Man nimmt die Stadt wieder an

Claudia Großkopp

Macherin der Woche vom 6. Mai 2015

Von außen wirkt das Straßenbahnmuseum nicht wirklich wie ein typisches Museum. Die großen Tore der verschlossenen Hallen versperren den Blick in das detailgetreue Innere. Seit vier Jahren ist Claudia Großkopp Museumsleiterin des Chemnitzer Straßenbahnmuseums, seit zwei Jahren macht sie das hauptberuflich. Eigentlich ist sie eher durch einen Zufall an diese Aufgabe gekommen: - Sie suchte eine neue berufliche Herausforderung, die Straßenbahnfreunde brauchten eine neue Leiterin. So kam eins zum anderen und innerhalb eines halben Jahres war klar, dass hier eine Leidenschaft entstanden ist, die man förmlich spüren kann.


Wann und warum hat sich die Arbeitsgemeinschaft Straßenbahnfreunde e.V. gegründet?
Claudia Großkopp:
Vor knapp 30 Jahren war mit dem Ende der Schmalspur-Straßenbahn für einige Enthusiasten klar, dass hier Geschichte zu verschwinden droht, die es zu erhalten gilt. In kleinen Schritten wurde eine Sammlung aufgebaut. Vor zwei Jahren hatten wir 25-jähriges Jubiläum. Das heißt die Anfänge waren so 1987/88. Ich denke „warum“ ist eine sehr schwierige Frage. Ich glaube schon, dass es ein Anliegen war, die historischen Straßenbahnen zu erhalten.

Wie finanziert sich denn der Verein?
Wir bekommen zum Teil Geld von der Stadt, wie viele Museen hier in Chemnitz auch. Aber eben nur einen Teil. Dieser Teil ist nur für meine Stelle zur Grundfinanzierung vorgesehen. Dann haben wir Unterstützung von der CVAG. Weniger durch finanzielle Mittel, sondern eher durch eine Kooperation. Von dieser Kooperation profitieren beide Seiten, die CVAG und wir auch. Wir finanzieren uns durch einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und durch die Gastronomie, die wir durch die Sonderfahrten anbieten. In diesem Bereich erhalten wir Unterstützung von Braustolz und der Edeka Kaufhalle Görner.

Bekommen Sie Mitgliedsbeiträge von den Mitgliedern?
Natürlich ist die Mitgliedschaft im Verein auch an das Zahlen von jährlichen Mitgliedsbeiträgen gebunden. Diese werden aber zum großen Teil an die Berufsgenossenschaft weitergegeben, um die ganzen Versicherungen abzudecken. Mit den Mitgliedsbeiträgen erzielen wir also keine Gewinne.

Was ist die Besonderheit des Chemnitzer Straßenbahnmuseums? Wie unterscheidet sich das Chemnitzer Straßenbahnmuseum von anderen Straßenbahnmuseen?
Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass wir hier noch in der alten Wagenhalle von 1908 sind. Wir befinden uns also im ältesten Schmalspurbetrieb der Straßenbahn in Chemnitz. Hier hat alles mit der Pferdebahn angefangen. Diese Halle lebt einfach schon durch diese unglaubliche Einzigartigkeit. Viele andere Straßenbahnvereine, die wir kennen, haben einen Neubau, wo das einfach gar nicht so wirkt. Ich finde dieses Ursprüngliche hier, dieses Große macht den Charme des Straßenbahnmuseums aus. Ein weiterer großer Punkt ist, dass wir durch diesen Spurwechsel in Chemnitz unsere Schmalspurwagen wirklich hier drin stehen haben. Die machen keine Fahrten mehr, sondern sind reine Museumsobjekte. 

Inwieweit ist das Straßenbahnmuseum ein lebendiges Museum?
Man kann bei uns in die Wagen reingehen, man kann klingeln, man kann sich hinsetzen, man kann die Dinge ausprobieren. Und da legen wir wirklich Wert drauf. Es ist auf alle Fälle gewollt, dass gerade die Kinder auch Dinge ausprobieren können, weil sie ja auch viel durch Anfassen und Testen lernen. 

