“Man muss sich im Grunde gar keine große Mühe geben, die Stadt gut zu finden“
Jan Kummer
Macher der Woche vom 2. Juli 2014
Jan Kummer als die "Graue Eminenz" hinter der Chemnitzer Kultur- und Subkulturszene zu bezeichnen, würde ihm nicht gerecht werden und das würde er auch nicht so gern hören. Fakt ist aber, dass Chemnitz mit ihm einen Kulturmacher mit kosmopolitischem Anspruch hat, dessen Aktivitäten sich nur schwer vergleichen und schon gar nicht in Kategorien pressen lassen. Als Künstler, so versteht sich Kummer, ist er ein Macher, der nicht morgens aufsteht und überlegt, wie er über den Tag kommt, sondern wie er sich diesen Tag in seinem Sinne nützlich machen kann. Das treibt ihn, wenn man so will, vorwärts ohne den erklärten Anspruch zu haben, rastlos sein zu wollen. Vielmehr ist es seine Fähigkeit in den Dingen deren Potenziale zu erkennen und zu Tage zu fördern. Das betrifft nicht nur sein Schaffen als Bildender Künstler. Auch und gerade sieht er die Möglichkeiten von Menschen und Orten und fördert sie. So gibt es das Projekt Atomino nach wie vor, trotz aller widrigen Umstände. Wir treffen Jan an einem sonnigen Tag im Garten seines Hauses in Bernsdorf und während des Gesprächs kann man sich gut vorstellen, wie Jungs, die heute große Bühnen rocken, hier mit Roller oder Fahrrad ihre ersten Kreise gezogen haben. Es entwickelt sich ein entspanntes aber nicht minder interessantes Gespräch über Kunst, Chemnitz und verschiedene Möglichkeiten.
Immer, wenn man sich in dieser Stadt mit ihren Clubs, ihrer Musikszene oder ihrer Subkultur ein bisschen näher beschäftigt, kommt man an Jan Kummer nicht vorbei. Wie entsteht sowas?
Jan Kummer: Das ist immer ein Prozess. Also das fängt ja relativ unspektakulär an und wenn man, so wie ich, doch ziemlich ortstreu ist, dann ist das einfach irgendwann nach all den Jahren so. Dann guckt man zurück und stellt selbst erstaunt fest, wo man überall seine Finger schon drin hatte. Und dass jetzt ein Großteil davon innerhalb einer Stadt geschehen ist, auch das war nicht grundsätzlich geplant. Das hat sich so wie vieles anderes einfach ergeben. Aber das ist nicht so, dass man das in irgendeiner Form mit der festen Absicht oder mit dem Plan startet, dies und das kulturell abzuhaken.
Ist Chemnitz ein besonderes Pflaster, wo sich so etwas besonders gut entwickeln kann? Oder könnte das auch woanders passieren?
Das ist schwer zu sagen. Es ist ja allgemein bekannt, dass es überall – Gott sei Dank – interessante Szenen gibt. Das einzige, was ich mal sagen muss: Ich bin kein großer Freund des Zentralismus. Insofern hatte mir zu DDR-Zeiten schon immer das westdeutsche Modell ganz gut gefallen, dass ein Land mehrere Zentren zulässt. Ich fand es immer schön, dass es da München gibt mit einer reizvollen Szene, Hamburg, Berlin auch und Frankfurt am Main und insofern bin ich immer auch ein Fan von Sachen, die aus der vermeintlichen Provinz kommen. Also im speziellen nicht aus dem übermächtigen Berlin, sondern meinetwegen eben auch aus Chemnitz, aus einer Ecke in Deutschland kommen, wo man das jetzt gar nicht so vermutet hätte.
Muss Chemnitz unbedingt weit oben mitspielen oder ist es, so wie es jetzt ist, eigentlich gut aufgestellt?
