Jeder kennt das TIETZ

Volker Beyer

Macher der Woche vom 11. Mai 2016

Volker Beyer ist in Karl-Marx-Stadt geboren und im roten Schlamm um die frischen Blöcke des Fritz-Heckert-Gebiets aufgewachsen. Als Teenager war er jüngster Turner in der Bundesliga. Nach mehreren Verletzungen hat er den sportlichen Ehrgeiz und das Streben nach vorn in seine Unternehmen gelenkt. Heute ist er Dreifach-Unternehmer in Chemnitz und mit seinen Geschäften größter Mieter im Erdgeschoss des TIETZ. In der Coffee-Art-Bar, seinem jüngsten Projekt, haben wir mit ihm über kreative Ideen, das Besondere am TIETZ und die Chemnitzer gesprochen.


Du warst auf dem Sportgymnasium, dort erfolgreich im Geräteturnen. Später hast du deine Leidenschaft fürs Snowboarden entdeckt. Wie kommt man bei all den sportlichen Ambitionen zum Fotografieren und zum Wunsch nach einer so breit aufgestellten Selbstständigkeit in Chemnitz?
Volker Beyer:
Mit 15 Jahren fing ich an, mich hobbymäßig mit dem Fotografieren zu beschäftigen. Nicht mit viel Technik. Mir hat es einfach Spaß gemacht und es kam immer etwas Gutes dabei raus. Meine kreative Ader war neben dem Sport schon immer da. Der Wunsch meiner Eltern war allerdings, dass ich eine wirtschaftliche Richtung einschlage. Also habe ich mich für eine Lehre zum Industriekaufmann entschieden. Ich habe ganz schnell gemerkt, dass das nicht das sein wird, was ich dreißig oder vierzig Jahre machen will. Am Schreibtisch zu sitzen und tagein, tagaus das Gleiche zu machen, war ganz furchtbar für mich, aber trotzdem grundlegend und eine ganz wichtige Zeit. Nach der Ausbildung bin ich eher zufällig in die Fotobranche reingerutscht.
Mein erster Arbeitgeber war Baby Smile. Dort war ich nicht als Fotograf angestellt, sondern war im Controlling tätig. Trotzdem konnte ich in alle Bereiche reinschnuppern. Ich war mal im Studio, habe aber auch mit Fotosoftware gearbeitet. Das hat mir viel Spaß gemacht. Jeder Tag war anders. Nach Baby Smile habe ich noch einmal in einer anderen Fotofirma gearbeitet und mich weiterbilden können. Mir hat das alles viel Spaß gemacht und trotzdem konnte ich mich in den Jobs nicht richtig ausleben. Ich musste etwas Eigenes machen. Also habe ich mir den Markt angeschaut. Damals habe ich festgestellt, dass in der Innenstadt ein moderner, peppiger und zeitgemäßer Fotograf fehlte. Ich wollte einen ordentlichen Standort, um erfolgreich sein zu können. Nach mehr als elf Jahren am Markt läuft DigiArt dank meiner super Angestellten fast von alleine. Ich muss kaum noch da sein. So habe ich den Kopf frei für andere Projekte, was sehr schön ist. Das Leben wird deswegen nicht leichter, aber es wird interessanter.

