Vom Duft der Ostpakete

Jacqueline Böhme-Barde

Macherin der Woche vom 14. Juli 2017

Viatlon, Biomalz, Putzi, Nautik, Odorex, Bikum - viele dieser Produkte gehörten zur Standardausstattung eines DDR-Haushaltes. Fast 27 Jahre nach dem Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland erfreuen sich die Produkte weiterhin großer Beliebtheit. Jacqueline Böhme-Barde, 47 Jahre, betreibt seit 26 Jahren die Ostalgie-Drogerie. Es ist die letzte Drogerie ihrer Art in Chemnitz. Mit viel Herzblut und (n)ostalgischem Charme verkauft die Chemnitzerin Produkte, die den ein oder anderen an seine Kindheit erinnern.


Was ist die Ostalgie-Drogerie?
Jacqueline Böhme-Barde:
Die Ostalgie-Drogerie ist ein Geschäft, in dem vorrangig ostdeutsche und regionale Produkte verkauft werden. Es ist zudem eine Drogerie, wie sie zu Ostzeiten bekannt war. Ich habe damals Drogistin gelernt und zu unserem Lehrplan zählten neben Chemikalienkunde, Pharmazielehre, Farbwaren- und Pflanzenschutzkunde auch die Drogenkunde – Themenbereiche, die heute kaum mehr Bestandteil der Ausbildung sind. Daher biete ich eine breite Produktpalette an, von der Zahncreme bis zum Mäusegift.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Wir sind damals jede Woche in die Jugendmode geflitzt und wollten alle die begehrten „Action“ Produkte kaufen. Nach der Wende verdrängten westdeutsche Neuheiten die ostdeutschen Klassiker. Ich fand die Vorstellung schön, dass die Leute Produkte kaufen, die sie mit ihrer Kindheit oder Jugendzeit verbinden, sei es der Duft, der Geschmack oder einfach nur die Verpackung.

Viele Läden in der DDR mussten nach der Wende schließen, sie eröffneten stattdessen einen neuen. War das riskant?
Ich stamme aus einer Handelsfamilie, mein Großvater verkaufte Schokolade. Da wollte ich seit meiner Kindheit in seine Fußstapfen treten. Durch meinen Ferienjob in der Drogerie, habe ich dann Spaß an dem Beruf gefunden. Die Praxiskenntnisse und die Erfahrungen meines Großvaters bereiteten mich gut auf alle Höhen und Tiefen der Selbstständigkeit vor. Nach der Wende habe ich mich deshalb, trotz der konjunkturschwachen Zeit, auf die Suche nach einem Ladenraum gemacht und den zusammen mit meinem Mann und meinem Vater ausgebaut. Die Produktflut aus dem Westen kam meinem Laden zuerst nicht zu Gute. Aber als die Leute merkten, dass mehr Schein als Sein hinter manchen Produkten steckte, wollten sie wieder das Gewohnte kaufen. Die Ostalgie-Drogerie gibt es jetzt bereits seit 26 Jahren.

Sind die Ostprodukte heutzutage noch beliebt?
Zum größten Teil sind es die Älteren, die die Produkte mit vielen Erinnerungen verbinden und jahrelang gute Erfahrungen mit bestimmten Artikeln gemacht haben. Aber auch meine Generation, die damit aufgewachsen ist, und sogar Jüngere, die es von ihren Eltern vorgelebt bekommen haben, kaufen gerne die Produkte. Früher war es etwas Besonderes, ein Westpäckchen zu bekommen. Heute ist es umgedreht, die Leute kommen und wollen ein Ostpaket in den Westen schicken.

Wie schwer ist es als kleiner Tante-Emma-Laden zu bestehen?
Es ist sehr schwer, mit den niedrigen Preisen der großen Märkte mitzuhalten. Man darf die Produkte auch nicht unter Wert verkaufen, denn die regionalen Händler brauchen etwas, wovon sie leben. Große Unternehmen bekommen oftmals Vergünstigungen, beispielsweise bei den Stromkosten oder den Mengenpreisen. Die Mindestlöhne sind für mein Geschäft auch schwer zu stemmen. Dennoch ist es mir wichtig, dass es uns kleine, regionale Geschäfte gibt und wir nicht bei dem Preisdumping mitmachen. Es macht mich einerseits stolz und anderseits traurig, da viele kleine Läden den großen Ketten weichen müssen. Die Leute müssen mehr Bewusstsein für das Einkaufen und die Region entwickeln. In der Ostalgie-Drogerie lege ich großen Wert auf Beratung und persönlichen Kontakt. Ich beziehe viele meiner Produkte von regionalen Anbietern. Auf diese Weise wird die Region gestärkt, nicht nur durch Arbeitsplätze, sondern auch durch Steuereinnahmen.

Um sich gegen große Drogerieketten und Supermärkte durchzusetzen, setzt Jacqueline Böhme-Barde auf ein breitgefächertes Angebot. Neben Ostprodukten, Fotoentwicklung und regionalen Likörschnäpsen bietet sie verschiedene Dienstleistungen an: einen Schuhreparaturservice, eine Reinigung, eine Schneiderei, eine Schleiferei: „Man muss sich immer wieder was Neues einfallen lassen, um die Leute auf sich aufmerksam zu machen und in den Laden zu locken.“

Wie kaufen Sie bewusst ein?
Ich nehme zum einen viele meiner eigenen Produkte. Da weiß ich, wo sie herkommen und was drin ist. Hier um die Ecke ist eine kleine, regionale Kaufhalle, die eine Schulfreundin von mir betreibt. Dort hole ich die Dinge für den alltäglichen Gebrauch, die ich nicht führe. Ich persönlich liebe diese kleinen, gemütlichen Geschäfte mit einer persönlichen Note. Zum anderen kaufe ich viel bei regionalen Fleischern und Bäckern aus unserer Umgebung.

Warum ist gerade Chemnitz ein guter Ort für Ihr Geschäft?
In Chemnitz liegen meine Wurzeln, ich bin hier aufgewachsen, zur Schule gegangen und habe hier gelernt. Jetzt wohne ich immer noch hier und kann mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Die Chemnitzerinnen und Chemnitzer suchen auch gezielt nach ostdeutschen Produkten, da sie die lang bewährte Qualität schätzen. Die Bedingungen sind gut. Durch die Lage an der viel befahrenen Straße und die Nähe zum Krankenhaus habe ich viel Laufkundschaft.

Stadt der Moderne oder sächsisches Manchester – wie nehmen Sie Chemnitz wahr?
Der Brühl ist mir in besonderer Erinnerung geblieben. Als ich Lehrling war, hatten wir auf dem Brühl einen Tag in der Woche Schule. Da war der Brühl total belebt, das wünsche ich mir wieder.

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