Das ist immer so eine Frage der Herangehensweise. Es gab in der Rubrik „Macher der Woche“ auch Vorgänger von mir, die durchaus gesagt haben: „Mensch Leute, haltet doch mal bitte den Ball flach. Chemnitz ist nun mal halb so groß wie Leipzig oder Dresden.“ Ich kann das Argument verstehen, aber bin ich kein Fan davon. Mir gefällt das immer ganz gut, wenn man so tut, als wäre Chemnitz eine große Weltstadt beziehungsweise immer diesen Plan verfolgt, mit dem, was man macht. Dass es nicht so eine Bescheidenheit ist, so ein Sich-selbst-zurücknehmen, weil man eben aus Chemnitz kommt. Sondern dass man durchaus sagt, um jetzt mal ganz unverschämt zu sein: Wir versuchen hier ein Programm zu machen, das könnte auch in New York funktionieren. Das finde ich immer reizvoller, aber natürlich klappt das nicht immer aus den verschiedensten Gründen oder weil die Stadt für manche Sachen dann vielleicht doch zu klein ist. Aber ich finde dieses Streben danach, immer zumindest großstädtisch zu tun, sehr gut. Und ob das jetzt Bildende Kunst oder Musik und das Atomino beispielsweise sind – da misst man sich nicht an irgendwelchen kleinstädtischen Angeboten, sondern versucht das schon so hinzukriegen, dass man sagt: Der Laden könnte auch in Berlin stehen und auch dort funktionieren.
Du bist ja schon ein paar Mal mit dem Atomino aus den verschiedensten Gründen umgezogen. Wie gelingt es, nicht ans Aufgeben zu denken?
Tja, das macht man einfach, weil einem an der Sache an sich gelegen ist. Wir haben das manchmal auf diesen ganz simplen Grund heruntergebrochen: Wir haben da einen Laden, da gehen wir selbst gerne hin. Wenn wir das nicht machen, besteht die Gefahr, dass es diesen Laden nicht mehr gibt. Also macht man weiter. Man könnte auch, wenn man die Lust verliert, aussteigen, aber dann sollte das schon jemand anderes übernehmen. Es wäre schon gut, wenn es das Ding – trotz aller Schwierigkeiten – immer weiter gibt. Darauf ist es angelegt.
Ich will mit Dir unbedingt noch einmal über die AG Geige reden. Darum ranken sich ja schon viele Legenden. Welche Rolle hast Du denn bei der AG Geige gespielt?
Ich war einer der Protagonisten der Formation. Ich war vom Anfang bis zum Ende dabei und war Sänger und bediente diverse kleine Effektgeräte, aber in erster Linie war ich Sänger und Texter. Wenn man das so sagen kann, „Sänger“. Als Musikband haben wir uns ja nie begriffen, sondern eher als Kunstprojekt.
Die AG Geige ist ja schon ein DDR-Projekt gewesen, wahrscheinlich hätte es so nur in der DDR funktioniert. Könntest Du das so unterschreiben? Was bedeutet Dir das heute zurückblickend?
Umso mehr Zeit vergeht, umso stolzer bin ich, dass ich da mitgemacht habe. Das ist ja manchmal auch ganz gut, wenn ein Zeitraum dazwischen liegt. Und jetzt in der Rückschau, im Zusammenhang auch mit der DVD, die jetzt herauskommt und ab August im Handel erhältlich sein soll – da hat man auch eine Art Zäsur, einen Blick zurück mit dem Dokumentarfilm. Ich fand es rückwirkend ein sehr interessantes Projekt.
Kannst Du die AG Geige noch einmal kurz beschreiben?
Das war ein multimediales Projekt von verschiedenen Künstlern, die Musik war ein Bestandteil. Ein wichtiger, aber es war nur ein Bestandteil. Es gab auch Bildende Kunst, Film, die Texte spielten eine große Rolle und vor allem auch die multimedialen Auftritte, die im besten Fall immer kombiniert waren, mit speziell für die Musik zusammengeschnittenen, selbst erstellten Filmen. Und das sollte ein Gesamtbild ergeben. Zwangsläufig hatten wir Schwierigkeiten, dass im Nachhinein alles noch einmal zusammenzutragen, weil in der DDR so wenig dokumentiert werden konnte, vor allem bildnerisch. Aber es ist uns mit dem Film ganz gut gelungen, dass nochmal so in der Komplexität der Sache zu zeigen.
Gab es Pläne, das noch einmal zu probieren? Auch im Zusammenhang mit der DVD?
Von unserer Seite nicht. Das ist ja das Schöne bei der Geschichte: Für uns war das eine abgeschlossene Sache und wir waren damit sehr zufrieden. Jeder macht noch interessante Sachen und deswegen gibt es da keinen von uns, der das dringende Bedürfnis verspüren würde, eine Reunion zu machen. Das passte zu der Zeit, da hat es seine Wichtigkeit gehabt und jetzt würde ich das auf keinen Fall mehr live machen.