Gemeinsam mit der CVAG bieten Sie Stadtrundfahrten und Sonderfahrten mit Ihren Straßenbahnen und Omnibussen an. Wie oft werden diese Fahrten gebucht?
Diese Sonderfahrten werden besser angenommen, als wir es uns eigentlich leisten können. Das Problem ist, dass diese ganzen Fahrten im Ehrenamt vollzogen werden. Das heißt Schaffner und Fahrer machen das fast ausschließlich während ihrer Freizeit. Und ich könnte dreimal so viel fahren, als dass ich es leisten kann.

Also brauchen Sie Leute, die Lust haben mitzumachen?
Ich brauche wirklich Leute, die Lust haben und die stadtgeschichtlich interessiert sind. Das wäre ganz toll. Die Uniform wird gestellt, die Ausbildung wird finanziert. Die Kandidaten müssen eine Tauglichkeitsuntersuchung machen. Das wird alles festgelegt. Also Leute, die ihre stadtgeschichtlichen Interessen gerne weiter geben wollen, sind bei uns herzlich willkommen.

Die Straßenbahnfreunde treffen sich jeden Dienstag und Samstag zum sogenannten Arbeitseinsatz. Was genau wird da gemacht?
Je nach Begabung und Interesse wird hier unterschiedlich gearbeitet. Dienstag geht es nachmittags los, weil viele berufstätig sind. Bei uns ist der Vereinseinsatz immer mit einer Vollverpflegung verbunden. Das ist ja für viele auch nicht ganz unwichtig (lacht). Die einen schrauben und basteln, die anderen kommen hier her, um zu kochen, um die anderen zu versorgen. Wieder andere sitzen am Computer und machen die dort notwendigen Arbeiten. Dabei ist allerdings immer der Grunderhalt des Museumsbetriebes wichtig. Es gibt hier immer etwas sauber zu machen. Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb muss aufrechterhalten werden.

Bauen Sie die historischen Straßenbahnen wieder auf?
Wir bauen historische Straßenbahnen wieder auf. Aber ich gebe ganz ehrlich zu, die Restauration ist ein Bruchteil. Das passiert schon, aber erstmal steht der Erhalt des Fuhrparks, wie zum Beispiel Durchsichten, im Vordergrund. Die Restauration der historischen Bahnen lassen wir von einer Generalfirma machen. Und wir machen dann die kleinen Zuarbeiten, wie Fenster aufarbeiten, oder mal eine Holzarbeit.

Für die jungen Chemnitzerinnen und Chemnitzer gibt es auch eine Jugendgruppe der Straßenbahnfreunde. Wie wird die angenommen? Gibt es viele Anfragen von Jugendlichen?
Das hat massiv nachgelassen. Wir hatten eine Jugendgruppe trifft es eigentlich besser. Das Problem ist, dass die Jugendlichen erst mit 14 zu uns kommen dürfen. Dann sind die zwei Jahre hier, dann hat man sie eigentlich so weit, wo man sagt „Jetzt kannst du was mit denen anfangen“. Und dann gehen sie in die Lehre, oder zum Studium und sind weg. Deshalb sind von unserer Jugendgruppe jetzt nur noch zwei Leute geblieben. Aber als Jugendgruppe würde ich es nicht mehr bezeichnen wollen.

Warum dürfen Jugendliche erst ab 14 Jahren mitmachen?
Erstens aus einem versicherungstechnischen Grund und zweitens muss ich sagen, wenn ich mit Jugendlichen arbeite und ein gewisses Alter unterschreite, muss ich natürlich jemanden da haben, der die Betreuung sicher stellen kann. Und daran scheitert es eigentlich. Das kann von uns aus beruflichen Gründen niemand übernehmen. Und wenn hier wirklich mit Werkzeug gearbeitet wird, und es passiert jemandem was, dann ist das wegen der Versicherung schon schwieriger.

