Veränderungen sind zu sehen

Manfred Hastedt

Macher der Woche vom 23. September 2015

Zwischen Aktenordnern und Grünpflanzen sitzt Manfred Hastedt, Leiter des Umweltzentrums. Vor 25 Jahren, nach der friedlichen Revolution, wurde sein Traum Wirklichkeit. Er saß mit am Runden Tisch und war von der Geburtsstunde des Umweltzentrums dabei. Bis heute. Nach der deutschen Wiedervereinigung haben sich Hastedt und seine Mitstreiter intensiv den Themen Ökologie und internationale Gerechtigkeit gestellt.


Was war für Sie vor 25 Jahren der entscheidende Moment, ob es ein Umweltzentrum in Chemnitz geben kann?
Manfred Hastedt:
Es war sehr bewegend, dass die Konzeption für das Umweltzentrum am Runden Tisch im Februar 1990 auf Wohlwollen stieß. Wir wussten damals ja nicht, ob es klappt. Wir saßen in einer so großen Runde mit Bürgerinnen und Bürgern, Vertretern von Parteien und Organisationen. Es hat mich sehr gefreut, dass wir hier Unterstützung erhielten.
Wir haben uns dann die Räumlichkeiten angeschaut, die Henriettenstraße. Früher saß dort das Ministerium für Staatssicherheit, die Abteilung Post und Transport. Wir haben damals schon Ökologie praktiziert, indem wir vieles übernommen und wiederverwendet haben: von der Büroklammer bis zu Schreibutensilien. Es war im Übrigen auch das erste MfS-Gebäude, das der Bürgerschaft übergeben wurde.

Wie ging es im Umweltzentrum los?
Es zog schnell Leben ein: eine Mitfahrzentrale, ein Bio-Laden, das Cafe Henri und der erste Weltladen in Sachsen. Es war sagenhaft, wie alle zugepackt haben. Die Räume sahen nämlich furchtbar aus und mussten renoviert werden. Wir mussten alles entrümpeln. Die Chemnitzerinnen und Chemnitzer haben vollen Einsatz gezeigt, vorgerichtet, die Zimmer eingerichtet, Spielsachen für unser damaliges Kinderzimmer vorbeigebracht. Im Juni 1990 gab es ein großes Straßenfest zur offiziellen Eröffnung. Heute ist so ein Fest etwas ganz Normales, für uns war das aber alles neu.

Warum war das Interesse am Thema Umwelt gerade in Chemnitz so groß?
In anderen Großstädten war das ähnlich. Chemnitz ist ja nun eine Stadt, die gut überschaubar ist. Die Leute, die aktiv sind, kennen sich untereinander. Und dennoch war  ich überrascht, wie viele Menschen wir erreicht haben. Es hängt vielleicht damit zusammen, dass Chemnitz zu den am meisten verschmutzen Städten gehört hat. Wir hatten eine sehr hohe Luftverschmutzung. Im Chemnitz-Fluss war keinerlei natürliches Leben. Insofern ist es nachvollziehbar, dass vielen Bürgerinnen und Bürgern die Verbesserung der Umwelt am Herzen lag. Es gab hier die kirchlichen Ökogruppen, die sich schon vor der Wiedervereinigung mit ökologischen Fragestellungen  beschäftigten, Vorarbeit geleistet haben und dann offen agieren konnten.

Was bedeutet die Friedliche Revolution und die Wiedervereinigung für die Umweltbewegung damals?
Das, was man schon lange wollte, konnte man jetzt umsetzen. Zur Zeit der Runden Tische kamen wir ja gar nicht hinterher, unsere Forderungen zu artikulieren. Eine Forderung nach der anderen wurde erfüllt. Vieles wurde schlagartig selbstverständlich. Und wirklich: Die Umwelt wurde sichtbar besser. Wir haben wirklich saubere Luft, sauberes Wasser. Es hat sich vieles verbessert. Aber wir haben heute natürlich neue Umweltprobleme, die ganz anders geartet sind. Es sind heute ganz andere Herausforderungen als vor 25 Jahren.  In Zeiten des Klimawandels und der entwicklungspolitischen Brüche fordern uns die vielen verschiedenen Krisenherde weltweit. Es geht eben nicht mehr nur um den Dreck vor der eigenen Haustür, sondern auch um die Probleme, wenn man über den Tellerrand hinweg sieht.

