Fünf Jahre Flowpo - Jeder Laden muss versuchen, authentisch zu werden

Danny Szillat

Macher der Woche vom 30. März 2016

Was viele nicht wussten, Chemnitz hat rund 500 Kneipen zu bieten. Eine der bekanntesten feiert am kommenden Freitag ihren fünfjährigen Geburtstag. Das Flowpo im Terminal 3 genau an der Brückenstraße gegenüber des Karl-Marx-Kopfes. Inhaber Danny Szillat ist Gastronom mit Leidenschaft. Ihm gehört nicht nur das Flowpo, sondern auch die Absinterhia und seit vergangener Woche der Hopfenspeicher. Beide direkt in der Innenstadt - Innere Klosterstraße. Dort treffen wir uns mit dem #MacherderWoche.


Du feierst mit dem Flowpo am 1. April dein Fünfjähriges. Hättest du daran geglaubt, als du den Laden übernommen hast?
Danny Szillat:
(ohne zu überlegen) Ja!

Weil du ein Optimist bist?
Ja. (lacht) Bevor wir nach Chemnitz gekommen sind, haben wir so was wie eine Marktforschung betrieben. Wir haben uns alles angeschaut, welche Clubs sind da, wer geht wohin feiern und welche Möglichkeiten bestehen. Man muss sagen, Chemnitz ist in der Hinsicht etwas unbedarft gewesen. Es gab relativ wenig an Clubs, das hat mich trotz der Stadtgröße etwas überrascht. Für die Zielgruppe, die in ein Flowerpower/FlowPo geht, gab es in dem Sinne nichts mehr. Und wir dachten uns, das funktioniert und machen es. Das war schon mit viel Rechnen und mit viel nach links und rechts schauen verbunden.

Was ist zum Geburtstag geplant?
Unsere ACDC-Coverband Sapid Steel wird spielen. Es gibt noch 100 Liter Freibier und einige andere Specials rund um Spirituosen.

Wird am kompletten Wochenende gefeiert?
Wir werden am Freitag feiern. Der Samstag wird wie gewohnt am 1. Samstag im Monat mit Rockabilly Rumble und diesmal Mr. Ray Allen weiter gehen.

Was ist das Besondere am Flowpo?
Das Besondere am Flowpo sind die tollen Gäste, wir haben hier ein sagenhafte Publikumsmischung aus ziemlich vielen Generationen. Man sagt mir immer gerne, dass der Laden authentisch ist. Das trifft es wohl ganz gut. Es ist eine Disko und eine Kneipe in Einem, dazu noch ohne Eintritt. Wir verkaufen quasi nur Getränke und machen eine Party drumherum.
Durch die Musik, die wir hier spielen, hauptsächlich 60er, 70er, manchmal 80er und 90er hast du halt ein Grundflair drin. Da sind wenig Aggressionen da, hier müssen sich keine Leute profilieren. Dadurch haben wir ein Publikum von 18 bis 65 Jahren drin und alle können miteinander gut umgehen.

Danny Szillat hat das Flowerpower 2011 übernommen, damals noch als Franchise-Nehmer - es gibt sieben Flowerpowers. Nach 4,5 Jahren schloss der Vorgänger im Sommer 2010 in Chemnitz. Über die Gründe kann man nur spekulieren. „Die Probleme des ehemaligen Flowerpowers waren: nicht vorwärts zu denken und das Konzept weiter voran zu treiben. Wir haben am Anfang relativ schnell festgestellt, dass wir mit dem reinen Flowerpower-Konzept nicht klar kommen. Wir hatten den größten Flowerpower-Laden in der Franachisekette, wir sind mitten in Chemnitz, wir mussten uns entfalten“, so Danny Szillat. Gesagt – Getan. Mit Partykonzepten, die um das Flowerpower-Konzept gestrickt wurden, mit Livemusik, Party 70er und 80er und vielen mehr.  „Da war mein Geduldsfaden irgendwann zum Franchise-Geber gerissen. Denn es passierte nichts. Wir haben nur bezahlt und es gab keine Gegenleistung mehr“, begründet der Besitzer des Flowpo die Namensänderung und den neuen Anstrich im Juli 2015. „Im vergangenen Jahr fand nochmal ein kompletter Umbau statt: Mit neuen Möbeln, die Bühne und die DJ-Pults wurden verändert.“

