Weniger ist mehr

Dr. Bettina Lühmann & Silke Koppe

Macherinnen der Woche vom 2. März 2016

In einer kleinen silbernen Dose liegt das Geheimnis von Beti Lue. Cremes, wo man weiß, was drin ist, wollten vor reichlich zwölf Jahren Silke Koppe und Dr. Bettina Lühman herstellen. Die Freundinnen kreierten ihre eigene Marke Beti Lue und betreiben mit drei weiteren Frauen ihren Laden in Chemnitz und einen weiteren in Leipzig. Die Frauen wissen genau, was in ihren Produkten, neben Cremes, auch Seifen, Badepralinen und Ölen, steckt, die sie verkaufen. Gleich neben dem kleinen Laden ist die eigene Seifenmanufaktur.


Warum reichte es euch nicht aus, was es in Drogeriemärkten an Cremes zu kaufen gibt? Warum wolltet ihr selbst Seifen herstellen?
Silke Koppe:
Wir möchten, dass die Frau eine Kosmetik hat, bei der sie die Inhaltsstoffe nachvollziehen kann. Wir möchten selbst erklären können, warum und weswegen was drin ist. Dieses Wissen geht uns im dem alltäglichen Konsum abhanden. Wir sind meistens so weit weg vom Herstellungsprozess, dass wir von der Zusammensetzung von Produkten keine Ahnung mehr haben. Bettina konnte klar definieren, dass bestimmte Rohstoffe in Cremes, egal wie teuer die Creme ist, nicht gut sind. Das brachte uns auf die Idee, selbst Cremes herzustellen.

Wie habt ihr das Know-How für die Produktion aufgebaut?
Dr. Bettina Lühmann:
Ich bin Chemikerin und habe hier an der TU Chemnitz studiert. Das Wissen über Kosmetik habe ich mir natürlich extra angeeignet. Aber durch das Studium hatte ich eine sehr gute Vorbildung, um zu verstehen, was bei Kosmetik wichtig ist und welche Rohstoffe wie wirken.

Wie entwickelt ihr eure Produkte?
Silke Koppe: Eigentlich aus Mangel. (lacht) Wir sind fünf Frauen, die ihre eigenen Wünsche hier erfüllen. Und natürlich fragen uns viele Leute direkt. Eine Freundin von uns bekam eine Krebsdiagnose und wir haben angefangen zu recherchieren, was bei einer krankheitsbedingt veränderten Haut als Kosmetika gut ist. Oder als Bettina ihre Tochter bekam, haben wir unsere Goldkindserie entwickelt. Das finde ich so schön – eine Pflegeserie für Kinder, die nur aus drei Produkten besteht. Und das beglückt mich sehr im Zeitalter des Konsums und des Nichts-wert-seins, das wir da sagen können: drei Produkte reichen.
Dr. Bettina Lühmann: Für kleine Kinder braucht man gar nicht dieses ganze Pflegesortiment, das uns der Handel anbietet. Es reichen wirklich wenige Produkte. In dem Jahr, in dem ich zu Hause war, habe ich bestens beurteilen können, was Kinder tatsächlich brauchen.

Wie viele Produkte habt ihr im Sortiment?
Silke Koppe: Wir haben ca. 150 verschiedene Produkte.
Dr. Bettina Lühmann: So eine Produktpalette ist auch etwas Organisches. Da geht etwas weg und es kommt etwas dazu. Wenn sich Kundenanfragen häufen, dann versuchen wir schon, dafür etwas zu entwickeln. Und wenn Produkte gar nicht nachgefragt werden, nehmen wir sie wieder aus dem Sortiment.

