Chemnitz ist einfach Leben
Axel König
Macher der Woche vom 10. Juni 2015
Seit knapp einem Jahr ist das Industriemuseum für Besucher geschlossen. Doch das wird sich schon bald ändern! Am 13. Juni wird eine neue Dauerausstellung eröffnet, die viel Neues und vor allem Einmaliges in Sachsen bietet. Der Förderverein des Industriemuseums Chemnitz hat an der Planung und Umsetzung einen entscheidenden Beitrag geleistet. Sein Geschäftsführer Axel König ist heute unser Macher der Woche.
Das Museum war ja nun fast ein ganzes Jahr lang geschlossen. Jetzt wird es wieder eröffnet. Warum braucht es denn eine neue Dauerausstellung?
Axel König: Es war schon so, dass viele Leute irritiert waren, dass eine komplett neue Dauerausstellung geschaffen wurde. In der Vergangenheit gab es immer wieder Neuerungen. Es gab bestimmte Dinge, die waren gesetzt. So wie diese Lokomotive dahinten (zeigt auf die große schwarze Lokomotive im Ausstellungsraum), die können Sie nicht hin und her fahren. Aber in den Kleinigkeiten, in den Abläufen und Darstellungen kamen immer wieder Veränderungen zum Guten. Jetzt freuen wir uns auf das Neue, das kommt.
Immer wieder für Veränderungen in der Ausstellung zu sorgen, war teilweise Aufgabe des Fördervereins, in dem Axel König als Geschäftsführer mit dem Vorstand an der Spitze tätig ist. Zurzeit hat der Verein 230 Mitglieder, von denen gut die Hälfte sich tätig engagieren. Viele ältere Menschen sind dabei, die moralische Unterstützung bieten. Durch die vielen ehrenamtlichen Helfer haben sich die Dinge so entwickelt, wie sie jetzt sind: Neu, groß und einzigartig. Seit fast acht Jahren engagiert sich König im Industriemuseum.
Was genau macht der Förderverein hier?
Bei der ersten Ausstellung, die hier stattgefunden hat, war der Förderverein auch als Gestalter des Museums tätig. Die neue Dauerausstellung wurde durch ein Museumsplanungsbüro gestaltet. Unsere Aufgaben waren vorwiegend die Beschaffung und Herrichtung von Exponaten und die Darstellung von bestimmten Abläufen. Alles das, was Sie hier sehen, ist zu einem großen Anteil aus dem Engagement des Fördervereins gewachsen. Und da sind wir stolz drauf. Hätte es den Förderverein in seiner Form nicht gegeben, würde es vieles, möglicherweise auch das Museum nicht geben. Denn die Menschen hier hatten damals einen Traum: die Historie der Technik und des Maschinenbaus für die Nachwelt zu erhalten.
Was gehört zu Ihren Aufgaben als Geschäftsführer des Fördervereins?
Ich habe die Gesamtaufgaben der Vereinsverwaltung übernommen. Und natürlich, da jeder Förderverein rein rechtlich ein Spendensammelverein ist, ist es meine Aufgabe die Finanzierung von bestimmten Exponaten mit abzusichern. Das gelingt meistens.
Axel König freut sich über jedes neue Mitglied im Förderverein. Nur 40 Euro kostet eine Mitgliedschaft im Jahr. Wobei jeder auch mehr dazu geben kann, um das Museum nach der Eröffnung weiterhin attraktiv zu gestalten. Jeder, der sich für die sächsische Industriegeschichte interessiert, sollte Mitglied des Fördervereins werden.
Woher kommt ihr Interesse an Industriegeschichte?
Ich bin von Beruf Gießereiingenieur. Seit 43 Jahren mach ich das jetzt schon, 40 Jahre davon aktiv, seit drei Jahren als Rentner. Nachdem ich hier nach Chemnitz gekommen bin und die Stadt kennengelernt habe, war ich davon fasziniert, dass man diese wunderschöne Industriearchitektur, die sich in Chemnitz ja an verschiedenen Stellen wiederholt, noch immer nutzt. Diese Halle hier wurde Jahrzehnte als Gießereihalle eingesetzt. Hier fand gelebte Industriegeschichte statt. Seit 13 Jahren ist hier nun das Museum. Bedauerlich war für mich als Gießer, dass der Bereich Gießerei, der ja der Ursprung dieser Halle war, ein bisschen zu kurz gekommen ist. Deswegen war es mein Bestreben, hier wieder den Begriff Gießerei zu zeigen. Und das ist uns gelungen. Wir haben jetzt einen wunderschönen Gießereibereich. Meine Aufgabe bestand darin, einen Sponsor zu finden – das ist geglückt.
Warum ist gerade Chemnitz der richtige Ort um sächsische Industriegeschichte zu zeigen?
