"Aufstieg wie Phönix aus der Asche"
Uwe Bauch
Macher der Woche vom 4. August 2017
Seit 2001 sind sie in der IT-Branche tätig und spielen in einer Liga mit IBM, Oracle, Microsoft, Software AG und SAP. Die Kundendatei für ihre comm.fleet-Produktlinie für Fuhrpark- & Leasingmanagement umfasst neben 21 DAX-Unternehmen 188 Auftraggeber in 31 Ländern. Und doch kennen die meisten in der Stadt das Chemnitzer Unternehmen erst, als das neue Stadion des Chemnitzer FC seinen Namen erhält. „Wir sind wie Phönix aus der Asche gestiegen“, erzählt Uwe Bauch, Vorstandsvorsitzender der community4you AG. Er ist das Gesicht des Unternehmens und unser Macher der Woche.
Bei Softwareunternehmen ist es immer etwas schwer zu erklären, was sie machen. Wer verwendet denn Ihre Software und wie?
Uwe Bauch: community4you ist 2001 mit einer eigenen technologischen Plattform angetreten. Die Besonderheit: Sechs Unternehmen weltweit leisten es sich auf einer eigenen technologischen Plattform zu entwickeln. Jeder kennt sie: IBM, Oracle, Microsoft, Software AG, SAP und eben wir. Das heißt, ein Kunde kauft 100 Prozent Software von dem jeweiligen Dienstleister.
Auf Basis dieser Technologieplattform wurde 2001 unser Messemanagement System entwickelt. Wir können heute sagen, dass weltweit alle großen Messen eines unserer Kernprodukte einsetzen. Nur um Beispiele zu nennen: CEBIT, IAA, die Frankfurter Buchmesse, Shanghaiworld, Paperworld in den USA, Asiaworld in Peking und Russianworld in Russland.
Unser zweites Produkt bedient das Thema Fuhrpark- und Leasingmanagement. Mit der Entwicklung haben wir 2005/2006 begonnen. Zielgruppe ist jedes größere Unternehmen, jede Verwaltung oder öffentliche Einrichtung, die über eine gewisse Anzahl an Fahrzeugen verfügt. Sie benötigen irgendwann eine Übersicht über ihre Flotte für Kosten, Verbrauch, Leasingraten etc. Daran haben wir fast 18 Mannjahre gearbeitet und sind 2010 mit der Beta-Version auf den Markt gegangen. Aufgrund des revolutionären Einschlags innerhalb kürzester Zeit haben wir uns zwei Jahre später als Marktführer etabliert. Mittlerweile verwalten wir mit unserer Software mehr als eine halbe Million Fahrzeuge weltweit.
Sie haben mal gesagt, dass Sie einen technologischen Vorsprung von zwei Jahren gegenüber den Mitbewerbern haben. Weil Sie seit 2001 im Geschäft sind?
Der Grund ist das technische Know-How. Es gibt keine Fuhrparkmanagement Software, die so modern ist und so einfach strukturiert werden kann, wie unsere.
Der Kunde ist in der Lage, das System modulweise zu betreiben. Er braucht für einfache Prozesse (vereinfachtes Customising) keine Unterstützung, sondern ist in der Lage ohne Software- und IT-Kenntnisse selbst Konfigurationen vorzunehmen, Felder und Spalten hinzuzufügen und umzubenennen.
Wir sind die einzigen in Europa, die aufgrund der Breite der Software verschiedene Segmente bedienen. Das sind beispielsweise Werkstattmanagement, Fuhrparkmanagement, Lager- und Bauteileverwaltung, Beschaffungsprozess, Reifenverwaltung, Verwaltung von Elektrofahrzeugen sowie die gesamten mobilen Anwendungen rund um ein Fahrzeug. Gemeinsam entwickeln wir bereits verschiedene Komponenten zum Thema selbstfahrende Fahrzeuge.
Wie kommt man auf so eine Geschäftsidee?
Ich habe Autoschlosser gelernt. Die Affinität zu Autos ist also schon immer da. Nachdem wir das Thema „Messemanagement“ auf dem Markt installiert haben, wollten wir uns weiterentwickeln. Wir haben uns dann überlegt, welche Nische wir besetzen könnten, in der wir fachlich auch eine gewisse Kompetenz besitzen, die für uns einen Mehrwert bringt. Da ist dann die Entscheidung getroffen worden in den Bereich Fuhrpark- und Leasingmanagement zu investieren.
