Beweg Dich!
Lin Baker
Macherin der Woche vom 20. Januar 2016
„Ich beweg dich, du bewegst mich“, singt Lin Baker aus ganzem Herzen in die Wohnzimmeratmosphäre des Atominos. Lieder voller Liebe, Hoffnung und Sehnsucht erfüllen den gemütlicher Club, der gern große Entdeckungen auf die Bühne holt und in dem sich Lin Baker, mit bürgerlichen Namen Linda Backhaus, äußerst wohlfühlt. Mit ihren drei Bandmitgliedern startet sie stimmgewaltig in den Freitagabend. Auf der Bühne haben Chemnitzerinnen aus dem Netzwerk Dieda, zu dem auch Lin Baker gehört, das Sagen. Wir sprachen mit Ihr über Ihre Musik, Frauenfreundschaften und unsere Stadt.
In das neue Jahr startet Ihr auch mit einer neuen EP. Wie lang habt Ihr an diesem Projekt gearbeitet?
Lin Baker: Es ist die erste EP von Lin Baker and The! Uns gibt es seit 2013. Seit einem Jahr haben wir an der TP gearbeitet. Eine EP zu recorden, war der nächste logische Schritt, nachdem wir viel zusammen gejamed und Songs geschrieben haben.
Was kann man von der EP „Cigarettes & Whisky“ erwarten?
Die EP umfasst einen kleinen Ausschnitt von Songs, die seit der Gründung der Band entstanden sind. Und wenn jemand eine Schublade für die Musikrichtung braucht, dann bieten wir Akustik-Soul. Die EP kann man jetzt auf unseren Konzerten, in der Haamit, bei Emmas Onkel oder direkt über unsere Facebook-Seite erwerben.
Habt ihr die Songs alle selbst geschrieben?
Ja klar! Ich schreibe die Texte, sowohl in Englisch als auch in Deutsch und kreiere die Melodien. Unser Gitarrist liefert die musikalischen Grundflächen und Harmonien. Drums und Bass ergeben sich draus. Am Anfang habe ich nur auf Englisch geschrieben, aber es hat sich immer mehr zu deutschen Texten hin entwickelt.
War es schon immer ein Traum von dir, Musik zu machen?
Ich habe halt einfach zeitig festgestellt, dass ich diese Stimme habe. Von Whitney Houston war ich damals begeistert und ihre Art zu singen hat auch mich beeinflusst. Ich war natürlich auf der Suche – mit dem Gefühl, ich will aus meiner Stimme etwas machen. Mit Rap habe ich begonnen und es hat unter dem Format Flowmaniacs viel Spaß gemacht. Später wuchs mein Interesse für den gesanglichen Bereich, so dass ich mich folglich zu 100% meiner Gesangsstimme hingab. Mit meiner jetzigen Band habe ich noch hierfür die instrumentale Unterstützung gefunden.
Bei Lin Baker an The! steht Linda als Frontfrau natürlich im Rampenlicht. Dass sie dahin gehört, merkte sie schon zeitig. Vor zehn Jahren gründete sie das Bandprojekt „Juicy Chunks“. Erste CD-Aufnahmen und eigene Partyreihen folgten. Seit 2009 ist die gebürtige Karl-Marx-Städterin solo unterwegs und in verschiedene Projekte integriert. Sie arbeitet hauptberuflich als Betreuerin für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge - alles andere als ein ruhiger Job. Aber auch darum macht sie keine große Sache. Wichtig ist ihr, dass sie das, was sie macht, gern macht. Mit der Band Lin Baker an The! hat sie Freunde um sich versammelt. Ihre selbstgeschriebenen Texte vertont Richard Ungethüm, Gitarrist der Band. Bassist Robert Peter Meyer und Schlagzeuger Adrian Wehner machen das Quartett dann komplett.
Wie viel von Deinem Gesang ist Kopf- wie viel Bauchsache?
Vieles habe ich mir autodidaktisch beigebracht, also meinem Gefühl vertraut. Gerade beim Gesang ist mir der Ausdruck von Emotionen wichtiger als ausgefeilte Technik. Ich habe auch zwei Mal Gesangsunterricht genommen, jeweils über ein Jahr, um mir Basics anzueignen. Als die gesanglichen Grundsteine gelegt waren, habe ich den Gesangsunterricht beendet, um den Gesang vor allem dem Bauchgefühl zu überlassen und nicht nur dem Kopf.
Du bist Mitglied im Netzwerk Dieda. Am Freitag hattet Ihr ein großes gemeinsames Konzert im Atomino. Wie bist Du zu dem Netzwerk hinzugestoßen?
