Für die Nachbarschaft ein Segen sein

Barry Sloan

Macher der Woche vom 4. Februar 2015

Die Baugerüste auf dem Brühl verkünden, dass hier etwas passiert. Einige Häuser sind schon saniert. Andere stehen noch leer. Ein Schaufenster zeigt aber seit kurzem weiteres Leben auf dem Fußgängerboulevard. „Inspire“ steht neben einer Pusteblume auf den Fensterscheiben. Dahinter wartet schon Pastor Barry Sloan, bequem am Laptop sitzend. Er hat sich mit anderen Ehrenamtlichen einen Begegnungsort aufgebaut.
Auf die Holzverkleidung an den Wänden mit frischen Grün- und Blautönen im Shabby-Look, die selbstgezimmerte Theke, die grün gestrichenen Eckschränke und Tische auf alten Nähmaschinenfüßen ist er sichtlich stolz. „Alles von uns selbstgebaut“, erklärt er mit leichtem Akzent. Ein großes Welcome-Schild ziert den Eingangsbereich. Ansonsten finden sich allerlei Sprüche, Buchseiten und liebevolle Dekorationen an den Wänden.


Da fühlt man sich ja gleich wohl hier. Was ist das hier: ein Cafe, Vereinsräume? Was habt Ihr an diesem Ort vor?
Barry Sloan:
Wir haben am 17. Januar unsere Räume von Inspire eröffnet. Unser Motto heißt: Herzen berühren. Menschen bewegen. Brühl beleben. Wir sind acht ehrenamtliche Leute, die diese Räume saniert und gestaltet haben. Wir wollen, dass die Räume jetzt genutzt werden. Am Sonntag hatten wir zu einem Informationsabend eingeladen, damit sich die Nachbarn treffen können und mit einsteigen. Es gab viele Ideen: Nähkurse, Sprachkurse, Reiseberichte, Vorträge, Akustik-Cafe. Das müssen wir jetzt planen.  Wir sind der Meinung, dass, wenn das Herz berührt wird, wenn wir Menschen im Herzen inspirieren können, dann kommen sie selber in Bewegung und gestalten den Brühl mit.

Dein Akzent verrät, dass Du nicht ursprünglich aus Chemnitz kommst. Seit wann kennst du die Stadt?
Ich bin in Carrickfergus in Nordirland geboren und arbeitete für die evangelisch-methodistische Kirche dort als Pastor. Ich bin von meiner Kirche nach Deutschland geschickt worden und 1998 hierher gekommen.

Konntest Du mitentscheiden, in welche Stadt Du gehst?
Jein. Ich hatte schon immer ein Herz für Europa. Dann hat der Bischof mich hier nach Deutschland eingeladen. Es gab die Möglichkeit in Ostdeutschland Dienst zu tun. Als ich bei der Sprachschule war, hat er mich angerufen und gesagt: Komm nach Chemnitz. Da musste ich erst einmal in die Landkarte schauen. Wo ist Chemnitz? Ich hatte nie von Chemnitz gehört. Ich habe dann 13 Jahre lang drei Gemeinden gedient: hier in Chemnitz in der Gemeinde der Erlöserkirche in Hilbersdorf, in Augustusburg und Flöha. Ursprünglich sollten es drei Jahre sein. Jetzt sind daraus fast 17 Jahre geworden.

Du arbeitest für das Evangelisationswerk (was für ein schweres Wort!) Was willst Du mit Deinem Beruf erreichen?
Ich bin Pastor und Evangelist. Dabei meine ich nicht den amerikanischen TV-Evangelist, sondern es geht um die gute Nachricht. Ich sehe meinen Job darin, die gute Nachricht von Gottes Liebe in die Welt zu tragen. Jetzt im Evangelisationswerk (es kommt ihm ganz leicht über die Lippen) in der evangelisch-methodistischen Kirche – welch Zungenbrecher (lacht) – reise ich rum und unterstütze Gemeinden, ihren eigentlichen Missionsauftrag zu erfüllen. Nämlich: Schaut hinaus in eure Nachbarschaft. Und schaut wie ihr dort ein Segen sein könnt. Was hat die Nachbarschaft davon, dass es euch gibt.

