Zehn Jahre Fanartikel aus Chemnitz

Tino Kunstmann

Macher der Woche vom 8. Juni 2016

Mit Liedern wie „Wenn Zonies Reisen“, „Beats & Raps“ oder „Helden weinen nicht“ rappte Tino Kunstmann, besser bekannt als der zweite Part des HipHop-Duos Tefla & Jaleel, vor 30.000 Leuten beim splash! Festival am Stausee Rabenstein. Er trug dazu bei, dass man von der Stadt Chemnitz Anfang der 2000er Jahre als deutsche HipHop-Hauptstadt sprach. Mittlerweile ist das splash! nach Ferropolis gezogen. Aber Tino Kunstmann bewegt sich auch nach 20 Jahren immer noch im Geschäft mit den kreativen Reimen und den einprägsamen Beats. Inzwischen nicht mehr als Künstler, sondern als Geschäftsmann. Er gründete 2006 den Merchandise-Komplettanbieter Merchstore. Sprich: Er beschäftigt sich mit Fanartikeln von Künstlern für deren Fans, auch im HipHop. Er hat zwar die Bühne mit dem Schreibtisch getauscht, doch den Blick auf die Bedürfnisse der Jugend nie verloren. In dieser Woche feiert der Gründer und Geschäftsführer sein zehnjähriges Firmenjubiläum und kann auf eine erfolgreiche Zeit zurückblicken.


Hättest du 2006 bei der Gründung daran geglaubt, dass du einmal Zehnjähriges mit deiner Firma feierst?
Tino Kunstmann:
Soweit habe ich damals nicht gedacht. Es war nicht darauf auslegt, eine super Geschäftsidee zu entwerfen, die in zehn Jahren so und so viel Umsatz macht. Ich, als Musiker damals, musste mich um das Merchandise von Tefla & Jaleel kümmern und dachte, das muss dir jemand abnehmen. Dann habe ich den Phlatline-Shop übernommen und die Idee, sich damit beruflich selbstständig zu machen, ist dann peu à peu gewachsen. Aber auch schon vor 2006.

Beschreibe kurz, was du machst.
Die Idee ist eine Art Fullservice für Merchandising von der Erstellung, Beschaffung zum kompletten Vertrieb. Egal, ob online oder offline. Am konkreten Beispiel: Ein Künstler kommt zu uns, sagt, dass er ein neues Album hat und dafür Merchandise-Artikel benötigt. Wir setzen uns dann hin und entwickeln Konzepte. Welche Zielgruppe will der Künstler bedienen oder welche Produkte braucht er. Die meisten denken, Merchandise ist ein schwarzes T-Shirt mit einem Logo drauf. Es gibt aber auch Künstler, bei denen T-Shirts nicht funktionieren würden, weil die Zielgruppe sie nicht trägt. Aber dafür kaufen sie Programmhefte oder Fotobücher. Das ist sehr unterschiedlich.

Das hört sich alles sehr analytisch an.
Das ist der Schlüssel, um erfolgreich zu sein. Nicht eine Verkaufsfläche, wie einen Onlineshop, zu bieten, sondern zu wissen, welche Produkte zu welchem Künstler passen.

Man muss sich schon in die Zielgruppe hineindenken. Was und wo kauft sie, was kostet das.
Wir kreieren nicht nur individuelle Produkte sondern teilweise auch Marken. Beispielsweise VIOVIO, die Marke des Künstlers Cro, oder Corbo, von RAF Camora. Gemeinsam mit dem Künstler entwickeln wir von der Markenidentität bis zum Verkauf in den Läden ein komplettes Konzept. Das unterscheidet uns von der Konkurrenz.