Die „freie Musikszene“ scheint ja schon ein Chemnitzer Merkmal zu sein. Warum ist es so schwierig, daraus Kapital zu schlagen?
Naja, es gelingt ja schon. Es kommt darauf an, welche konkreten Ansprüche man hat. Den überregionalen, den großen Erfolg, der ist auch an Zufälle geknüpft und an günstige Entwicklungen. Das ist ja nirgendwo einfach. Es werden bei Weitem nicht alle Bands extrem erfolgreich, das heißt aber noch lange nicht, dass sie nicht innerhalb ihrer Stadt ihre Wichtigkeit haben. Ein Problem ist jedoch – und das eint viele Städte vor allem im Osten – eine fehlende Infrastruktur, was zum Beispiel Medien betrifft. Im Osten und in Chemnitz ganz speziell ist es für eine Formation schwierig, nach außen zu dringen. Es fehlen die überregionalen Medien, die das begleiten könnten. Die ganze ostdeutsche Musikpresse ist mit der Wende verschwunden und es ist scheinbar extrem schwer, so etwas jemals wieder aufzubauen. Das ist die einzige Sache, wo ich sagen muss, da hat es eine Ostband generell etwas schwerer als westdeutsche Bands. Dort gibt es noch ein paar Zentren, in denen auch eine Presse vorhanden ist und wo es nie diesen Schnitt gab, dass eine komplette Medienlandschaft, gerade was Musik und überhaupt Kunst betrifft, weggebrochen ist und nicht wieder aufgebaut wurde.
Wenn man so einen Gedanken wirklich einmal aufgreifen und eine Musikzeitschrift hier in Chemnitz oder für Südwestsachsen machen würde, gäbe es da genügend Material und genügend Bands in der Region?
Ja, das denke ich schon. Es wurde ja generell gesagt, dass die Zukunft der normalen Printmedien in einer gewissen Regionalisierung liegt. Die Leute interessiert ja, was vor Ort passiert. Zum Anderen würde ich sagen: Das berechtigte Schimpfen, dass die Medien gerade in den ostdeutschen Bundesländern so wenig vertreten sind, was Kunst und Kultur betrifft, lässt sich ja jetzt über Internet und Blogs wieder aufholen. Jetzt kann man ohne großen Aufwand einen Musikblog oder einen Kultur- und Kunstblog etablieren. Jetzt liegt es wiederum an den Leuten selbst. Man könnte tatsächlich wieder dieses Argument bringen und sagen: Gut, wenn euch das stört, baut doch mal so ein Ding auf. Es ist nicht mehr so, dass Du einen Haufen Kohle brauchst, um so ein Projekt zu verwirklichen. Jetzt könnte man langsam wieder diese Lücke stopfen.
Du bist ja ein vielseitiger Mensch. Du bist ja nicht nur Musiker, Du machst auch Bildende Kunst, hast verschiedene Ausstellungen schon gehabt. Was treibt Dich in den Tag?
Das weiß ich nicht. Das ist fast pure Gewohnheit. Ich stehe, seit ich 16 bin, in irgendeiner Weise in der Öffentlichkeit und mache Dinge, die von Ausstellungen über Musik, Schreiben, als DJ oder Veranstalter reichen. Da wächst man rein und das ist das tägliche Brot. In meinem Fall ist das eben, sich mit solchen Dingen zu befassen.
Jetzt muss ich doch einmal „mit K“ anfangen. Aus Deiner Erfahrung als Konzertveranstalter heraus: Ergibt es nach dem Weggang von „Splash“ aus der Stadt Sinn, mit dem Kosmonaut-Festival noch einmal den Versuch zu unternehmen, ein solches Festival zu etablieren?
Zum einen gibt es genügend Festivals, die mittlerweile quasi auf „der grünen Wiese“ stattfinden. Und das finde ich austauschbar. Ich denke, das ist eine ganz gute Idee, ein Festival immer auch an eine Stadt zu knüpfen, sodass es nicht so austauschbar ist, sondern immer auch etwas mit der umgebenden Stadt zu tun hat. Eine Stadt bietet doch immer Andockmöglichkeiten für ein Festival. Dass es in der Verbindung mit der Kommune zu einer Art Alleinstellungsmerkmal wird. Das ist so ähnlich wie das Wave-Gotik-Treffen in Leipzig – das kann man sich ohne Leipzig nicht vorstellen. Das kann man nicht einfach so in eine andere x-beliebige Stadt verpflanzen.