Christin Busch und Lisa Haupt hatten die Idee, ein gemeinsames Netzwerk aufzubauen und es war eigentlich gar keine Frage, dass ich da auch dabei bin. Für mich als Künstlerin ist es beruhigend zu wissen, dass Menschen, in dem Fall echte Freundinnen, im Hintergrund arbeiten, denen man vertrauen kann und die professionell den Rahmen organisieren. Da kann ich als Freigeist ganz anders an der Musik arbeiten.
Neun Frauen aus Chemnitz haben sich unter Dieda zusammengetan. Sie singen, legen auf, fotografieren, betreiben ein Tatoostudio oder organisieren Theaterprojekte. Christin Busch, die als DJ Cath Boo an den Turntables steht, ist eng mit Linda befreundet und hält die Fäden zusammen: „Ich ärgere mich immer, wenn Frauen sich kleiner machen als sie sind. So schön Bescheidenheit auch ist, wir wollen mit Dieda starke Frauen in Chemnitz unterstützen. Vermarktung ist unheimlich wichtig, wenn man sich nicht unter Wert verkaufen will. Unser Wissen wollen wir gern auch teilen und andere Frauen und Freundinnen auf ihrem Weg begleiten.“
Wo spürst Du den Nutzen eines solchen Netzwerkes?
Ganz aktuell: Bei der EP hat Christin das Cover gestaltet. Gedruckt wurde es in der Haamit Papiterie auf dem Kaßberg. Da kann man vieles vor Ort gemeinsam auf die Beine stellen.
Inwieweit beeinflusst Dich die Stadt beim Musikmachen?
Es ist einfach mein Lebensmittelpunkt. Natürlich hätte ich auch nach Berlin gehen können. Aber warum? Es gibt hier kurze Wege, es ist sehr familiär. Hier verbinden mich enge und lange Freundschaften. Und hier sind die Menschen, mit denen ich eine Band gründen konnte.
Was gefällt Dir an der Stadt?
Für mich passt es hier. Mich kennen viele von der Bar. Ich habe schon in einigen Clubs gearbeitet. Ich freue mich einfach, wenn ich bekannte Gesichter an der Bar wiedersehe. Hier läuft man immer wieder jemanden über den Weg, den man kennt. Das wäre in einer größeren Stadt in diesem Ausmaß wahrscheinlich nicht so möglich. Wenn ich mal ganz für mich sein möchte, mache ich gern mal einen Abstecher nach Leipzig, Hamburg oder Berlin, um einfach mal den Kopf frei zu bekommen.
Was sind gute Orte für Konzerte?
Die üblichen: Atomino, Weltecho, Sanistelle, aaltra, Lokomov. Wir fahren aber auch gern in andere Städte für ein Konzert. Und im Sommer mit Vorliebe auf diverse Festivals.
Hast Du einen Lieblingsplatz?
Was ich sehr schätze, nicht zuletzt durch meinen Hund, ist, dass man sehr schnell vom Städtischen ins Ländliche kommt. Ich wohne auf dem Brühl und fahre gern den Chemnitztalradweg an der Chemnitz entlang bis ich quasi nur noch Wiesen und Grün sehe. Und es gibt noch viele schöne andere Ort: der Opernplatz ist ein imposantes Stück Chemnitz. Oder wenn wieder Sommer ist: Küchwaldwiese und Schloßteichinsel.
Muss man den Chemnitzern Mut machen?
Ich habe das Gefühl, dass es sich schon gebessert hat. Ich hatte selbst mal eine Phase, wo ich hier gezweifelt habe. Es liegt aber am Ende nur an einem selbst. Wenn man nicht vorankommt, muss man sich selbst verändern. Die Gründe, hier wegzugehen, sind sehr individuell. Wenn es um die eigene Zukunft geht, ob jetzt für einen Studienplatz oder einen Arbeitsplatz, dann muss man sehen, wo man etwas findet, das passt. An sich ist Chemnitz eine tolle Stadt und für mich gibt es derzeit keinen Grund, hier wegzuziehen.
Die Chemnitzerinnen und Chemnitzer sollten einfach die Stadt nicht schlechtreden. Damit ärgert man ja nur die, die hier etwas auf die Beine stellen. Die Kritik ist oft so unkonstruktiv. Wenn dich etwas stört, fang an dich zu bewegen und eine positive Veränderung für dich und deine Umwelt herbeizuführen. Denn, was soll sich bewegen, wenn du dich nicht bewegst?!