Der Merchstore ist unter anderem Partner von Künstlern wie Marteria, Die Fantastischen Vier, Beginner, aber auch Internetstars, die vorrangig bei jungen Menschen bekannt sind: Julien Bam, Mrs. Bella oder Ape Crime gehören zu dem Kundenstamm, zunehmend auch Entertainment Firmen wie Mediakraft und TubeOne. Vor knapp vier Wochen war er Partner des Red Nose Day bei ProSieben. Auch Abstecher ins Sportbusiness sind dabei – Partner von Schwatzgelb, einem Fanmagazin von Borussia Dortmund. „Die sind auf uns zugekommen. Normalerweise würde ich das nicht machen. Aber unser Senior-Brand-Manager ist BVB-Fan. Daher ist eine gute Ebene der Kommunikation und des Gedankenaustauschs vorhanden“, sagt Tino Kunstmann lachend. Aber das Kerngeschäft sei Urban Entertainment und daran versuche man sich zu halten. „Davon verstehen wir was. Wir sind keine Schlagerexperten. Da würden wir keinen geilen Job machen. Und Metal sind wir auch nicht. Das machen andere schon sehr gut. Aber da kommen wir nicht her und das ist auch okay.“

Hat dir dein Erfolg im HipHop dabei geholfen? Stichwort Authentizität.
Ich habe das am Anfang eigentlich niemanden erzählt, dass ich hinter dem Merchstore stecke. Im HipHop gönnt der eine dem anderen nichts. Aber die Erfahrungen aus dem Musikbusiness haben mir natürlich sehr geholfen. Ich habe den Merchstore aus dem Blickwinkel des Künstlers aufgebaut und nicht aus dem eines Geschäftsmannes. Was ich vielleicht manchmal mehr machen müsste. (lacht) Aber das macht den Unterschied zu allen anderen, die Merchandising machen, Dinge aus Leidenschaft tun - das war der Antrieb.

Wie bekommt man die Bedürfnisse der Fans mit? Gibt es da Umfragen?
Wir haben einen guten Art-Direktor. Er ist im Modebereich megafit. Man muss sich aktiv mit der Fanszene und mit Mode beschäftigen. Und es sind ja nicht alle im Team so alt wie ich. (lacht)

Der 40-Jährige ist waschechter Chemnitzer bzw. Karl-Marx-Städter. Auch als Rapper oder jetzt als Geschäftsmann hat ihn zum Beispiel das Flair der deutschen Hauptstadt Berlin nie gereizt. „Wir haben in Berlin vor kurzem einen Mitarbeiter gesucht. Obwohl es so viele Menschen dort gibt, war es verdammt schwer, einen zu finden. Da ist viel Blabla und eine sehr sprunghafte Gesellschaft. Die Start-Up-Kultur ist dort so groß, dass sich die Menschen nicht festlegen wollen. Das hast du hier in Chemnitz nicht. Was Vergleichbares zu uns, gibt es in Chemnitz nicht. Mir fällt zumindest keiner ein. Und ein Alleinstellungsmerkmal in einer Stadt zu haben, ist doch ganz cool.“ Obwohl er sich in Deutschland bzw. Europa bewegt, ist er in Chemnitz zuhause. „Warum soll ich weg? Ich bin mit der Stadt und der Lebensqualität super zufrieden. Ich bin ein sehr heimatverbundener Mensch. Bis ich meine Zelte abbreche, muss schon sehr viel passieren.“ Was heute Kraftklub mit ihrem Karl-Marx-Stadt-Song sind – Botschafter ihrer Stadt – war Tino alias Jaleel ebenfalls, nur fast zwei Jahrzehnte vorher. „Ich mag die Stadt, hab nichts gegen sie. Ich verteidige sie sogar.“ Nicht ohne dabei auch den kritischen Blick zu verlieren, auch mit Blick auf die städtischen Prioritäten: „Es darf nicht corny wirken, würde man im HipHop sagen. Am Ende des Tages muss man dazu stehen, was die Stadt ist. Und die Stadt ist eine Arbeiterstadt. Wenn man zu sehr versucht, eine Arbeiterstadt glänzend darzustellen, dann wirkt das aufgesetzt. Damit macht man meist mehr kaputt.“

Was sind die Stärken von Chemnitz?
Man sollte sich mehr auf das Unternehmertum und auf die Industrie konzentrieren. Wir haben doch eine geile Industrie. Was ich mich frage, warum wir nicht eine geile Infrastruktur hinbekommen? Warum fährt hier nicht ein ICE? Wie oft ich das von Kunden höre: „Weißt du, wie lang ich nach Chemnitz fahre? Lass uns mal in Leipzig treffen.“ Das ist doch schlimm.

