„Chemnitz ist für uns ein gutes Pflaster“

Jürgen Gretzschel

Macher der Woche vom 1. Juli 2015

Megware Computer ist das einzige deutsche Unternehmen, dass es mit drei Hochleistungsrechnern unter die Top 500 der schnellsten Computer der Welt geschafft hat. Wie es sich für die Branche gehört, beginnt die Geschichte des Unternehmens vor 25 Jahren in einer Garage. Heute hat Megware seinen Sitz in einem Gewerbegebiet in Röhrsdorf und liefert seine ultraschnellen Systeme in alle Welt: Hochschulen in Deutschland, Norwegen oder Österreich verlassen sich auf Rechner aus Chemnitz. Und auch am CERN in Genf, wo in einem riesigen Teilchenbeschleuniger der Ursprung des Universums erforscht wird, ist Megware einer der Ausrüster. Für uns ein Grund, mit Jürgen Gretzschel einen der Gründer und heutigen Co-Geschäftsführer des Unternehmens zum Macher-Interview einzuladen. Obwohl er mit dieser Bezeichnung gleich zum Einstieg etwas hadert…  


Jürgen Gretzschel: Bei uns gibt es nicht den Macher. Der Macher sind die Mitarbeiter, die das seit 25 Jahren machen. Und die 45 Mitarbeiter machen´s wirklich. Wir Gründer hatten die Idee vor 25 Jahren, aber davon ist zum Schluss nicht mehr viel übrig, weil sich die Zeit gründlich geändert hat. Denn die IT-Branche wandelt sich Schlag auf Schlag. Wir mussten uns in unserer Firmengeschichte ständig neu erfinden – und haben das mit Erfolg getan.

Umso schöner, wenn Erfolgsgeschichten in einer Garage beginnen, auch wenn sie nicht aus dem Silicon Valley kommen.
(lacht) Letztlich ist entscheidend, was in der Garage passiert, und nicht wo sie steht. Wir waren drei Gründer, und es gibt viele Geschichten, die es lohnt nach den 25 Jahren zu erzählen. So in der Wendezeit, wo jeder so seine Erfahrungen machen musste. Der eine wurde auf dem Gewerbeamt misstrauisch beäugt und gefragt, ob es nicht auch möglich wäre, Strickmaschinen mit Computern zu steuern, da Chemnitz ja eine Strickmaschinen-Hochburg sei. Als ich den Antrag stellte, eine GmbH mit Westbeteiligung zu gründen, musste man das noch beim Rat der Stadt einreichen. Das wurde schließlich genehmigt und als ich die Genehmigung dann abholte, war die junge Mitarbeiterin so gerührt, dass sie mich spontan umarmt hat. Das ist ja nicht unbedingt üblich auf dem Amt, heute schon gar nicht mehr…

Die Gründung des Unternehmens war also in der Vorwende-Zeit?
Das war am 1. Februar 1990, das war mitten in der Wende, nicht davor, nicht danach. Wir haben in der Garage noch mit der DDR-Mark angefangen. Unser dritter Mitgründer war da noch bei der NVA, das waren für ihn natürlich auch ganz besondere Wochen und Monate, als er nochmal als Reservist gezogen wurde. Ob vom Start weg sieben oder neun Mitarbeiter an Bord waren, wissen wir heute selbst nicht mehr so genau. Dem voraus gingen nicht etwa eine Strategie oder ein Businessplan und Marktanalysen, wie das heute üblich ist. Wir haben´s einfach mal gemacht.

Stimmt es, dass Ihr erster Firmenwagen ein Wartburg war?
Stimmt, das war ein Wartburg. Und auch noch ein Trabant. Wir hatten ja nur DDR-Geld, wie sollten wir denn anfangs an andere Fahrzeuge kommen? Also sind wir mit den beiden Ostautos in den Westen gefahren, Computerbauteile eingekauft, in unsere Chemnitzer Garage gebracht, zusammengebaut und letztlich verkauft. So ging das los. (schmunzelt) Unser Geschäft war von Anfang an breit aufgestellt: Zuerst war das Systemhausgeschäft, ziemlich schnell hatten wir dann auch einen Großhandel und recht bald dann auch die Filialen, an die man sich in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Thüringen vielleicht noch erinnert. Um die Jahrtausendwende hatte sich das Computergeschäft aber deutlich gewandelt. Vom Privatkundengeschäft mussten wir uns verabschieden, das hat sich nicht mehr gelohnt.

Da hatten Sie die Idee für die Großrechner?
Auf der Suche nach einem neuen Geschäftsfeld war auch Glück dabei, aber wir haben das probiert. Wir hatten mit der TU Chemnitz das Glück, den ersten Hochleistungsrechner installieren und bauen zu dürfen: das „Clic“ - das Chemnitzer Linux Cluster. Damit starteten wir den Aufbau des neuen Geschäftsfeldes, das wir nun seit 15 Jahren betreiben. Heute kommen 80 Prozent unserer Umsätze aus dem Geschäft mit Großrechnern.

Wo überall findet man Ihre Rechner?
Im CERN in Genf stehen etwa 3.000 Systeme von Megware. Den Auftrag – der größte den wir je hatten – haben wir im Frühjahr realisiert. Seit einigen Wochen ist der Teilchenbeschleuniger dort wieder in Betrieb. Außerdem findet man unsere Rechner in Oslo, in Wien, Mainz, eigentlich in ganz Europa. Man findet unsere Rechner außerdem an einigen Max-Planck-Instituten, Uni-Rechenzentren, im Leibniz-Rechenzentrum in Garching, einem der größten Rechenzentren der Republik. Einige der Großrechner bekommen noch ein besonderes Design verpasst. Manche Kunden legen großen Wert drauf, denn an sich sehen die Rechner ja eigentlich langweilig aus.