In Ihrer neuen Sonderausstellung, die noch bis zum 15. Juni zu sehen ist, geht es um das Thema „Die Straßenbahn als Kunstobjekt“. Wie genau kann denn eine Straßenbahn ein Kunstobjekt sein?
Also, die kann mit Sicherheit aus vielen Blickwinkeln ein Kunstobjekt sein. Was wir klar machen wollten, ist, dass die Straßenbahn nicht unbedingt besprüht sein muss, um als Kunstobjekt zu gelten. Das wollten wir in den Mittelpunkt stellen. Es wird also keine Graffitis auf irgendwelchen Straßenbahnen geben. Denn davon distanzieren wir uns ganz vehement. Wir haben geguckt, wie Maler, Fotografen und Modellbauer die Straßenbahn als Objekt sehen und darstellen. Das ist für uns ein ganz neuer Schritt. Denn bis jetzt hatten wir unsere Sonderausstellung zu einem ganz spezifischen Straßenbahnthema ausgelegt. Aber die künstlerische Schiene, weil wir eben wirklich ein „Anfassmuseum“ sind, hatten wir so noch nicht. Das ist für uns mit sehr viel Herzschlag verbunden, ob das gut geht und ob wir es wirklich gut umsetzen können. Ich hoffe, dass es dem Museumsbesucher gefallen wird.

Was erwartet die Besucher in der Sonderausstellung?
Gemälde, Fotos, Modelle. Also einfach ganz verschiedene Sichten auf die Straßenbahn. Neues und Altes. Da sind Variobahnen genauso gemalt, wie alte Schmalspurbahnen. Da sind Tatras in verschiedenen Blickwinkeln fotografiert. Wir haben auch etwas ganz Besonderes: Das Schlossbergmuseum hat uns Schützentafeln zur Verfügung gestellt. Da sind wir total glücklich und sehr froh drüber. Und zwar wurde vom Schützenverein ab 1870 jedes Jahr eine Schützentafel gefertigt und der Schützenverein hat darauf geschossen. Und dann haben sie auf ihre Einschusslöscher immer ihre Namen geklebt. Da gibt es sechs Motive, die 1,20m mal 1,20m groß sind, mit Straßenbahnen drauf. Die zeigen wir auch und das ist ein Highlight der Ausstellung.

Das Straßenbahnmuseum öffnet auch zur Chemnitzer Museumsnacht seine Tore. Was genau können die Besucher vor Ort erwarten? Welche Höhepunkte wird es geben?
Zum einen die Sonderausstellung. Dann haben wir wieder die Abschlussklassen des Goethegymnasiums eingeladen. Sie machen chemische und physikalische Experimente. Das hatten wir vor zwei Jahren schon mal und das ist unglaublich gut angekommen. Dann haben wir live Musik, Essen und Trinken. Und wir fahren dreimal mit unserem Oldtimerbus und machen eine nächtliche Stadtführung.  Natürlich fährt auch die alte Schmalspurbahn auf unserem Gelände.

Wann sind Sie das letzte Mal Straßenbahn gefahren?
(überlegt kurz) Gestern!

Als Straßenbahnfan verfolgen Sie sicher mit Freude die städtische Entwicklung. Was ist ihr Bild von Chemnitz?
Ich finde, dass noch zu viele Chemnitzer ihre Stadt schlechter machen, als sie ist. Das finde ich ein bisschen traurig. Denn gerade Museumsbesucher, die von außerhalb kommen, sagen „Oh, das ist aber schön bei euch, das hätte ich gar nicht gedacht“. Ich glaube der Chemnitzer hat mit seiner Stadt so eine Identitätskrise gehabt. Dresden war die historische Stadt, Leipzig war die Messestadt und Chemnitz war immer die Arbeiterstadt oder die dreckige Stadt. Ich finde das ist Chemnitz gar nicht mehr. Was mir sehr gefällt ist, dass sich Chemnitz in den letzten Jahren wandelt. Man merkt, dass so eine Chemnitz-Verliebtheit wieder kommt. Man nimmt die Innenstadt wieder an, man kann an den Wochenenden in die Innenstadt gehen und da ist was los. Das find ich ganz toll! Es war ja mal eine Zeit lang das Gefühl „och nee… was willst du denn hier machen, hier ist ja nichts los.“

Muss man den Chemnitzern Mut machen?
Ja, ich finde Chemnitz hat eine gute Chance.

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