Wie arbeitet das Umweltzentrum heute?
Zum einen haben wir seit 1998 den Bürgerschaftsprozess der  Agenda21  begleitet. Wir haben ganz verschiedene Angebote  für Bürgerinnen und Bürger, die sich zur nachhaltigen Mobilität, zu Ökologie und Naturschutz, zu Energiefragen, Wertewandel und entwicklungspolitischen Themen einbringen wollen. Wir wollen eine nachhaltige Dialogplattform für die Gesellschaft sein. Wir machen aber natürlich auch Informationsangebote. Das beginnt schon bei Kindern in Kindertagesstätten und natürlich auch bei Schulkindern. Wir haben eine gut sortierte Umweltbibliothek mit Zeitschriften und Büchern zu ökologischen Themen. Bemerkenswert ist, dass im Umweltzentrum die kommunalen Mitarbeiter und die Vereine in einem Haus sitzen. Dieses Modell war nach der Wende auch für westliche Städte und das Ausland neu und interessant.

Nach 25 Jahren haben Sie mit der Ausstellung zu den kirchlichen Ökogruppen die eigene Geschichte aufgearbeitet? War das bisher ein unbekanntes Kapitel?
In 25 Jahren kann man viel vergessen. In vielen Städten haben sich die Aktiven hingesetzt und Bücher geschrieben. In Chemnitz ist die Arbeit der kirchlichen Öko-Gruppen ein weißer Fleck gewesen. Wir hatten damals keine Zeit dafür. Ich war Mitglied im ersten Stadtrat nach der Wiedervereinigung und hab das Umweltzentrum mit aufgebaut. Damit ist diese Aufarbeitung verloren gegangen. Wir wollten ja auch nicht in die Geschichtsbücher eingehen, sondern die ökologische Situation verändern. Im Nachhinein ist der Rückblick für uns wichtig, weil er zeigt, was alles möglich ist. Dass man unter schwierigen Bedingungen Ziele erreichen kann und sich gesellschaftliches Engagement lohnt.

Was ist ihre persönliche Sicht auf die Stadt Chemnitz?
Ich wohne jetzt seit 1976 in der Stadt. Mir gefallen natürlich die Dinge, auf die Chemnitz zu recht stolz ist: die Gründerzeithäuser auf dem Kaßberg und dem Sonnenberg, die Kunst mit den Kunstsammlungen Chemnitz und dem Museum Gunzenhauser, die Industriearchitektur. Die Stadt hat einfach viel zu bieten. Auch ökologisch: Wir haben wunderbare Ökosysteme, Schutzgebiete. Das ist vielen vielleicht gar nicht gegenwärtig. Wir haben Orchideenwiesen in der Stadt oder einen wunderbaren Altbuchenbestand im Zeißigwald. Wir haben es nicht weit zur Erzgebirgsnordrandstufe, erreichen in kurzer Zeit ein wunderschönes Umland.

Haben Sie einen Lieblingsplatz?
Das ist für mich der Zeißigwald. Das ist sehr  wertvoller alter Stadtwald. Wir haben einen artenreichen Wald, keinen reinen Nadelforst. Es gibt schöne Wege. Die Teufelbrücken sind für mich schon immer interessant gewesen. Es ist die Region, wo die versteinerten Bäume gefunden wurden. Und nach einem stressigen Arbeitstag tut der Wald und die Natur einfach gut.

Muss man den Chemnitzern Mut machen zu Ihrer eigenen Stadt?
Ich denke, dass die Stadt große Potenziale hat. Man darf nicht vergessen, was die Stadt aushalten musste. Die Wende hat in wirtschaftlicher Hinsicht einen großen Einschnitt bedeutet, inzwischen zeigt die Stadt aber wieder eine positive Entwicklung. Die gigantischen Veränderungen in den vergangenen 25 Jahren sind nicht zu übersehen und sollten jedem Mut machen und es gibt heute viele neue nachhaltige Initiativen von vorwiegend jungen Leuten wie Bürgersolaranlagen, Stadtteilgärten, Reparatur-Cafés Teil-und Tauschprojekte sowie vieles weitere. Für solche Projekte bietet Chemnitz gute Voraussetzungen, da viele Freiräume vorhanden sind.

 

 

 

 

 

 

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