Der Weggang des „Splashs“ war für viele wie eine offene Wunde, die nie geschlossen wurde. Ich könnte mir vorstellen, dass die Stadt und ihre Verantwortlichen das nicht mehr hören konnten: „Warum habt ihr das ‚Splash‘ weggehen lassen?“ Jeder wird im Grunde genommen froh sein, dass es dort endlich mal – nach diesem schmählichen Fortgang – weitergeht. Für die Stadt ist das ein Segen, dass sich jetzt ein neues Festival etabliert. So wie es ein Riesenfehler war, das „Splash“ ziehen zu lassen. Und für das Festival selbst finde ich das auch ganz clever, da anzuknüpfen: Einerseits an eine Sache, die schon einmal bestand, andererseits an eine Stadt.
Was ist das Besondere am Kosmonaut-Festival? Und was ist der Anknüpfungspunkt vom „Kosmonaut“ in Chemnitz?
Dass die Macher des Festivals zum großen Teil aus Chemnitz kommen. Dass es auch durchaus Überschneidungen mit Leuten gibt, die das schon damals gemacht haben. Das sind eben Chemnitzer und die kennen auch die Chemnitzer Befindlichkeiten. Und die haben auch bewusst diesen Versuch noch einmal unternommen, hier ein Festival zu etablieren, weil den Leuten auch an der Stadt gelegen ist. Sie sind zum Teil auch mit dem „Splash“-Festival damals regelrecht aufgewachsen. Es gibt ja eine ganze Chemnitzer Generation, die mit dem „Splash“ groß geworden ist.
Zwei Tage vor dem Start und ich muss die Frage stellen: Die geheimen Headliner – wäre das jetzt nicht die Gelegenheit, exklusiv damit herauszurücken? Oder habe ich keine Chance?
Keine Chance. Keine Chance und Gott sei Dank bin ich ja auch nicht das Kosmonaut-Festival.
Aber Du hast ja durchaus Verbindungen dazu.
Jaja. Aber ich finde das hervorragend, solche Ideen auch gnadenlos durchzuziehen und wirklich niemandem etwas zu sagen.
Ich muss mit Dir noch einmal auf den Begriff „Heimat“ zurückkommen. Was macht Heimat für Dich aus? Ist Chemnitz für Dich eine Heimat?
Ja, klar. Ich habe hier meine Familie, ich habe hier meine Freunde, ich kenne mich hier sehr gut aus. Ich habe hier in der Stadt schon sehr viel gemacht und im Guten wie im Schlechten hat das ja immer Vorzüge, wenn man sich irgendwo gut auskennt. Mir gefällt das schon ganz gut, dass, auch wenn man bei allen Bestrebungen kosmopolitisch agiert, trotzdem irgendwo Wurzeln hat. Und das finde ich wichtig und ich muss immer dazu sagen: Man darf das nicht so blutig ernst nehmen. Wenn man das unter diesem Aspekt betrachtet, würde ich mich schon als einen Lokalpatrioten verstehen. Es ist ja immer auch sehr reizvoll, diese Stadt zu supporten. Es gibt weder ein reizvolles Fachwerkviertel, noch gigantische Söhne oder Töchter der Stadt, auf die man immer wieder verweisen kann. Es gibt keine Touristenströme, die unbedingt nach Chemnitz kommen wollen wegen irgendwelcher Besonderheiten. Selbst der Fluss, der durch Chemnitz fließt, ist eher so ein Bächlein. Im Grunde genommen hat man große Mühe, irgendetwas Mächtiges zu entdecken, was für Auswärtige DAS ist, was Chemnitz darstellt. Man muss sich im Grunde gar keine große Mühe geben, die Stadt gut zu finden. Gerade dieser Reiz, dass man eben das vermeintliche Aschenputtel-Image der Stadt so völlig ignoriert und versucht, überregional wirksame Sachen zu machen. Das ist vielleicht sogar reizvoller, als das in einer Stadt zu machen, wo eh alles schon abgesteckt ist, weil es eben gigantische Komponisten, Dichter und Fürstenhöfe, bauliche Besonderheiten oder einen wunderschönen Fluss gibt, der irgendwie so langgeht, oder ein riesiges Seen-Irgendwas. Hier ist das alles ein bisschen anders. Das Erzgebirge, das sind eben nicht die Alpen. Die Chemnitz, das ist nicht die Elbe oder die Donau. Egal, was man hernimmt: Das ist alles so ein bisschen „Naja, ist schon nicht schlecht, aber es gibt immer irgendetwas besseres.“
Ist es da eher anstrengend, in Chemnitz zu leben oder interessant?