Apropos Standort. 2004 bist du mit DigiArt im TIETZ tatsächlich mitten in der Stadt gestartet. Wie hast du den Umbau des ehemaligen Kaufhauses TIETZ zum Kultur- und Bildungszentrum miterlebt?
Sehr aktiv, zumindest was die unteren Etagen anging. Ich habe die Räume alle schon im Rohbau begutachtet, weil wir damals die Verträge mit der GGG verhandelt hatten. Ich war extrem begeistert von den Lichthöfen und dem integrierten Versteinerten Wald. Ich fand das Haus eigentlich noch interessanter als zuvor, obwohl das alte Kaufhaus aus DDR-Zeiten schon Charme hatte.
Neben DigiArt hast du das Newscenter im TIETZ übernommen und die Coffe-Art-Bar im TIETZ gleich neben dem Atomino eröffnet. Drei unterschiedliche Geschäfte, ein Standort. Was ist das Besondere am TIETZ?
Das Haus war damals schon sehr bekannt und ich hatte es sowieso lieb gewonnen. Ich war froh darüber, dass in Chemnitz ein Haus entstanden war, wo ich mit meiner Idee gut rein passte. Mir liegt extrem viel an dem Haus. Egal welchen Chemnitzer du ab einem Alter von ungefähr 40 Jahren fragst, jeder kennt das TIETZ. Mit dem Haus sind alle groß geworden. Viele waren sogar jede Woche hier. Obwohl die neue Nutzung mit dem Versteinerten Wald und der kleinen Einkaufsmeile im Erdgeschoss und der Galerie und den Einrichtungen in den oberen Etagen extrem geil ist, bleibt es aktuell etwas links liegen. Das finde ich ein bisschen schade. Hinzu kommt, dass der Infotresen im Erdgeschoss aufgrund von Sparmaßnahmen eine Zeit lang weg fiel. Jetzt bin ich froh über die gute Zusammenarbeit mit der GGG. In Gesprächen mit den Mietern im TIETZ haben wir Konzepte für die Umnutzung des Erdgeschosses entwickelt. Das Newscenter ist das Ergebnis. Anfangs fehlte jemand, der die Idee umsetzt und sich zutraut, eine innenliegende Gastro ohne Außenbereich im Erdgeschoss vom TIETZ zu betreiben. Ich habe dann kurzer Hand entschlossen: „Ok, es geht los. Das machen wir noch mit.“ Nicht weil ich damit Geld verdienen will, sondern einfach nur, damit das Haus besser funktioniert. Das Newscenter kommt mittlerweile immer besser an. Wir bekommen sehr viel positive Resonanz. Besonders ältere Leute sagen, dass das Newscenter schön ist und dass sie sich wohlfühlen. Auch die Bühne im Erdgeschoss wird immer besser genutzt. Es braucht natürlich Zeit, um im Haus mehr Flair zu schaffen. Ich bin dahingehend aber sehr guter Dinge.

Dein letztes Projekt war CAB, die Coffee-Art-Bar. Der Name verrät schon, dass du hier Kaffee- und Barkultur mit Kunst verbinden möchtest. Welche Idee steckt genau dahinter?
Richtig. Mit der Coffee-Art-Bar wollte ich in Chemnitz einen Platz schaffen, der anders als die bisher eher klassischen „Schickimicki“-Cafés ist. Die Coffee-Art-Bar ist weltoffen und soll ein Treffpunkt für verschiedene Kulturen und junge Leute sein. Ein Café oder eine Bar mit kreativ-industriellem Charme fehlte in der Chemnitzer Innenstadt noch komplett. Dann bin ich in den Urlaub gefahren. Dort war mir langweilig. Also habe ich angefangen ein neues Konzept zu entwickeln. Die Idee war, einen Raum zu schaffen, der zum Verweilen einlädt. Gleichzeitig sollte dort Kreativität herrschen. Wir zeigen laufend Kunstausstellungen, die vierteljährlich wechseln. Damit möchten wir vor allem Nachwuchskünstlern aus Chemnitz und Umgebung Möglichkeiten geben, kostenlos zu präsentieren, ohne sofort den wirtschaftlichen Hintergrund zu sehen. Klar müssen wir alle Geld verdienen, aber ohne Kunst, ohne Kultur bleibt das Leben doch grau und trist. Wir haben eine sehr gute Grundlage mit vielen hochwertigen Museen und Einrichtungen. Die Coffee-Art-Bar soll ein einfacher, bunter Treffpunkt für jede Generation werden. Hier gibt es einen guten Kaffee gepaart mit einer interessanten Ausstellung und wenn es zu spät für einen Kaffee ist, dann gibt es bei uns ein gepflegtes Bier oder einen Cocktail. „Coffee“ tagsüber, die „Art“ begleitend und die „Bar“ am Abend – abgekürzt CAB.