Was zeigst du Kunden oder Künstlern, wenn sie den Weg nach Chemnitz, auch ohne ICE, finden?
Erstens sitzen wir in der Schönherrfabrik, beim Anblick staunen alle mit offenem Mund. Und bei den Büromieten, im Vergleich zu Berlin, werden die Münder vor Staunen nur noch größer. Dann zeige ich ihnen noch das Schloßviertel mit dem Miramar, am besten noch den Kaßberg und plötzlich merken sie, hier ist es ja doch ganz geil.

In ihren Videos haben Tefla & Jaleel früher schon viel Lokalpatriotismus gezeigt. Diesen verkörpert der bescheidene zweifache Familienvater, der lieber seine Arbeit oder sein Team für sich sprechen lässt, als selbst im Vordergrund zu stehen, immer noch. „Merchstore sind 18 Mitarbeiter und nicht nur ich.“ Mit seiner Firma fühlt er sich in der Schönherrfabrik pudelwohl und will dort auch nie wieder weg. „Für mich einer der schönsten Orte in Chemnitz. Ich ziehe absolut den Hut vor der Bertreiberin und den Investoren. Sie haben auf unkonventionelle Weise, mit dem Durchhaltevermögen und der vielen Liebe zum Detail etwas Besonderes geschaffen.“

Ist Chemnitz ein gutes Pflaster für Firmengründungen?
Ich kann nichts Negatives sagen. Ich kann das jetzt natürlich nicht auf andere projizieren. Für mich war es kein Problem. Wir haben aber auch ein Geschäft, bei dem der Standort egal ist. Würde ich jetzt in Chemnitz einen Laden aufmachen? Wahrscheinlich nicht. Das wäre zurzeit kein gutes Pflaster, wenn du hier einen Fashion Store aufmachen willst.

Wenn du einen coolen Merchandise-Artikel für Chemnitz entwerfen könntest, was wäre das?
Oh, das ist in einer halben Minute nicht beantwortet. Da müsste ich mich jetzt mehr reindenken. Das Naheliegende wäre vermutlich ein bronzener Karl-Marx-Kopf. Das ganze Karl-Marx-Ding finde ich super. Damit identifizieren sich die Leute, beispielsweise Kraftklub mit ihrem Karl-Marx-Stadt-Song. Das ist schon was Cooles.
Man muss sich auf alle Fälle so tief reindenken, um den Punkt zu finden, für den Chemnitz steht. Für was steht denn Chemnitz? Für mich steht Chemnitz für Auto Union – für die Geburtsstädte der deutschen Automobilindustrie. Das ist doch was! Das wissen viele Leute da draußen gar nicht. Das müssen wir nach außen tragen. Das ist Chemnitz und darauf kann man stolz sein.

Standardfrage: Muss man den Chemnitzern Mut machen, mehr zu ihrer Stadt zu stehen?
Ich glaube, die Chemnitzer haben kein Problem, zu ihrer Stadt zu stehen. Die finden es vielleicht manchmal albern, wo die Stadt ihre Prioritäten setzt. Wir sind nicht nur Kultur und geile Ausstellungen. Das braucht es zwar, weil wir alle einmal eine geile Ausstellung sehen wollen. Aber das verkörpern wir nicht, sondern Dresden oder auch Leipzig. Wir sind Arbeiter, das ist mein Gefühl. Es ist nicht alles Hochglanz, aber das ist ganz gut.

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