Aus gutem Holz geschnitzt

Mario Haustein & Philipp Salzmesser

Macher der Woche vom 22. Juni 2016

Ein stupsnasiger Igel mit Apfel auf dem Kopf war früher ein einfaches Stück Holz, bevor der lustige Gesell herausgeschnitzt wurde. Er begrüßt jetzt freundlich die Besucher des Holzkombinats in der Zöllnerstraße. Dahinter stecken Mario Haustein und Philipp Salzmesser. Beide sind begeistert von diesem Rohstoff, der so flexibel, nachwachsend und wiederverwendbar ist. Sie feierten vor wenigen Tagen ein Jahr Holzkombinat.


Was bietet ihr mit dem Holzkombinat an?
Mario Haustein:
Wir bieten in erster Linie den Menschen Raum und Werkzeuge, um sich in ihrer Freizeit handwerklich zu beschäftigen. Manche bauen sich hier einen Tisch, der bestimmte Maße haben soll oder arbeiten alte Möbel auf. Aber auch den Bereich Kunst bieten wir, vor allem mit Workshops unseres Holzbildhauers Vladimir Smyschlajew. Und intensiv beschäftigen wir uns auch mit der Oberflächenbehandlung. Weg von Chemiefarben hin zu ganz natürlichen Stoffen. Auch hier haben wir unsere Expertin Caro im Team, die genau weiß, welche Holzart wie behandelt werden kann.
Philipp Salzmesser: Das Ziel ist es, etwas selbst herzustellen. Deswegen bieten wir auch Möglichkeiten, etwas zu lernen und geben, wo es gewünscht ist, auch Anleitung.

Viele schauen neugierig bei euch rein, können sich das nicht so richtig vorstellen, was ihr macht und was man hier machen kann.
Mario Haustein: Das stimmt. Jeder dritte muss erst einmal schauen, was es wirklich ist oder denkt, das sei eine Holzwerkstatt, wo wir Möbel aufarbeiten oder etwas für die anderen herstellen. Aber das wollen wir gar nicht.

Nach einem Jahr Holzkombinat: Was ist eure Bilanz?
Mario Haustein: Uns besuchen zwei bis acht Leute pro Woche. Das ist für den Anfang ok. Zwei bis acht Leute pro Tag wären natürlich ein Ziel.

Fünf Euro kostet die Stunde für denjenigen, der im Holzkombinat bauen will. Tischsäge, Bohrer und alle stromlosen Werkzeuge sind dabei inklusive. Alle weiteren Gerätschaften kosten einen kleinen Aufpreis. Geöffnet ist Dienstag und Donnerstag 10 bis 18 Uhr, Mittwoch und Freitag 14 bis 22 Uhr sowie Samstag 10 bis 22 Uhr. Das Baumaterial bringt jeder selbst mit oder wird nach Absprache vom Holzkombinat beschafft. „Wir haben auch einen Transporter, wenn mal was zu transportieren ist“, verrät Mario. Und wer sich in den Finger sägt, ist bei ihm auch richtig. Mario ist gelernter Rettungsassistent, arbeitet nun aber selbstständig im Bereich Außenwerbung. Philipp hat an der TU Chemnitz Betriebswirtschaft studiert und ist jetzt als Dozent und Berater in der Automobilindustrie tätig. Beide verbindet der Wunsch, nach dem Feierabend etwas selbst herzustellen.

Mario Haustein: Ich hab schon immer gern mit Holz gearbeitet. Da die Außenwerbung bei mir Saisongeschäft ist, habe ich mir etwas für die Wintermonate gesucht. Zum Beispiel habe ich auf Baustellen ausgeholfen, alte Fenster und Türen wieder aufgearbeitet. Das habe ich circa zwei Jahre lang gemacht. Und als die Arbeiten fertig waren, wollte ich unbedingt weitermachen. Zusammen mit einem damaligen Kollegen und Freund habe ich diese Hobbywerkstatt gegründet.  Und wir haben viele Leute getroffen, die ebenfalls Lust haben, in ihrer Freizeit mit Holz zu arbeiten.
Philipp Salzmesser: Mein Vater ist durch und durch Handwerker. Ich selbst habe ihm gern bei seinen Projekten und Reparaturen zugeschaut und mitgeholfen. Allerdings hab ich mich dann doch für ein Studium entschieden, das viel mit Schreibtischarbeit zu tun hat. Mich hat die Idee aber immer begeistert, Dinge selbst herstellen, reparieren und Lebensdauer erhalten zu können. Als Mario die Werkstatt gegründet hat, war ich gleich einer der ersten Kunden. Es ist doch toll, was man mit Holz alles machen kann.

Und warum der Name Holzkombinat?
Mario Haustein: Es war ein Vorschlag einer Freundin. Damals hatten wir auch gar nicht gewusst, dass es das Musikkombinat um die Ecke gibt. Im Nachhinein haben wir aber gesagt, dass der Name schon gut passt. Zu DDR-Zeiten waren die Kombinate sehr gut vernetzt und so soll es bei uns im Kleinen sein. Wir wünschen uns, dass die Leute, die hierher kommen, sich auch austauschen, gegenseitig beraten oder auch gemeinsame Projekte realisieren.