Noch ein Stück zurück: Von der Autoschlosserei zum IT-Unternehmen ist ein großer Schritt. Wacht man frühmorgens auf und hat diesen Geistesblitz?
Nein. Wir, mein Studienfreund Janko Nebel und ich, haben 2001 das Unternehmen gegründet. Ursprünglich hatte er diese Idee, an der er seit 1997 bereits gearbeitet hat. Ich habe sie dann finanziell unterstützt.
Eine beeindruckende Zahl: 21 von 30 DAX-Unternehmen (wie Siemens, Hermes, RWE) gehören zum Kundenstamm. Wie führt man die Akquise?
Bei 90 Prozent der Kunden gehe ich in der Regel selber hin. Ich liebe Vertrieb und will wissen, was beim Kunden passiert. Zu Beginn ist es natürlich schwer, Kunden zu gewinnen. Als wir die Beta-Version 2010 herausgebracht haben, fragten die Kunden schon, warum sie diese jetzt testen sollen. Durch Vertrauen, das wir uns von vorhergehenden Aufträgen und bei langjährigen Zusammenarbeiten erworben haben, probierten sie es aus und haben es nicht bereut. 2011 haben wir die ersten Projekte schnell und erfolgreich umgesetzt und uns einen Namen gemacht.
2016 wurde die community4you AG als einer von vier Chemnitzer Preisträgern im bundesweiten Innovationswettbewerb Top 100 ausgezeichnet. Insgesamt 366 Bewerbungen lagen vor. Trotz der Auszeichnungen war das Unternehmen in der Branche bekannter als vor der eigenen Haustür. „Das ist nicht schlimm“, erklärt Uwe Bauch, der 1964 in Karl-Marx-Stadt geboren wurde. „Wir haben regional hier keine großen Kunden. 98 Prozent sitzen außerhalb von Ostdeutschland - im Westen oder im internationalen Ausland. Demzufolge ist es auch nicht unsere Intention, den Bekanntheitsgrad hier steigern zu wollen, sondern zu arbeiten.“ Seit 1. August vergangenen Jahres schmückt der Firmenschriftzug das neue Stadion des Chemnitzer FC und seitdem ist der Name in aller Munde. „Wir haben mit einem Schlag unsere gesamten Personalprobleme gelöst. Wenn man hier auftaucht und über Jahre einen größeren Betrag für das Stadion finanziert, steigt das Renommee des Unternehmens. Wir haben innerhalb von einem halben Jahr 15 neue Mitarbeiter eingestellt und damit unser Ressourcenproblem kurzfristig gelöst“, so Bauch.
Nur kurzfristig?
Das Problem, das wir und auch einige andere haben, ist, junge Menschen für Chemnitz zu begeistern. Sie ziehen lieber in Großstädte wie Hamburg oder Berlin. Deshalb befinden wir uns heute wieder vor der gleichen Situation. Wir haben die Auftragslage bis 2018, sind voll ausgelastet und können Aufträge in dem Umfang, wie wir es abarbeiten wollen, gar nicht schaffen. Wir brauchen neue gute Java-Entwickler. Ich könnte heute sofort wieder fünf bis zehn neue Mitarbeiter einstellen, um die Projekte, die wir haben, abzuarbeiten.
Wie versuchen Sie, junge Menschen für Ihr Unternehmen und Chemnitz zu begeistern?
Beispielsweise ist geplant, den Mitarbeitern beim Gang an die Börse fünf Prozent der Anteile unseres Unternehmens zu schenken. Es soll eine eigene Gesellschaft gegründet werden, bei der die Mitarbeiter über Dividenden zusätzlich profitieren können. Ein weiterer Punkt außerhalb des finanziellen Anreizes: Wir haben ein flexibles Zeitmanagement. Ein Mitarbeiter kann kommen und gehen, wann er will. Er muss seine Arbeit nur ordentlich machen. Manchmal sehe ich einen Entwickler einen kompletten Monat nicht. Jeder hat die Chance, individuell seinen Tag oder seine Woche zu gestalten. Dann haben wir noch eine eigene Physiotherapie. Alles, um dem Zeitgeist zu entsprechen, es den Mitarbeitern so angenehm wie möglich zu machen. Denn der Erfolg des Unternehmens bin nicht ich. Der Erfolg ist der Mitarbeiter.
Wir haben mittlerweile im Unternehmen Arbeitnehmer aus 14 verschiedenen Nationen. Wir sind in Argentinien, Russland, Österreich, Bahrain, Thailand, Georgien und Kirgisistan über Partner vertreten. Da macht es natürlich Sinn, Arbeitnehmer einzustellen, die zum einen die Sprache sprechen, zum anderen die Kompetenzen mitbringen und die sich hier wohl fühlen. Ich höre es von allen, sie fühlen sich hier wohl.
