Der etwas andere Spielplatz

Timo Groß

Macher der Woche vom 6. Oktober 2017

Zwei Schaukeln, ein Klettergerüst, das durch eine Hängebrücke Leiter und Rutsche miteinander verbindet, ein Sandkasten, eine Wippe und alles fein säuberlich umrahmt von einem Kiesuntergrund. So stellt man sich einen klassischen Spielplatz vor. Nicht jedoch Sozialarbeiter Timo Groß. Seit Juni dieses Jahres betreut er in Chemnitz einen Bauspielplatz. Bei Wind und Wetter öffnet der Bauspielplatz in der Sophienstraße 8 auf dem Sonnenberg auch in den Herbstferien seine Pforten. Was diesen Ort so besonders macht und was ein Surfbrett auf einem Spielplatz verloren hat, verrät uns der zugezogene Chemnitzer in unserem Macher-der-Woche-Interview.


Ein Bauspielplatz - Was ist das?
Timo Groß:
Das ist ein Platz, an dem man klettern, spielen und bauen kann, an dem man sich mit anderen trifft um miteinander Zeit und verschiedene Fähigkeiten zu teilen. Hier lernen Kinder und Jugendliche unter pädagogischer und handwerklicher Anleitung, wie man mit Hammer, Zange und Säge umgeht. Sie können hier mit verschiedenen Materialen experimentieren. Es ist eine Spielwelt, die von Kindern und Jugendlichen selbst erschaffen werden kann.

Welches pädagogische Konzept steckt dahinter?
Es ist ein offenes Konzept. Wir legen viel Wert darauf, dass wir uns zurückhalten. An diesem Ort sollen die Kinder selber bestimmen und Dinge kreieren. Der Bauspielplatz ist im Prinzip ein offener Ort, an dem Erfahrungen gemacht werden können. Kreative Strategien können konzipiert und ausprobiert werden. Die Kinder sollen ihren Spielplatz im Kopf erschaffen und dann ihre Ideen pragmatisch umsetzen können.

Wie entstand diese Art des Spielens?
Die Idee der Bau- und Abenteuerspielplätze gibt es schon länger. Die ersten Plätze in Deutschland entstanden in den 1960er Jahren. Der bundesweite Dachverband der Jugendfarmen und Aktivspielplätze e. V. gründete sich Anfang der 1970-er Jahre und verbreitete das Konzept der Bauspielplätze. Das AJZ Chemnitz griff vor ein paar Jahren diese Idee auf und wollte das Konzept in der eigenen Stadt verwirklichen. Wir fanden einen Förderer und ein passendes Gelände und konnten in diesem Jahr zum Kindertag, am 1. Juni, den Bauspielplatz in Chemnitz eröffnen.

Wer soll mit dem Spielplatz angesprochen werden?
Diesen Platz kann jeder nutzen, er ist nicht nur auf das Bauen und Spielen begrenzt, er kann auch für Veranstaltungen genutzt werden. Hauptzielgruppe sind die Kinder und Jugendlichen in den verschiedenen Altersgruppen. Die meisten Besucher sind zwischen acht und zwölf Jahren, aber generell ist jeder ab sechs Jahren bei uns willkommen. Wer noch jünger ist, der braucht eine Begleitperson, die mindestens 16 Jahre alt ist.

Was können die Kinder und Jugendlichen dort konkret machen?
Sie können ihre eigene Welt kreieren. Wir haben vielerlei Materialien und Werkzeuge, die von allen genutzt werden können. Einige Kinder haben letztens einen Graben ausgehoben, wir haben eine Teichplane verlegt und so einen kleinen Tümpel geschaffen. Hier haben sich Larven, Flöhe und Raupen angesammelt und bei dem einen oder anderen Tier wird auch das Naturkundebuch gezückt und die Tierart nachgeschaut. Aus Stöcken werden Schmetterlinge konstruiert, aus Holz Hütten errichtet, Pfeil und Bogen geschnitzt, Vogelhäuschen gebaut und ein Surfbrett wurde zu einer Rutsche umfunktioniert. Es entwickelt sich hier vieles von selbst und die Kinder bestimmen, was sie machen und somit lernen möchten.