Ich finde es dadurch interessant. Ich hatte das schon einmal in dem Zusammenhang in einem anderen Interview gesagt: Bei mir ist immer das Witzige, dass ich in Weimar geboren bin. Und habe dort auch meine ganze Verwandtschaft. Ich kenne insofern eine Stadt, die im Gegenteil zu Chemnitz wirklich davon geprägt ist: „Ach, das ist aber eine schöne Innenstadt. Eine wunderschöne Innenstadt, wunderbare Parks, Goethe und Schiller, Wagner war auch mal da.“ Wo alles da ist und man Touristen hat und alle sagen: „Weimar ist aber wunderschön.“ Für mich ist es eben sehr langweilig in solchen Städten. Da wird alles überlagert durch mächtige Geschichten und eine mächtige Historie. Man verliert irgendwie die Lust daran, das aufzubrechen, weil das so übermächtig ist. Und Chemnitz hat so etwas nicht. Und das empfinde ich in dem Falle als Vorzug. Und dann muss man ganz schlicht sagen: Chemnitz ist ziemlich gut gelegen. Es liegt zwischen Dresden und Leipzig, wenn einem mal die Decke auf den Kopf fällt, kann man in eine andere Stadt fahren.
Muss man den Chemnitzern Mut machen?
Den Chemnitzern, die ich kenne, nicht. Die sind ja meistens ziemlich aktiv und machen ihre Sachen. Mir ist das gar nicht so vertraut, dieses Mutmach-Ding. Es gab bis jetzt noch keine Sache, wo ich sagen müsste: Da bin ich an Chemnitz gescheitert. Das kenne ich nicht. Man könnte es auch so sagen: Chemnitz war schon immer eine Stadt des Exportes. Ich bin beispielsweise schon sehr zufrieden, dass die Galerie Borssenanger, die mich hier in Chemnitz vertritt, eine Dependance in Hamburg hat. Dort gefällt mir ganz gut, dass über dem Laden das Schild steht: „Galerie Borssenanger. Chemnitz – Hamburg.“ Und das ist immer der richtige Weg. Mit dem Atomino haben wir in Hamburg auch mal eine Veranstaltungsreihe gemacht. Die haben wir frech genannt: „Chemnitz hilft Hamburg.“ Da gab es gerade in Hamburg diese Gentrifizierungs-Diskussion und -Probleme und da dachten wir auch: Diese Probleme sind bei uns in Chemnitz nicht so verschärft, jetzt sollten wir den Hamburgern doch mal mit einem Kulturprogramm helfen. Und das ist so ein Beispiel dafür: Ich würde immer gerne den Spieß umdrehen. Und dann bekommt man in dieser ganzen Clublandschaft mit, dass in Berlin oder in Hamburg auch Clubs zumachen. Und es machen an anderer Stelle wieder andere auf. Das ist kein speziell Chemnitzer Problem, dass es Auseinandersetzungen gibt und dass man auch mal verliert. Entscheidend ist, ob es weitergeht. Und dann haben die Clubs dort oft ganz andere Probleme als Chemnitzer Kultureinrichtungen. Die haben mitunter das Problem, dass sie beispielsweise von Touristen überrollt werden, die sich daneben benehmen und keinen Respekt vor den Läden haben. Und die finden die als Publikum furchtbar. Das Problem haben wir nicht! Eine Zeit lang hatte ich mal so das Gefühl, dass immer der Eindruck erweckt wurde: Durch einen Ortswechsel wird alles besser oder erfolgreicher. Das Entscheidende sind wirklich die Ideen und die Energie, die man hat und in welcher Stadt man dann sitzt, ist eigentlich relativ egal. Es ist nirgendwo einfach, seine Sachen durchzuziehen.