Man ist Chemnitzer und damit ist alles gesagt

Dr. Sabine Wolfram

Macherin der Woche vom 21. Mai 2014

Das alles irgendwie „neu“ riecht in diesem Haus, ist ein merkwürdiger, wenn auch nicht unangenehmer erster Eindruck. Geschäftiger Trubel herrscht im ehemaligen Kaufhaus Schocken, in dem in wenigen Tagen das Sächsische Museum für Archäologie eröffnet. Rund um den zukünftigen Kassenbereich erhalten Mitarbeiter Einweisungen, verlegen Handwerker letzte Kabel oder errichten noch Ausstellungssysteme. Modern wirkt alles und einladend und irgendwie beginnt man sich schon im Erdgeschoss auf die Ausstellungen und das ganze Museum zu freuen.

In der 5. Etage treffen wir Dr. Sabine Wolfram. Sie leitet seit zwei Jahren zunächst die Baustelle und wird zukünftig ein Museum führen, welches sich in dieser Form im Freistaat Sachsen nicht noch einmal findet. Inmitten des Trubels, der in der Woche vor der Eröffnung in allen Bereichen herrscht, wirkt sie geschäftsmäßig und routiniert. Sie klärt vor dem Interview schnell noch wichtige Angelegenheiten, um dann zum Gespräch auf den Punkt konzentriert zu sein. Es ist ein sehr moderner Eindruck, den sie und ihr Haus vermitteln und den man zunächst nicht so recht mit Vorstellungen über ein Archäologiemuseum in Einklang bringt. Dieser scheinbare Abstand zwischen dem Gegenstand des Museums und dem Auftritt des Hauses sowie seiner Chefin lässt aber eine angenehme Spannung entstehen, die Freude auf einen offiziellen Besuch im Haus macht und mit den Vorurteilen gegenüber moderner Archäologie-Präsentation aufräumt. Das bestätigt auch Sabine Wolfram im Gespräch, die neben ihrer anspruchsvollen Tätigkeit als Museumschefin zudem Zeit findet, sich beim Tennis oder Lesen, beim Kochen oder Reisen zu entspannen. Die Wissenschaftlerin merkt man ihr im Gespräch nicht anund so kann sie die Dinge rund um die Chemnitzer Museumslandschaft recht schnell auf den Punkt bringen.


Sabine, Steinerner Wald, Oldtimer-Ausstellung, Industriemuseum und jetzt das Landesarchäologie-Museum: Warum manifestiert sich das Image von Chemnitz als „alte Stadt“ auch noch in seiner Museumslandschaft?
Dr. Sabine Wolfram: Ja, warum denn nicht? Eine Museumslandschaft gehört doch zu einer lebenswerten Stadt. Genau wie Sportplätze und Kindergärten. Museen haben nichts mit „alter Stadt“ zu tun. Viele Museen haben sehr, sehr viel junges Publikum. Ich denke, das ist etwas, was vollkommen altersunabhängig funktioniert. Man kann in jedem Alter einen neuen Blickwinkel auf Museen haben und auf das, was sie ausstellen.

Die Diskussion in Chemnitz läuft trotzdem oft noch so: „Wir brauchen nicht unbedingt noch ein neues Museum, wenn es anderer Stelle klemmt.“
Wir sind ja kein städtisches, sondern ein staatliches Museum. Das ist schon einmal ein Unterschied. Ich denke, dass die Museumslandschaft wie sie durch die Kunstsammlungen ,das Gunzenhauser, das Industriemuseum, das Naturkundemuseum und das Schlossbergmuseum geprägt wird weithin wahrgenommen wird. Dadurch hat die Stadt schon ein positives Image gewonnen. Ich denke, wir sind inhaltlich eine gute Ergänzung.

Kennst Du die Chemnitzer Museumslandschaft komplett?
Einigermaßen, ja. Ich bin in den letzten zwei Jahren nicht so sehr dazugekommen, aber natürlich war ich in den großen Häusern.

Was sind aus Deiner Sicht die geschichtlichen Höhepunkte von Chemnitz?
Ein Höhepunkt ist schon die Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Das ist das, was die Stadt maßgeblich vorangebracht hat. Und zwar aufgrund der Textilindustrie und dem extrem innovativen Maschinenbau. Das ist eine Tradition, auf die die Stadt wirklich stolz sein kann und die sie ja heute wieder lebt. Das finde ich sehr gut. Man sagt ja nicht umsonst „das sächsische Manchester“ und das ist als Kompliment gemeint.

Du meinst, das lebt heute wieder?
Ich denke schon. Als Stadt des Maschinenbaus, der zum Beispiel neue Verfahrenstechniken entwickelt, aber auch umsetzt.

Du bist jetzt seit vergleichsweise kurzer Zeit in Chemnitz und hast einen doch zeitaufwendigen Job. Gibt es trotzdem einen Ort in Chemnitz, an dem Du Dich gut entspannen kannst?
Zuhause, rund um den Küchwald. Auch in einigen Restaurants. Ich bin ganz zufrieden hier.

Du leitest das Landesarchäologiemuseum.
Das Staatliche Museum für Archäologie Chemnitz – kurz smac.