Weil sächsische Industrie mit dem Namen Chemnitz verbunden ist. Chemnitz war immer der Schwerpunkt des Maschinenbaus. Auch jetzt im Moment hat die Stadt eine große Bedeutung für den Maschinenbau. Und das nicht nur sachsenweit, sondern auch deutschlandweit. In einigen Bereichen sogar europaweit Die lange Tradition des Chemnitzer Maschinenbaus spiegelt sich auch in den Ausbildungsstellen - oder bei Institutionen wie der TU Chemnitz wieder. Das heißt, dass was der Maschinenbauer der Zukunft braucht, nämlich Fachkräfte, gibt es hier. Und wir müssen die ganze Stadt Chemnitz so attraktiv gestalten, dass die Fachkräfte nicht eines Tages abwandern, sondern hier ihre Heimat und berufliche Zukunft finden. Dann kann Chemnitz seinem Ruf, das Zentrum der sächsischen Industrie zu sein, gerecht werden.
Um Fachkräfte in Chemnitz auszubilden und diese auch hier zu halten, muss man Kinder und Jugendliche für die Industriegeschichte interessieren. Was haben Sie denn hier für ein Angebot für Kinder und Jugendliche?
Wir haben hier den Bereich der Museumspädagogik. In diesem Bereich war das Gießen bisher, so wie auch in der alten Ausstellung, immer vernachlässigt. Jetzt haben wir es geschafft, einen kleinen Schmelzofen zu akquirieren. Das wird der neue Höhepunkt für Kinder und Jugendliche.
Gibt es dafür schon eine Nachfrage?
Wir haben hier in Chemnitz und im Umkreis alle Schulen angeschrieben. Wenn das Museum wieder eröffnet ist und wenn die erste Schulklasse hier war, dann denke ich, wird sich das wie ein Lauffeuer verbreiten. Das ist meine feste Überzeugung. Zumal ich sagen kann, dass dieses Projekt, was wir hier angestoßen haben, in Sachsen einmalig sein wird. Es gibt im Freistaat noch keine Schule, kein Museum, keine Institution, die so etwas anbietet. Wir werden in Sachsen die Ersten sein. Und das ist gut. Warum sollten Kinder ins Deutsche Museum nach München fahren? Das kann man demnächst alles hier haben. Wir können dann den Kindern zeigen, wo eigentlich die Wurzeln der industriellen Entwicklung stecken. Alles das, was man hier sieht, sind die Wurzeln. Wir bringen heute die neuen Technologien nach vorn. Aber das sind alles die Früchte. Sie müssen sich das Ganze wie einen Baum vorstellen, wenn Sie die Wurzeln verdorren lassen, dann bekommen Sie oben auch keine Früchte. Und das ist unsere Aufgabe. Die Wurzeln nicht verdorren lassen, damit die Zukunft ertragreich gestaltet werden kann.
Der Gießer aus Leidenschaft freut sich natürlich besonders auf den neuen Gießereibereich. Und auch dort ist deutlich erkennbar, was Axel König mit den Wurzeln und den Früchten meint. Die Besucher können hier genau die Entwicklung von der Gießerei vor Jahrzehnten bis zur heutigen Gießerei nachverfolgen. Ein weiterer Höhepunkt der Ausstellung wird das silberne Band sein, auf dem weniger die Exponate der Vergangenheit ausgestellt werden. Vielmehr bietet das Industriemuseum innovativen Unternehmen die Möglichkeit, zu zeigen, wie die Zukunft der Industrie aussehen könnte.
Sie haben schon angemerkt, dass Sie nach Chemnitz zugezogen sind. Was war denn der Anlass, nach Chemnitz zu kommen?
Seit 2003 bin ich in der Region. Ich hab eine Gießerei am Nordrand Sachsens geleitet. Bin dann irgendwann Rentner geworden und wenn man aus dem Ruhrgebiet kommt, so wie ich, ist das Leben in einem Ort mit nur ca. 780 Einwohnern nicht unbedingt spannend. Man braucht irgendwann Stadt. Und Chemnitz bot sich an. Ich kannte die Arbeit im Industriemuseum und die Stadt aus vielen Besuchen, meine Frau ist hier aus der Region. Und so hat es sich angeboten, nach Chemnitz zu ziehen.
Gibt es etwas, was Sie besonders an der Stadt reizt?
In dieser Stadt gibt es sehr vieles, was mich an die Umbruchsphase des Ruhrgebiets erinnert. Aber auch die Zwangslage, dass für all die Dinge, die man machen möchte, der Haushalt nicht genug Möglichkeiten bietet. Und so ist es auch im gesamten Ruhrgebiet (lacht). Es gibt noch einige andere Bezüge zwischen Chemnitz und Bochum. Sie sind beide ähnlich groß und haben eine Frau mit viel Gespür für das Notwendige und Machbare als Oberbürgermeisterin. Es gibt also viele Gemeinsamkeiten. (lacht)
Muss man den Chemnitzern Mut machen?
Ich finde die Chemnitzer haben bisher schon eine ganze Menge Mut gezeigt. Denn das, was hier entstanden ist, oder was sich allein in den vergangenen sieben Jahren, in denen ich mehr oder weniger regelmäßig nach Chemnitz komme, bewegt hat, ist für mich eine ganze Menge. Ich finde, das ist beeindruckend. Und wenn Chemnitz mit gleichem Geist und gleicher Intension weiter wächst, dann ist das hier eine ganz tolle Stadt. Die sich auch nicht mehr hinter den anderen beiden sächsischen Großstädten verstecken braucht. Chemnitz ist authentisch. Chemnitz ist einfach Leben für die Menschen vor Ort.