Ihr bietet auch Kurse an. Wie funktioniert das?
Dr. Bettina Lühmann: Bei uns kann man selbst Cremes, Seifen und Badepralinen herstellen. Es ist eine Möglichkeit individuelle Cremes zu kreieren. Für uns als Unternehmen ist streng geregelt, was wir machen dürfen und was nicht. Wenn eine Frau zu mir kommt, kann ich nicht in eine Creme noch etwas einfach hinzufügen. Deswegen bieten wir diese Kurse an, wo die Kundinnen dann selbst ihre Cremes zusammenrühren können.
Silke Koppe: Die Kurse sind auch eine wunderschöne Sache für die Gemeinschaft. Freundinnen oder auch ganz Fremde haben miteinander unheimlich viel Spaß.
Dr. Bettina Lühmann: Ja, das ist für uns selbst auch schön zu erleben.
Silke Koppe: Es ist uns einfach wichtig, den Frauen zu zeigen, worauf sie beim Kauf von Kosmetik achten sollen. Mittlerweile haben so viele Allergien oder Unverträglichkeiten. Da ist unser Prinzip: weniger ist mehr. Bei den Kursen können das die Kundinnen bestens nachvollziehen. Es ist eine sorgsame Art der Kundengewinnung. Es ist eine sehr ehrliche Art, Produkte zu verkaufen. Und es ist eine schöne gemeinsame Zeit – für uns alle auch entspannend. 1,5 Stunden Entspannung pur, weil man sich nur aufs Riechen, Anfassen und Schönbefinden konzentriert.

Seit 2004 seid ihr selbstständig – woher habt ihr den Mut genommen, euer eigenes Unternehmen zu gründen?
Silke Koppe: Wir haben echt nicht gewusst, was kommt. (beiden lachen)
Dr. Bettina Lühmann: Ich kam frisch von der Universität und war wirklich blauäugig. Es war keine Schnaps- sondern eine Weinidee. Und wir haben einfach angefangen. Wir hatten den Plan, etwas zu machen, das uns gefällt und den Frauen gefallen könnte.

War der Unternehmernstart sehr holprig?
Dr. Bettina Lühmann: Ja. Aber irgendwie auch spaßig. Irgendwann holt einen die Bürokratie ein und man fragt sich, warum machst du das. Aber eigentlich war es auch immer mit viel Spaß verbunden.
Silke Koppe: Wir sind jeden Tag gerne auf Arbeit gegangen, weil wir genau das machen wollten.

Was waren in den vergangenen zehn Jahren die Höhepunkte?
Silke Koppe: Ganz klar: Das Klinikum hat uns gefragt, ob sie unsere Sanddorn-Produkte testen dürfen. Das war ein Ritterschlag für uns.
Dr. Bettina Lühmann: Die Sanddorn-Reihe entstand ja auf Anregung unserer Freundin, die so schwer krank war. Die Resonanz darauf macht uns heute noch stolz. Ich finde es toll, dass wir nicht nur Kosmetik machen zum Wohlfühlen, sondern etwas für schwierige Haut anbieten. Den Frauen hilft das durch diese schwere Zeit. Das ist für mich beglückend, wenn Frauen und auch Männer uns für unsere Produkte dankbar sind. Wir tun etwas, was man schätzt. Manche schreiben sogar Briefe und danken uns.
Silke Koppe: Da geht es nicht darum, einer reichen Frau eine teure Creme zu verkaufen, sondern wir können hier helfen. Das bedient unser Helfer-Syndrom, was jeder Mensch haben sollte. Wenn wir nicht mehr schauen, wie es dem anderen geht, dann taugen wir nichts als Mensch.

Würdet ihr Frauen Mut machen, sich selbstständig zu machen? Auf was muss man sich einstellen? Was muss man mitbringen?
Dr. Bettina Lühmann: Im Prinzip schon. Man muss aber Durchhaltevermögen haben. Es ist nicht mit einem oder zwei Jahren zu schaffen. Man muss sich immer wieder selbst motivieren. Und braucht auch die Unterstützung vom Umfeld.
Silke Koppe: Ja. Du kannst ja jederzeit wieder aufhören. Na klar, alles ausprobieren. Niemand sagt, dass es funktioniert. Aber ob es funktioniert, kann man ja erst wissen, wenn man es ausprobiert hat.