Was sind Projekte, die hier im vergangenen Jahr entstanden sind und euch beeindrucken?
Mario Haustein: Zum Beispiel hat ein Vater hier für seinen Sohn einen Holzlaster gebaut. Mit einer Hingabe. Er war wirklich viel und lange hier. Er suchte die Perfektion. Es sollte alles beweglich sein, die Räder mit Gummibereifung. Das war ein tolles Projekt. Oder eine ältere Dame, die wollte einen Katzenbaum bauen, musste es allerdings zweimal tun.  Als sie nach zwei, drei Stunden Arbeit nach Hause ging und ihre Katze den Baum bestieg, wackelte der zu sehr, so dass die Katze nichts mehr davon wissen wollte. Da kam die Dame wieder und der zweite Versuch hat die Katze dann zufrieden gestellt.
Philipp Salzmesser: Ich bin hier ja selbst als Kunde oft gewesen. Zum Beispiel gab es einen Holzschmuck-Workshop. Da war es schon toll, was für Ideen entstanden sind. Der Austausch hat einen inspiriert.

Am 11. Juni feierte das Holzkombinat nun seinen ersten Geburtstag. Und nach einem Jahr gibt es eine große Veränderung, einen Gesellschafterwechsel. Philipp tritt in die GbR ein und ersetzt den bisherigen Mitstreiter.

Was war der ausschlaggebende Punkt für deine Beteiligung?
Philipp Salzmesser: Ich fand von Anfang an das Konzept sehr gut. Da ich das Holzkombinat gut kenne und Mario erzählte, er sucht jemanden, musste ich nicht lange überlegen. Durch mein Betriebswirtschaftsstudium hab ich natürlich großes Interesse, unternehmerisch tätig zu sein. Es musste aber mit meiner Erwerbstätigkeit vereinbar sein, damit das  Risiko überschaubar bleibt.
Mario Haustein: Es ist schon anstrengend, Beruf und dieses Projekt unter einen Hut zu kriegen. Perspektivisch wäre es schon ein Traum, dass wir davon leben können. Wir wollen nicht die Hinterhofwerkstatt sein, wo die Leute mal vorbeikommen und was machen. Wir beide haben Interesse an der Selbstständigkeit und wollen das kontinuierlich ausbauen. Vielleicht je nach Bedarf eröffnen wir auch noch ein weiteres Holzkombinat in einer anderen Stadt oder in einem anderen Stadtteil. Erst einmal liegen natürlich alle Bemühungen auf diesem Standort, so dass er sich selbst trägt.

Wie kam es denn dazu, dass Ihr genau an diesem Standort gelandet seid?
Mario Haustein: Dieses Gebäude, früher eine kleine Fabrik, war typisch für die Aufteilung Anfang des 20. Jahrhunderts. Im Vorderhaus haben diejenigen gewohnt, die hier hinten gearbeitet haben. Nach der Wiedervereinigung ist eine Malerfirma eingezogen.

Nach deren Auszug habe ich das Haus als Lager entdeckt. Da standen natürlich noch literweise Farbtöpfe herum. Alles war sehr dreckig und runtergekommen. Und als wir die Idee mit der Holzwerkstatt hatten, kam der Gedanke, diese Fabrikhalle wieder zu nutzen. Denn wir haben schnell den Flair gespürt: Die alten, großen Fenster, die Holzbalken, die unebenen Wände, das macht es urig. Es hat einfach super gepasst.

Hat der Standort in der Nähe des Brühls Vorteile für euch?
Philipp Salzmesser: Definitiv. Die Leute, die hier zentrumsnah wohnen, haben ja meistens nicht den Platz, um handwerklich tätig zu sein. Und in den Räumlichkeiten und dem Umfeld fühlen wir uns sehr wohl.

Wohnt ihr auch hier?
Philipp Salzmesser: Ich wohne auf dem Sonnenberg. Da haben wir auch schon gute Netzwerke aufgebaut. Beispielsweise engagiere ich mit in dem Nachbarschaftsgarten Zietenaugust. Dort werden wir demnächst Gartenmöbel und eine Komposttoilette aufbauen.
Mario Haustein: Ich wohne auch noch auf dem Sonnenberg, ziehe aber demnächst hier um die Ecke.

Was gefällt Euch an Chemnitz?
Mario Haustein: Ich finde, es ist eine schöne Stadt. Sie ist nicht zu groß und nicht zu klein.  Das sage ich eben als Chemnitzer, der hier schon ewig wohnt. Berlin ist mir zu groß. Klar ist dort jede Menge los und ich kann in viele verschiedene Kneipen gehen, aber ich verliere auch den Überblick und es ist mir zu voll. Und das Gegenteil, so kleine Dörfer und Städtchen – na, die sind zu klein.
Philipp Salzmesser: Ich bin zum Studieren nach Chemnitz gekommen und fand die Größe auch gleich optimal. Und wenn ich zurück schaue, was in den vergangen zehn Jahren aus der Stadt geworden ist, das find ich erstaunlich. Die Innenstadt zeigt sich doch jetzt wesentlich attraktiver. Und auch manche Dinge, die gescheitert sind, haben positive Impulse hinterlassen.

Muss man den Chemnitzern Mut machen?
Mario Haustein: Mut machen müsste man den Chemnitzern wirklich. Ich denke, wir haben Glück in Chemnitz. Dresden und Leipzig sind gefühlt schon über den Zenit, schon so übersättigt. Jetzt ist genau die richtige Zeit für Chemnitz. Mit unserem Holzkombinat sind wir hier genau richtig. So viele Leute wollen selbst etwas machen, aber haben keine Lust im kalten Keller zu stehen. Sie müssen sich nur aufrappeln und zu uns kommen.
Philipp Salzmesser: Ich kenne viele mutige Leute. Gerade auf dem Sonnenberg gibt es viele, die etwas gründen und sagen: ich möchte hier bleiben, ich fühle mich hier wohl. Und wir sagen das auch!

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