Was ist das anspruchsvolle an Hochleistungsrechnern? Was sind die besonderen Ansprüche der Hochschulen?
Kurz gesagt: Es muss immer das modernste sein! Es reicht nicht irgendeine Prozessorgeneration, die es seit zwei Jahren gibt. Es muss eigentlich immer das sein, was es eigentlich noch gar nicht gibt. In den Wochen der Installation vor Ort muss es dann der aktuellste, modernste Prozessor sein. Außerdem ist es ganz besonders wichtig, das die Komponenten - Netzwerk, Prozessoren, Speicher, also alles was zu einem Computersystem gehört – dass das auf die Anwendung, die konkret gerechnet werden, optimiert ist. Es gibt keinen Hochleistungsrechner der Welt, der zwei Mal gleich ist, die sind alle auf den jeweiligen Einsatz angepasst.

Das modernste heißt aber schon das schnellste? Oder ist das nur ein Aspekt?
Es wird zwei Mal im Jahr eine Rangliste der schnellsten Rechner der Welt erstellt. Da wird man naturgemäß schnell durchgereicht. Zurzeit sind wir mit drei Systemen unter den Top 500 vertreten. Unsere beste Platzierung war einmal Platz 36 mit einem Rechner in Heidelberg. In den Top 10 werden unvorstellbare Budgets benötigt, die schnell zweistellige Millionenbeträge ausmachen.

Die Leistungsfähigkeit wird in Flops gemessen. (Flops – „Floating points per Second“. Grob übersetzt ist das die Anzahl an Rechenoperationen, die ein Computer pro Sekunde ausführt. Der erste programmierbare Rechner, der „Zuse Z3“ konnte zwei Flops ausführen, also zwei Additionen pro Sekunde. Der derzeit schnellste Rechner von Megware berechnet 285 Teraflops. Das sind unvorstellbare 285.000 Milliarden Rechenschritte pro Sekunde.)

Die Einheit hat man sich analog der PS im Automobilbau erdacht, um die Rechenleistung vergleichbar zu machen. Deshalb reduziert sich das meist auf die reine Geschwindigkeit. Aber letztlich kommt es auf den Einsatzzweck an, welches Rechentempo benötigt wird. Beim Auto braucht ja auch nicht jeder die 250 PS unter der Haube. Die Musik spielt natürlich in den USA, dort wurden die Rechner auch ursprünglich erfunden. Von den rein deutschen Unternehmen sind wir aber am besten platziert.

Sie produzieren die Rechner hier in Röhrsdorf?
Unsere Systeme entstehen komplett unter einem Dach hier im Haus: Projektentwicklung, Marketing und Vertrieb, die Projektverwaltung, Netzwerktechniker, Service. Wir haben keine Niederlassungen, aber arbeiten selbstverständlich mit Partnern in der ganzen Welt zusammen. Mitarbeiter sind dann regelmäßig in Asien oder den USA vor Ort tätig.

Ist Chemnitz ein gutes Pflaster für ein Unternehmen, das sich mehrfach neu erfinden musste?
Chemnitz ist ein sehr gutes Pflaster für unser Geschäft! Wir finden hier ausgezeichnete Fachkräfte. Das liegt an den Universitäten und Hochschulen in der Region, die sehr gute Absolventen hervorbringen. Vielleicht liegt´s auch etwas am erzgebirgischen Mathematiker Adam Ries. Vielleicht liegt´s in den Genen, dass das Rechnen hierzulande sehr viele Freunde findet. (schmunzelt)
Schwierig ist für uns aber die Zuganbindung. Ohne ICE… In den Anfangsjahren war ich selbst noch viel unterwegs, in manchen Jahren 70.000 Kilometer. Da hätte ich gern die Kilometer mit der Bahn zurückgelegt. Und in unserer Branche wird sehr viel Bahn gefahren, die Kollegen der Wettbewerber haben alle eine Bahncard. Aber davon abgesehen: Die Lage unserer Stadt ist ideal. Ganz gleich wohin, ich fahre höchstens 300, 400 Kilometer. Hamburg, München, Stuttgart - wir liegen recht zentral.

Das heißt ihre Mitarbeiter kommen hauptsächlich aus der Region?
Ja, größtenteils schon, aus Gera, Mittweida, Dresden, aus dem Erzgebirge.

Wie immer unsere Abschlussfrage: Muss man dem Chemnitzer Mut machen?
Ich kenne nun viele Chemnitzer - und finde nicht, dass das so stimmt, dass die so mutlos sind. Das gibt´s glaube ich überall. Etwas Stolz fehlt aber vielleicht. Zwar ist Stolz auch manchmal ein schlechter Begleiter… Aber ein gewisser Grundstolz wäre sicher nicht schlecht. Ansonsten fehlt mir hier nichts: Ich habe Kultur, Theater, Oper und Museen. Und allen, den etwas fehlt, möchte ich einfach nur sagen: Dann mach's doch! Gerade für junge Menschen sehe ich darin die Möglichkeiten. Dresden oder Leipzig - da ist alles da, da sind die Leute vielleicht sogar übersättigt. Aber in Chemnitz kann man noch vieles machen. Wichtig ist, dass die Menschen passen!

 

 

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