Welche Fähigkeiten werden geschult?
Kreativität, Geschicklichkeit, Teamarbeit, Organisation, Nachhaltigkeit - der Bauspielplatz fördert viele Fähigkeiten. Die einen bringen handwerkliche Fähigkeiten von Haus aus mit, die anderen wiederum haben noch nie mit einem Hammer hantiert. Hier kommen alle zusammen und helfen sich gegenseitig. Mit den selbstgeschaffenen Projekten, sammeln die Kinder und Jugendlichen Erfahrungen und tauschen sich aus.

Timo Groß brennt für das Projekt und betreut auf dem Bauspielplatz an einigen Tagen bis zu 20 Kinder. Wer Hilfe, Materialen oder Umsetzungsmöglichkeiten braucht, kann sich immer an Timo wenden. Bei gutem und bei schlechtem Wetter ist er vor Ort und begrüßt die Kinder, schmiedet mit ihnen Baupläne, hilft ihnen beim Schreiben von Materiallisten, unterstützt sie bei der Umrechnung von Maßeinheiten und bringt den Kids nebenbei Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein näher. Das nächste Projekt ist eine kompostierfähige Toilette für den Bauspielplatz, alleine von und für die Kinder und Jugendlichen des Bauspielplatzes errichtet. „Außerdem muss die Hütte nun bald winterfest gemacht werden.“ Der gelernte Tischler weiß natürlich, wie man die Bauten und Konstruktionen gegen Schneematsch, Regen und Kälte schützen kann, aber das Spannende an dem Projekt ist, zu beobachten, welche Ideen die Kinder haben und wie sie sie umsetzen, betont Timo.

Seit Juni dieses Jahres gibt es den Bauspielplatz in Chemnitz. Wie ist die Resonanz?
Seit der Eröffnung haben wir knapp über 700 Teilnahmen verzeichnet, das finde ich sehr gut. An manchen Tagen waren über 20 Kinder da. Wir haben die Tore für den Bauspielplatz noch nie für umsonst geöffnet, selbst bei Regen kommen immer Kinder vorbei. Die Kinder sehen diesen Ort als ihren eigenen und durch das Werkeln und Basteln identifizieren sie sich damit. Ich bin positiv überrascht, wie schnell die Kinder diesen Platz für sich angenommen haben. Aber auch aus der Schule kam schon Feedback, zum Beispiel bemerken Werklehrer, dass die Kinder neue Fähigkeiten mit in den Unterricht bringen.

Ist es schwer, die Kinder und Jugendliche dafür zu animieren?
Die Kinder, die hierher kommen, haben Lust etwas anzupacken und etwas zu machen. Sie kommen zum Bauspielplatz und bringen gleich eine Menge Ideen mit. Von daher ist es nicht schwer, sie dafür zu begeistern. Die Kinder erzählen sich untereinander viel davon und wir stellen unseren Bauspielplatz in sozialen Einrichtungen im Viertel vor. Die Kinder kommen ganz von alleine und wertschätzen es, hier nicht zu stark reglementiert zu werden.

War der Sonnenberg als spezifischer Ort dafür vorgesehen?
Das Förderprogramm, welches uns die Finanzierung des Projektes ermöglicht, richtet sich auf den Sonnenberg, aber wir haben auch im gesamten Stadtgebiet geschaut. Letztendlich war der Sonnenberg sehr geeignet, da hier die Anbindung zum Kontaktbüro des AJZ-Streetwork am Fuße des Sonnenbergs sehr gut ist. Ich kann mich schnell mit Kolleginnen und Kollegen austauschen, wir können Dienste untereinander flexibler gestalten und uns gegenseitig unterstützen.