Du wirst in lokalen Medien als Chemnitzer Party-König bezeichnet. Du magst diesen Titel nicht, wie man an deiner Reaktion erkennt?
Das ist auch einfach Quatsch. Wir haben das Flowpo und als kleine Partylocation die Absintheria. Aber dadurch bin ich noch lange kein Party-König. Als solchen würde ich Olaf Walter vom Club FX (Fuchsbau) bezeichnen. Er betreibt seit 35 Jahren Diskothekengeschäft in Chemnitz. Er ist der wahre Partykönig.

Wie siehst du die Partymeile in Chemnitz?
Es fetzt gerade: Ich finde es gut, dass der Brauclub aktuell umbaut und sich auffrischt, um neuen Schwung reinzubringen. Es ist schön das Atomino wieder in der Innenstadt zu haben gleich um die Ecke das Weltecho.  Auch das neue Pentagon3 findet gerade eine Zielgruppe. Es hat sich alles sehr zentralisiert in der Innenstadt. Momentan sind wir ganz gut aufgestellt. Für jeden gibt es was in dieser Stadt nachts zu erleben.

"Absintheria" (seit Dezember 2013), die Musikkneipe „Flowpo“, nun seit dem 21. März der „Hopfenspeicher“. Auf dich wartet ganz schön viel Arbeit. Wo hältst du dich am liebsten auf?
Im Moment in meinem Bierladen. Ich, als Bierfan, finde meinen Bierladen sehr schnieke. Mir macht das im Moment ziemlich viel Spaß, den Leuten das Getränk näher zu bringen.

Wie bist du auf die Idee „Hopfenspeicher“ gekommen?
Das geht zurück auf die ganze Craft Beer Bewegung, die seit ca. fünf Jahren oder so in Deutschland angekommen ist. In meiner Heimatstadt Leipzig oder in einer Stadt wie Dresden gibt es bereits diese Stores. Die laufen auch schon seit Jahren, wo es halt wirklich nur um geile Biere geht. Ich bin früher bis Dresden gefahren, um mir Bier zu kaufen. Da dachte ich mir, ein solcher Store muss doch in Chemnitz auch gehen. Die Eröffnung am 21. März hat uns gezeigt, dass es geht. Es war sensationell.

Mit dem Stairways (eine ehemalige Diskothek im Terminal 3), das am 2. März 2012 eröffnete und knapp sechs Wochen später wieder geschlossen wurde, bist du auf gut Deutsch „auf die Nase gefallen“. Muss das einmal durch gemacht werden um erfolgreich zu sein?
Nein. Ich wünsche so etwas niemandem. Man braucht es eigentlich nicht. Das Hauptproblem war meine eigene Schuld. Ich war naiv, hatte gerade ein dreiviertel Jahr das Flowerpower eröffnet und schwebte auf einer Wolke, die uns Erfolg beschert hat. Auf dieser Wolke habe ich das Angebot des Vermieters, das größte und tollste Objekt der ganzen Stadt zu pachten, angenommen. Eine Milchmädchenrechnung aufgestellt, gesagt, getan – machen wir. Mir fehlte einfach die Erfahrung. Das ging natürlich dermaßen in die Hose und somit habe ich mich finanziell mehr als übernommen. Das hat eine ganze Stange Geld gekostet aber der Weg über eine Insolvenz wollte ich mir und damit auch dem Flowerpower nicht antun. Also fein nach und nach die Zeche bezahlt und jetzt haben wir das Fiasko hinter uns.

Warum ist es so schwer, in Chemnitz einen Club zu betreiben?
In den vergangenen zwanzig Jahren hat sich das Clubgeschehen im Allgemeinen logischerweise geändert. Leute in irgendwelche Hallen stellen, dort Musik machen, eine Bar mit Flaschenbieren hinstellen – dieses Phänomen ist vorbei. Jeder Laden, jeder Club muss versuchen, authentisch zu werden. Wie der Brauclub es gerade macht. Die erfinden sich wieder neu. Es läuft auch nicht mehr nur das normale, einfache Clubgeschäft, sondern man baut das mit besonderen Veranstaltungen und mit Livegeschichten aus. Jeder Laden bekommt so seinen ganz eigenen Stempel.
Man muss erreichen, dass die Leute wegen deines Ladens von überall her zu dir kommen. Oder wie mein Gerd Sommer (Künstler aus Dresden, verantwortlich für die Gestaltung aller Flowerpowers) einmal sagte: „Die Leute müssen sich in deinem Laden wohler fühlen als zu Hause auf dem Sofa!“