Warum hat euer Geschäft funktioniert?
Silke Koppe: Wir hatten einfach Glück alle miteinander. (lacht) Es ist wie im Leben. Es geht mal besser und mal schlechter. Aber uns ging es nie wirklich schlecht. Ich bin schon stolz, dass wir eine Marke geschaffen haben, die nagelneu war. Das fand ich damals so spannend, eine eigene Marke zu kreieren. Der Markt ist ja eigentlich schon voll.

Das Geschäft liegt am Fuße des Kaßbergs, an der Limbacher Straße. Mit roten Buchstaben steht Salbenmanufaktur an den großen Fensterscheiben. Da kann man schonmal hindurchschauen, um beim Seifenanmischen zuschauen. Im kleinen Laden nebenan stehen die Produkte liebevoll verpackt, mit Zauberknöpfen oder bunten Schleifen. Ein Gedicht auf der Einkaufstüte gibt es gratis dazu.

Seit wann seid ihr in der Limbacher Straße und was ist der Vorteil des Standortes für euch?
Silke Koppe: Die Innenstadt kam für uns schlichtweg nicht in Frage. Ich will nicht in ein Umfeld, das beherrscht wird von Konzernen. Ich finde es schade, dass es immer weniger private Unternehmer gibt. In den Innenstädten, egal in welcher Stadt, fehlt mir die Individualität. Es dominieren die großen Ketten. Natürlich wollten wir in die Nähe des Kaßbergs, denn hier ist es schön, hier gehören wir hin. Hier sind wir aus dem Bus ausgestiegen und standen direkt vor dem Schaufenster.
Dr. Bettina Lühmann: Wir brauchen ja ein Laboratorium und einen Laden. Da hatten wir Glück, dass nebenan das Geschäft ausgezogen ist. Und unser Vermieter hat uns das Geschäft gleich umgebaut und vieles ermöglicht.

Einen Standort habt ihr auch in Leipzig. Gab es mal Überlegungen, aus Chemnitz wegzugehen?
Dr. Bettina Lühmann: Wir hatten überlegt, wo wir noch einen Standort aufmachen können. In Leipzig ist uns Frau Dr. Fellmer über den Weg gelaufen – oder wir ihr. Sie ist auch promovierte Chemikerin. Und wir waren uns schnell einig, dass wir kein Franchise oder ähnliches machen, sondern sie ihr eigenständiges Beti Lue. Geschäft in Leipzig eröffnet. Und natürlich arbeiten wir sehr eng zusammen. Die Basis ist und bleibt aber in Chemnitz.
Silke Koppe: Hier stimmt alles. Es gibt für mich keinen Grund, hier wegzugehen.
Dr. Bettina Lühmann: Als ich 1991 hierhergekommen bin, musste ich auch erst mit der Stadt warm werden. Das hat schon länger gedauert. Aber heute ist es einfach schön. Chemnitz hat viel Kultur. Hier gibt es alles, was ich brauche. Die Familie ist hier, die Freunde. Die Angestellten kommen von hier. Und wie wäre es denn in einer anderen Stadt? Vielleicht gibt es da noch mehr Kultur, aber das schaffe ich ja zeitlich gar nicht. Und wenn es hier etwas nicht gibt, dann fahre ich halte in eine andere Stadt und mache einen schönen Ausflug. Trotzdem komme ich immer gern wieder zurück.
Silke Koppe: Es gehört sich auch nicht, von der eigenen Stadt so schlecht zu reden. Wenn ich es hier nicht leiden kann, so ist das im Leben, dann muss ich es ändern oder gehen.

Muss man den Chemnitzer Mut machen?
Silke Koppe: Die sind selbst dafür verantwortlich. Den Mut brauche ich überall. Zum Leben gehört Mut.
Dr. Bettina Lühmann: Ja. So sehe ich das auch. Es kommt eben immer darauf an, welche Ansprüche man stellt und was man aus sich selbst und seinem Leben macht. Für uns funktioniert die Vernetzung in Chemnitz zum Beispiel wirklich gut.
Silke Koppe: An Chemnitz gefällt mir, dass es eine Großstadt ist, aber dennoch überschaubar. Ich kenne hier viele. Unser Geschäft haben wir mit Freunden aufgebaut, so etwas verbindet.

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