Am 21. Mai 2016 ist Museumsnacht. Das TIETZ ist an diesem Abend zentraler Treff- und Anziehungspunkt. Was sind deine Pläne für die Nacht der Nächte?
In der Nacht der Nächte arbeiten wir im Bereich der Fotografie, sprich mit DigiArt, mit dem Reisebüro Thomas Cook zusammen und präsentieren eine Fotobox. In der Fotobox stellen wir ein Szenarium auf, wo Besucher des Hauses einen karibischen Fotogruß aufnehmen und aus dem TIETZ nach Hause senden können. Im Newscenter versorgen wir unsere Gäste mit Getränken, angefangen beim guten Wein, über ein kühles Bier bis zu alkoholfreien Getränken. In der Coffee-Art-Bar haben wir am Wochenende immer viel Programm zu bieten. Zur Museumsnacht zeigen wir eine Fotoausstellung. Ab 23 Uhr wird DJane Sheatle elektronische Sounds aus den 80ern, Italo-Pop und Synthie Sounds zum Besten geben. Das heißt, die Museumsnacht ist bei uns nicht um 1 Uhr zu Ende. Sie geht bis früh 5 Uhr.

Täglichen strömen ca. 3000 Menschen ins TIETZ. Du erlebst ganz unterschiedliche Typen im DigiArt-Studio, im Newscenter und in der Bar. Wie sind die TIETZ-Besucher so?
Unterschiedlich! Das ist typisch für Chemnitz. Man merkt, wie die Menschen aufgewachsen sind und spürt gravierende Unterschiede. Wir haben im TIETZ noch zu wenig Kunden, die das Haus wahrnehmen. Viele strömen rein, gehen hoch in die erste, zweite oder dritte Etage, je nachdem, wo sie hinmüssen. Dort wird erledigt, was es zu erledigen gibt und dann sind sie auch schon wieder raus. Das Genießen, Verweilen und Entschleunigen ist in den Köpfen hier in Chemnitz noch nicht so richtig angekommen. Manchmal spüre ich auch Verbitterung. Oft vermisse ich ein Bitte und ein Danke und wünsche mir, dass die Leute einfach mal entspannt sind. Eigentlich blutet mir das Herz und ich denke: Macht euch doch mal locker! Die Leute sollen das Leben genießen, in der Mittagspause nicht das Brötchen aus dem Rucksack kramen. Geht raus, holt euch einen coolen Bagel oder esst eine Suppe! Es gibt so viele coole Einrichtungen hier in der Innenstadt. Ihr nutzt das viel zu wenig! Dann kommt immer die Ausrede, dass alles zu viel Geld koste. Dabei kostet in Chemnitz eigentlich nichts Geld. Chemnitz ist so entspannt. Wo anders auf der Welt ist ein Mittagessen für 20 Euro normal. Hier zahlst du fünf Euro, wahrscheinlich mit Kaffee. Sich Zeit nehmen und das Leben genießen, muss man den Chemnitzern noch anerziehen. Aber es wird besser!

Muss man den Chemnitzern Mut machen?
Ich glaube den Chemnitzern an sich nicht, weil sie wissen, dass in Chemnitz viel möglich ist und man sich frei entfalten kann. Das ist in anderen Städten längst nicht mehr der Fall. Mittlerweile öffnen sich auch die Stadt und die Behörden und agieren flexibler. Wir sollten lieber denen Mut machen, die nicht Chemnitzer sind. Ich höre leider immer noch, dass unsere Stadt schlecht da steht, obwohl sie gar nicht schlecht ist. Dabei gibt es doch viele, die in Chemnitz waren, Schlechtes gehört hatten und die Stadt dann doch total cool fanden. Das sollten wir lieber nach außen tragen.

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