgemein über die Stadt gemacht wird. Die Filme, die gedreht werden, sind meistens vom Thema her weg von der Stadt. Natürlich kennt man dann die Leute und die Orte, die darin mitspielen. Aber das ist nichts mit dem Inhalt „Chemnitz“. Die Filme über Chemnitz finde ich persönlich spannend und mit Sicherheit gäbe es auch Themen. Als vor kurzen Jugendliche einen Film über den 7. Oktober 1989 mit Originalmaterial gedreht haben - das war ein Schülerfilm, ein Schulprojekt! Den haben wir hier mehrfach gezeigt und da waren natürlich viele Leute da, weil sie das interessiert hat.

Es gibt auch Bestrebungen, Chemnitz zur Filmkulisse zu machen. Taugt die Stadt dafür?
Klar, es gibt traumhaft schöne Ecken hier. Aber ich kann das überhaupt nicht beurteilen. Ich würde immer eine Komödie daraus machen.

Nicht von der Filmproduktion sondern vom Erlebnis her gefragt: Ist Chemnitz nicht wirklich eine Filmstadt? Gehen Chemnitzer besonders gern ins Kino?
Nein. Das merke ich auch in unserem Kino. Deswegen war auch das Kinosterben, dass es hier in Chemnitz gab, so massiv. Man hat in Kinoketten hochgerechnet, dass im Vergleich mit anderen Städten, die genauso viele Einwohner hatten, die Chemnitzer gar nicht so häufig und so gerne ins Kino gehen. Und so etwas wächst natürlich. Die Historie ist auch nicht so, dass die Leute hier immer gerne ins Kino gegangen sind. Chemnitz war keine Kino-Hochburg, obwohl hier zu DDR-Zeiten jedes Jahr das „Nationale Spielfilmfestival der DDR“ stattfand. Aber das ist an der Bevölkerung, sagen wir es mal vorsichtig, komplett vorbeigegangen.

Heute gibt es in Chemnitz aber wieder das Kinderfilmfestival „Schlingel“. Wie ist es damit?
Da kann ich nur wenig dazu sagen. Bei uns kommt kein Film vom Festival an. Zum Kinderfilmfestival gehen auch vorrangig Schulen hin.

Das Clubkino, aber auch die Filmwerkstatt sind in Chemnitz zu Hause. Würde Euer Konzept, Euer Prinzip „Kino“ woanders funktionieren?
Nein, gar nicht. Ich bin in Chemnitz groß geworden, ich bin Chemnitzer und in Karl-Marx-Stadt geboren. Ich war hier vor der Wende im Filmclub im Clubkino und nach der Wende im Chemnitzer Filmclub e.V. im Haus der Verbände. Das hat immer viel Spaß gemacht. Und dann bin ich eben hier in dem Kino gelandet und das macht auch jetzt noch Spaß. Das kann man nicht irgendwo anders hintragen. Ich möchte mich auch nicht in großen Lagen wie in Berlin mit so einem Kino zwischen 30 anderen behaupten müssen.

Das ist in Chemnitz einfacher?
Ich bin ja der Meinung, Chemnitz überschätzt sich immer, was seine Größe angeht. Wenn man mal hernimmt, von wo bis wo Chemnitz eigentlich geht, müsste man schon ein paar Abstriche machen. Klar gibt es in Grüna oder Mittelbach Leute, die auch gerne mal zu uns kommen, weil sie ja auch gleich um die Ecke wohnen. Aber wir sind nicht in dem Sinne eine Großstadt, wie es immer klingt. Und wenn man sich damit mal abfinden würde, dann würde es uns allen wohler gehen und wir müssten nicht dauernd nach Leipzig oder Dresden schauen. Ich glaube, es gibt in diesen Städten auch Nachteile, die wir hier durch unser gemütliches Dasein gar nicht haben wollen. Und da bin ich auch ganz froh drüber.

Man muss den Chemnitzern also keinen Mut machen?
Mut? Warum muss man den Chemnitzern denn Mut machen? Wir haben doch keine Probleme, uns geht es doch eigentlich ziemlich gut. Wenn man nicht alles kaputt reden würde und wenn es noch ein paar gäbe, die sagen, ich mache jetzt mal etwas und die suchen sich Leute, die das mitmachen, dann haben die Chemnitzer auch Spaß!

 

 

 

 

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