Nun sitzen wir mitten drin. In einem Ort, der genau das bestens beschreibt: das Inspire. Wie kann das für den Brühl ein Segen sein?
Wir wollen unseren Beitrag für mehr Leben auf dem Brühl leisten. Es gibt verschiedene Akteure auf dem Brühl. Als wir gehört haben, dass die Stadt vorhat, den Brühl neu zu beleben, haben wir gesagt: Lass uns dort einmischen. Lass uns unseren Beitrag leisten. Ich bin mit meiner Frau in dieses Stadtviertel umgezogen, weil wir hier ehrenamtlich tätig sein wollten. Ich bin nicht beruflich hier. Ich fand den Brühl einfach immer interessant, diesen langen Boulevard – wirklich schön. Es ist natürlich traurig, dass er deprimierend aussieht, aber er hat so viel Potenzial. Ich habe mich hier mit einer Handvoll andere Menschen aus verschiedenen Kirchen in Chemnitz getroffen, darunter Ulrich Täuber. Wir hatten die gleiche Vision: keine christliche Subkultur oder Parallelgesellschaft, sondern wir wollen gemeinsam unterwegs zu sein. Mit Gleichgesinnten, aber auch mit Andersdenkenden. Das ist unser Begegnungsraum. Die GGG und der Brühlmanager Dr. Luczak haben die Idee sofort unterstützt. Ein Raum, wo wir Community, Gemeinschaft aufbauen können. Wo Leute aus der Nachbarschaft die Möglichkeit haben, sich kennen zu lernen, Zeit zu verbringen. Wir wollen in die Nachbarschaft hinausgehen und Leben gestalten.

Trotzdem zieht es Dich regelmäßig aus Chemnitz weg. Du hast ein Buch geschrieben über Deine Pilgerreise. Von Irland nach Italien, das ist ein spannender Weg. Warum unternimmt man eine so abenteuerliche Reise?
Ich habe eine Sabbatzeit von meiner Kirche bekommen. Gerade als ich diese neue Aufgabe bekommen habe, dachte ich: Jetzt will ich mich vorbereiten. Ich habe gedacht: Ok, ich gehe auf Pilgerreise. Im Internet kam ich zufälligerweise auf diesen heiligen Columban. Den Namen kannte ich, aber nicht viel mehr. Und als ich weitergelesen habe, dachte ich: Das ist interessant. Der ist aus Nordirland und ist im 6. Jahrhundert mit zwölf anderen Mönchen auf Mission durch Europa gewandert. Überall haben sie kleine Siedlungen gegründet. Und aus diesen kleinen Siedlungen sind Städte, wie St. Gallen, Würzburg, Regensburg, Luxeuil in Frankreich und andere Städte entstanden. 1400 Jahre später bist du es, dacht ich mir, der auf Mission zu den Germanen (schmunzelt) gegangen ist. Es gibt allerdings keinen offiziellen Pilgerweg. Es gibt nur bestimmte Orte und Städte, wo es teilweise die alten Klöster noch gibt. Und die wollte ich besuchen. Da ich nur drei Wochen Zeit hatte und Abenteuer wollte, bin ich per Anhalter los. Ich hatte nie vor ein Buch zu schreiben. Aber mir ist so viel Humorvolles, Lustiges, Tiefsinniges, Faszinierendes passiert. Ich habe immer Tagebuch geschrieben, einfach so für mich und dann dachte ich: Ok, ich schreibe es ausführlicher. Als ich nach Hause kam, habe ich es eingeschickt und der Verlag hat es genommen. Jetzt sind wir dabei eine zweite Auflage zu machen.

Nach dem Abenteuer zurück in Chemnitz – was war das für ein Gefühl?
Chemnitz ist für mich das Zuhause. Als ich nach 13 Jahren Pastorendienst in Hilbersdorf die neue Beauftragung von meinem Bischof erhielt, wusste ich, dass ich deutschlandweit unterwegs sein werde. Ich konnte mir in ganz Deutschland eine Stadt aussuchen und dort wohnen. Rein geographisch und vielleicht vernünftig wäre es gewesen in Erfurt oder in der Mitte Deutschlands eine Stadt zu suchen – reisetechnisch gesehen. Aber wir fühlen uns wirklich berufen, in Chemnitz zu bleiben. Das ist unsere zweite Heimat. Das ist Zuhause geworden. Und auch wenn ich in Deutschland dienstlich unterwegs bin, ich atme aus, wenn ich nach Chemnitz komme. Hier fühle ich mich wohl. Hier ist mein Zuhause. Das war genauso, als ich auf Pilgerreise war. Ich habe ganz viel gelernt. Es war schön unterwegs zu sein, aber es ist auch immer wieder schön, nach Hause zu kommen.

Muss man den Chemnitzern Mut machen?
Ja, ich finde schon. Chemnitzer sind für mich zu negativ eingestellt. Ich merke unter vielen jungen Menschen, mit denen ich ins Gespräch komme, dass sich das langsam ändert. Aber trotzdem: Chemnitz hat wirklich viel Potenzial und ist auch jetzt schon eine schöne Stadt mit vielen Möglichkeiten. Du hast alles hier: Kultur, kleine Kneipen, Kino, Theater, Kunstsammlungen. Ich würde mich freuen, wenn die Chemnitzer einfach optimistischer werden. Das sehe ich auch als Aufgabe. Ich will den Leuten Mut machen, will Hoffnung geben. Ich will sie dazu ermutigen, Dinge selber in die Hand zu nehmen, sich zu bewegen.

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