2011 wegen des Ladens, wie Danny Szillat sein Flowpo nennt, zog der heute 35-Jährige nach Chemnitz. „Ich hatte mich in Leipzig in das Konzept des Flowerpowers verliebt.“ Nach zehn Jahren Marketingerfahrung in einem Privatschulunternehmen kam mit 30 die erste „Midlifecrisis“ und dadurch der Wunsch, sich beruflich zu verändern. Schon immer fixiert auf Gastronomie, hat er begonnen, mehrere Konzepte in Leipzig zu planen und auszuarbeiten. „Gerade in der Leipziger Innenstadt muss man wahrscheinlich einen Koffer voller Geld hinstellen, will man erst einmal ein Objekt besichtigen“, so Danny Szillat. „Da ist zwar noch viel möglich, aber wenn man gerade in die Innenstadt oder Richtung Connewitz möchte, ist der Markt satt. Als Quereinsteiger war mir das Risiko zu hoch .“ Der Markt in Chemnitz sah anders aus. „Da kamen die ersten Verhandlungen, Objektbesichtigung, viel Enthusiasmus und mit etwas Hilfe von Brauereien und Gastronomieexperten haben wir uns dafür entschieden.“ Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Bereits am Eröffnungswochenende kamen über 5.000 Menschen in das neue Flowerpower. Damit hätte der Inhaber nicht gerechnet.

Fühlst du dich nach fünf Jahren in Chemnitz zuhause?
(Überlegt) Mittlerweile haben wir nach mehreren Umzügen am Stadtpark ein schönes Zuhause gefunden. Wir haben hier einen sehr coolen Freundeskreis aufbauen können, so dass man sagen kann: Wir fühlen uns zu Hause.

Wenn du Besuch von außerhalb hast, was zeigst du denen in Chemnitz?
Ich habe letztens mit einer DJane aus Berlin eine kleine Innenstadttour gemacht. Mit  ihr bin ich vom Flowpo in die Absintheria durch die Innenstadt gelaufen. Das Wichtigste natürlich das Karl-Marx-Monument bei dem man generell das „Ich war hier“-Foto macht. Ansonsten finden viele meiner Besucher das Staatliche Museum für Archäologie Chemnitz sehr interessant. Sie sind immer sehr fasziniert von diesem Wahnsinns-Museum.
Was ich persönlich störend an unserer Innenstadt finde, dass sie teilweise so wahnsinnig modern gebaut ist. Die neuen Gebäude machen eine Altstadt kaputt. Chemnitz hatte jetzt das Pech, dass von der Altstadt nach dem  zweiten Weltkrieg nicht mehr viel übrig war. Aber wenn mich Leute besuchen, die finden den Mix aus Alt und Neu ziemlich abgefahren. Ich sehe das nicht mehr. Aber vielleicht ist meine Wahrnehmung auch getrübt. Ich stehe nicht mehr außerhalb, sondern bin mitten im Geschehen dieser Stadt angekommen.

Muss man den Chemnitzern Mut machen?
Ich finde, um in dem Zusammenhang mal auf das Thema Kraftklub zu kommen, die haben Chemnitz über die Grenzen hinaus positiv bekannt gemacht. Die Band hat der Stadt einen richtig positiven Hype verschafft. Und so habe ich den Eindruck, dass auch die Chemnitzer anfangen drüber nachzudenken, dass die Stadt doch gar nicht so schlecht ist. Wenn ich von meinen Gästen im Flowpo ausgehe: da redet kaum einer schlecht über seine Stadt. Die finden Chemnitz geil so wie es ist. Ich habe auch Bekannte, die von Leipzig oder München nach Chemnitz gezogen sind und die finden die Stadt als Lebensmittelpunkt super.
Ich glaube nicht, dass der Chemnitzer noch überzeugt werden muss, dass seine Stadt toll ist.

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