Die Zeiten haben sich geändert. Nicht mehr das Gehalt ist das Entscheidende, sondern die Wohlfühloase?
Das ist richtig. Die Mitarbeiter wollen über ihre Zeit verfügen und eine gewisse Wohlfühlatmosphäre haben. Das ist wichtiger geworden.
Eine Zeitung schrieb vergangenes Jahr, dass sich Chemnitz zu einem Zentrum für Softwareentwicklung herausbildet. Beispielsweise mit aufstrebenden Unternehmen, wie Baselabs, Staffbase, aber auch alteingesessenen wie Prudsys und community4you. Müssen Sie ein bisschen lächeln, wenn Sie als Chemnitzer Software-Urgestein die jungen Unternehmen sehen und den weiten Weg, den sie noch vor sich haben?
Nein, überhaupt nicht. Es hätte bei uns auch in die Hose gehen können und ich hätte das Geld versenkt. Es gehört immer Glück dazu zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort, die richtige Entscheidung zu treffen.
Und die Start-up-Unternehmen haben Megaideen und können diese auch umsetzen. Aber irgendwann fangen auch bei ihnen Probleme an: Ökonomie, Finanzen, Businessplan. Und das wichtigste ist das Thema Personal.
Wie meinen Sie das?
Start-ups haben den Vorteil, frisch von der Uni zu kommen und noch Kontakte in die Hörsäle zu haben. Deshalb haben sie weniger Personalprobleme. Aber in ein paar Jahren wird das Thema komplizierter, weil sie nicht mehr die direkten Kontakte zu den Studenten haben und weitere Arbeitskräfte benötigen. Als wir 2001 begannen, hatten wir diese Probleme auch nicht. Wir hatten das Personal. Doch je länger man von der Uni weg ist, desto schwerer wird es. Frühere Kommilitonen stehen selber in Lohn und Brot oder leben nicht mehr in der gleichen Stadt wie damals, deshalb ist es extrem wichtig, den Kontakt zu den Universitäten und Ausbildungsstätten zu halten und zu pflegen. Hier sehe ich die Verantwortung bei den Universitäten und den Städten.
Ihr Unternehmenssitz ist die Villa Hahn, das Stadion trägt den Namen des Unternehmens und Sie engagieren sich beim Chemnitzer FC als Aufsichtsratsvorsitzender. All das ist ein Bekenntnis zu Chemnitz. Woher kommt diese Verbundenheit?
Ich bin in Karl-Marx-Stadt geboren, fühle mich sehr wohl hier und werde, zumindest ist das vorgesehen, meinen Lebensabend hier verbringen. Die Stadt hat mir das Vertrauen entgegengebracht, als wir unsere Villa Hahn käuflich erwerben konnten. Wir haben jetzt in Rabenstein eine neue Villa gekauft und auch da die Unterstützung von der Stadt erhalten. Dann gehört es sich einfach, etwas zurückzugeben.
Wo sehen Sie Ihr Unternehmen und die Stadt 2025?
Wenn wir die personellen Ressourcen bekommen, die wir uns wünschen, sehe ich uns in acht Jahren dreimal so groß, wie wir jetzt sind. Wenn wir die Möglichkeit haben, Unternehmen hinzuzukaufen, generieren wir Wachstum.
In den kommenden Jahren stehen revolutionäre Dinge in der Autowelt an. Ich sage nur autonomes Fahren. Das wird gigantisch.
Für Chemnitz hoffe ich, dass nicht nur wir, sondern weitere innovative Unternehmen, die die Aufmerksamkeit außerhalb von Chemnitz bekommen, in der Lage sind, mit diesem Innovationsstandort mehr junge Menschen hierher zu holen. Wenn ich sehe, wie die Gewerbegebiete ausgelastet sind und wie viele neu gebaut werden, macht mich das sehr zuversichtlich. Ich denke die Politik ist auf einem guten Wege.
Zum Abschluss eine Fußballfrage an Sie als Aufsichtsratsvorsitzender des CFC. Freuen Sie sich auf die Saison und gibt es einen Tipp?
Ja, ich freue mich. Wir haben elf neue Spieler, einen neuen Trainer, einen neuen Sportdirektor und alle müssen sich finden. Ich hoffe, dass wir uns am Ende dieser Saison im oberen Mittelfeld bewegen werden.