Ist das wichtig?
Ja.

Kannst Du trotzdem sagen, wie aufgeschlossen die Chemnitzer Neuem gegenüber sind?
Wir haben bisher sehr, sehr positive Erfahrungen gemacht. Wir letztes Jahre mehrfach die Baustelle für Publikum geöffnet, was sehr gut angenommen wurde. Inzwischen erkennen wir durchaus einige Besucher wieder, die einfach so interessiert waren, dass sie sich den Baufortschritt mehrfach anschauen wollten. Das macht dann sehr viel Spaß. Und gerade dass aus dem alten Kaufhaus „Schocken“ und dann im Zentrum wieder etwas geworden ist – das finden viele Chemnitzer Bürger sehr, sehr schön. Es gibt natürlich auch kritische Stimmen, aber...

Was sagen die kritischen Stimmen?
Naja, es wird eben auch einfach ganz gerne mal geschimpft. Aber das ist nicht typisch für die Chemnitzer.

Das ist nicht typisch für die Chemnitzer? Manche nehmen das eigentlich anders wahr.
In anderen Städten würde es genauso kritische Stimmen geben. Das finde ich jetzt nicht so problematisch. Im Großen und Ganzen haben wir eine sehr positive Resonanz, das zählt. Letztes Jahr haben wir an der Museumsnacht teilgenommen und hatten dabei knapp weniger Besucher als das Naturkundemuseum, obwohl wir eine Baustelle waren. Also an einem Abend 3.700 Besucher – das ist schon grandios. Auch im direkten Gespräch hört man: „Oh ja, das Schocken wird jetzt ein Museum.“
Es sind zwei Standbeine: Einmal das Haus und einmal das, was wir jetzt tun.

Was hast Du in Deiner Zeit hier in der Stadt über die Stadt gelernt? Welche Überraschungen gab es?
Ich komme wenig heraus, aber ich fand die Chemnitzer immer direkt und auch hilfsbereit. Das ist sehr angenehm.

Archäologie schaut ja im Grunde in die Vergangenheit. Was sagt die wissenschaftlich betrachtete Vergangenheit über die Zukunft der Stadt?
Über die Zukunft der Stadt steht jetzt hier nichts speziell, wir sind ein Landesmuseum. Chemnitz ist ein Teil des Freistaates Sachsen. Wir schauen nicht nur auf Chemnitz, das ist das eine. Und zum anderen geht es um geschichtliche Entwicklung. Was wir in der Archäologie untersuchen, ist Prozessgeschichte: Wie verändern sich Strukturen langfristig? Und da kann man schon sehen, dass viele Fragen, die uns heute beschäftigen, eigentlich universelle Fragen sind, die uns Menschen schon immer beschäftigt haben. Und man kann auch sehen, dass das, was man tut, auch Konsequenzen hat. So wie wir uns verhalten, hat es Konsequenzen auf die soziale und natürliche Umwelt und das ist etwas, was wir in unserem Haus versuchen zu zeigen.

Ist Chemnitz für Dich eine Stadt zum Altwerden?
Da fehlt ja nicht mehr viel, aber ja, warum nicht!

Du kommst aus Hessen. Hattest Du Anpassungsprobleme in Bezug auf Dialekt oder Mentalität?
Ich komme nicht direkt aus Hessen. Ich habe vorher sechs Jahre in Leipzig gearbeitet und gelebt.

Aber die Leipziger haben ja eine etwas andere Mentalität und einen anderen sächsischen Dialekt.
Sie sind sicheranders als die Chemnitzer, aber nein, ich bin da flexibel.

Das Motto heißt: „Die Stadt bin ich.“ Wie definierst Du das für Dich?
Ich habe in Form eines Briefes ja bereits meinen Beitrag dazu geleistet. Wenn man eine super Aufgabe hat, ist das ganz einfach. Und Ich habe ein schönes Zuhause in Chemnitz, mein Mann fühlt sich hier auch wohl. Insofern stimmt alles.

Die Chemnitzer sind ein sehr selbstkritisches Völkchen. Muss man den Chemnitzern mehr Mut machen? Wie würdest Du das versuchen?
Ich finde, man muss sich zu nichts bekennen. Man ist Chemnitzer und damit ist alles gesagt. Und ich muss auch nicht Mut machen. Sehen Sie, ich habe in Hanau gearbeitet, ich habe in Sheffield studiert. Das sind auch alles Städte, die sehr zerbombt und zerstört waren und auch eine industrielle Geschichte haben. Und immer wieder im Schatten von anderen Städten stehen. Letztendlich finden viele Menschen Chemnitz sehr liebenswert. Und eigentlich solltest Du nicht mich interviewen zu Chemnitz, sondern meine jungen Mitarbeiter, die ganz bewusst sagen: „Wir wollen hier nicht weggehen, wir fühlen uns wohl.“ In dem Zusammenhang finde ich es eigentlich spannender, mit mittelalten „Best-Agern“ zu sprechen, die sagen: „Wir sind hier geboren, wir fühlen uns hier wohl und wir wollen gar nicht weg.“ Es gibt ja auch etliche, die zurückkommen -nicht nur im Rentenalter.

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