Sind weitere Spielplätze dieser Art geplant?
Wir konzentrieren uns erst mal auf diesen Platz. Für die Zukunft kann ich mir vorstellen, dass wir den Bauspielplatz auf dem Sonneberg erweitern. So könnten wir mehr Angebote schaffen und Projekte der großen und kleinen Besucher besser aufeinander abstimmen. Die Lage spricht natürlich hauptsächlich Kinder vom Sonneberg an. Lange Wege können für Kinder aus anderen Stadtteilen ein Hindernis sein hierher zu kommen. Daher könnte man vielleicht in anderen Stadtteilen noch aktiv werden. Vorrangig möchten wir erst mal hier auf dem Sonnenberg unsere Erfahrungen sammeln.

Was unterscheidet einen Bauspielplatz von einem herkömmlichen Spielplatz?
Der Bauspielplatz verändert sich stetig. Es wandelt sich aber nicht nur der Platz permanent, sondern auch die Erfahrung und Fertigkeiten der Bauspiel-Teams. Kleine Projekte und Vorhaben, die sich scheinbar schnell und spontan umsetzen lassen, können größer und gewagter werden. Dann sind den erfahrenen Bauerspielerinnen und Bauspielern im kreativen Umgang mit Werkzeug und Baumaterial immer weniger Grenzen gesetzt. Wir haben zusammen eine Abmachung getroffen: Wenn ein Projekt sechs Wochen lang nicht angerührt wurde, kann die Konstruktion demontiert werden. Die Materialen werden dann für neue Ideen weiter verwendet. Somit ist das Aussehen des Bauspielplatzes immer anders. Es ist im Prinzip wie eine kleine Stadt, sehr dynamisch und an verschiedenen Ecken verändert sich immer irgendwas. Zudem kommunizieren die Kinder auf einem Bauspielplatz viel untereinander, da sie ihre Ideen austauschen müssen und neue Projekte planen wollen.

Was ist deine Aufgabe als Sozialarbeiter auf dem Spielplatz?
Ich gebe Hilfestellungen und behalte den groben Rahmen im Auge. Die Kinder kreieren die Bauten nach ihren eigenen Vorstellungen, aber ich achte bei den Konstruktionen natürlich auf Sicherheitsmerkmale. Die Kinder sitzen auch gern zusammen und reden über ihren Alltag. Da ist von Erfolgen in der Schule oder auch von Schwierigkeiten die Rede, wenn es mit dem Schreiben oder Rechnen nicht so klappt. Dann setzen wir uns schon mal hin und üben das spielerisch-handwerklich, fernab theoretischer Debatten. In einer lockeren Atmosphäre gelingt die Umrechnung vom Meter in Zentimeter plötzlich viel leichter.

Wo siehst du Chemnitz und das Projekt Bauspielplatz im Jahr 2025?
Ich befürworte die Bewerbung zur Kulturhauptstadt. Chemnitz ist eine Stadt mit Ecken und Kanten, das Bemerkenswerte und Interessante tritt nicht gleich so offensichtlich zu Tage und das macht ihr Potenzial aus. Die Menschen müssen sich mit den Umbrüchen in ihrer Stadt auseinandersetzen. Die Bewohner selbst müssen ihre Stadt präsentieren und verkörpern. Dabei kann die Bewerbung zur Kulturhauptstadt helfen. Für das Projekt Bauspielplatz wünsche ich mir, dass diese Freiräume ohne starke Reglementierung bestehen bleiben. Das AJZ Chemnitz kann dabei Gestaltungsräume bieten für die Menschen dieser Stadt. Die Erfahrungen auf dem Bauspielplatz zeigen, dass es dabei auch ruhig etwas unkonventionell zugehen kann. Chemnitz hat das Potenzial, noch mehr Leerräume mit Ideen zu füllen!

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