„Wir sind Teil der Chemnitzer Historie“
Markus Trompetter
Macher der Woche vom 9. Juni 2017
Funken sprühen durch die Luft. In der großen Fabrikhalle von Trompetter Guss hämmern die Maschinen, Gabelstapler fahren durch die dunklen Gänge, glühendes Eisen dampft aus den großen Öfen. Geschäftsführer Markus Trompetter kennt die Arbeit in einer Gießerei schon aus seiner Kindheit. Vor 17 Jahren übernahm er den Betrieb der Chemnitzer Industriefabrik und führte sie erfolgreich aus der Insolvenz. Für den Standort an der Schönherrfabrik, der auf eine 185 Jahre Tradition im Gießereibetrieb zurückblicken kann, hat er sich schnell begeistern können.
Was fasziniert Sie persönlich an dem Prozess des Gießens?
Markus Trompetter: Mein Großvater hat 1946 eine Gießerei in Bayreuth gegründet. Damit bin ich groß geworden. Flüssiges Eisen hat mich schon als kleiner Junge fasziniert. Ich habe gern meine Zeit in der Gießerei verbracht und man musste mich regelrecht rausjagen (lacht).
Was genau stellt Trompetter Guss her?
Wir haben uns in Chemnitz auf zwei Bereiche spezialisiert. Zum einen stellen wir Gussteile für LKW-Bremsen her. Das sind sicherheitsrelevante Bauteile, die höchsten Belastungen unterliegen. Zum anderen produzieren wir Bauteile für Abgasturbolader, die sehr komplex und schwierig zu gießen sind. Dabei geht es darum, mit kleineren Motoren mehr Leistung zu bringen und damit einen Beitrag für die Umwelt zu leisten.
Aus welchen Bereichen kommen Ihre Kunden?
Vorrangig aus dem Automobilbereich. In jedem dritten europäischen Fahrzeug ist ein Bauteil von uns. Und jeder dritte LKW ist mit unseren Bremssätteln unterwegs.
Markus Trompetter betont die hohe Qualität, die er mit seiner Produktion anstrebt. Trompetter Guss sei bekannt dafür, hochwertige Gusserzeugnisse aus Grau- und Sphäroguss herzustellen. Dabei betreue das Unternehmen seine Kunden von der Protoypenherstellung bis zur Serienvergabe. Das könne schon einmal drei bis vier Jahre dauern, sagt der Unternehmer: „Der Kunde gibt uns eine Zeichnung und unsere Aufgabe ist es, gemeinsam mit dem Kunden das Bauteil gießtechnisch zu optimieren. Wir nehmen da Einfluss auf die Konstruktion und arbeiten an gewichtsoptimierten Designs.“
Im Jahr 2000 ist die Schönherr Metallverarbeitung von der Trompetter Guss Chemnitz GmbH übernommen worden. Wie sind Sie auf diesen Traditionsstandort aufmerksam geworden?
Im Leben muss man die Chancen erkennen und zur rechten Zeit zugreifen. Mein Leben ist nie durchgeplant gewesen. Ich bin 1994 nach Dresden gezogen und habe für einen Insolvenzverwalter gearbeitet. In diesen Jahren habe ich viel gelernt, das über mein Ingenieurstudium hinausgeht, vor allem im betriebswirtschaftlichen Bereich. Im Jahr 2000 hat sich die Chance ergeben, dieses Unternehmen hier, das 1999 auch in einer Insolvenz steckte, zu übernehmen.
In welchem Zustand befand sich das Unternehmen?
Kurz gesagt: in einem sehr schlechten Zustand. Die letzten Investitionen wurden in den 60er und 70er Jahren getätigt. Es war eine typische Industriebrache, die es leider sehr häufig in Ostdeutschland gab. Nur noch 63 Mitarbeiter mit einem Durchschnittsalter von 54 Jahren waren hier tätig. Ich war damals 35 Jahre alt und hatte eine Idee, wie das Unternehmen wieder stark werden kann. Ich wollte investieren und habe es geschafft, das Vertrauen dafür zu erhalten. Ich habe in den vergangenen 17 Jahren fast 55 Millionen Euro in diesen Standort investiert.
Seit 185 Jahren existiert der Gießereistandort, an dem heute das Unternehmen Trompetter Guss sitzt. 1832 hatte Carl Gottlieb Haubold, der Begründer des Chemnitzer Maschinenbaus, eine Gießerei am Fischweg gegründet, um von fremden Lieferanten von Eisenteilen unabhängig zu sein. Louis Schönherr übernahm 1854 das Gewerbepark-Areal und richtete ebenfalls eine eigene Gießerei zur Herstellung von Gussteilen für seine Webstühle ein. Seine Webstuhlfabrik wurde so erfolgreich, dass sie 1902 einen Gleisanschluss an das Königlich Sächsische Eisenbahnnetz erhielt, um Roheisen anliefern zu können. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Gießereianlagen zu etwa 30 bis 40 Prozent demontiert und in den anschließenden Jahren als VEB Webstuhlbau wiederaufgebaut. Nach der Wiedervereinigung wurde daraus die Chemnitzer Webmaschinen GmbH. Es folgten weitere Privatisierungsversuche. Erst mit der Übergabe an die Trompetter Verwaltungs GmbH im Jahr 2000 war eine langfristige Perspektive hergestellt. Aktuell arbeiten 460 Mitarbeiter bei Trompetter Guss.
Sie haben eine großartige Entwicklung hinter sich. Mitarbeiterzahlen und Umsatz sind in den vergangen 17 Jahren enorm gestiegen. Wie haben Sie das geschafft?
Zum Beginn lag das an den guten Fördermöglichkeiten, die in Sachsen gegeben waren. In einer solchen investitionsintensiven Branche schafft man ohne Hilfe keinen Anschluss. Der internationale Wettbewerb wartet nicht auf uns. Die Investitionshilfen waren also ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Dazu kommt ein sehr motiviertes Team, das ich mir über die Jahre aufbauen konnte.
Was war Ihre Strategie?
Wir haben von Anfang an auf die Automobilbranche gesetzt. Einige Unternehmensbereiche habe ich stillgelegt und in neue Anlagentechnik, die sogenannte Linie eins, investiert. 2001 schafften wir eine neue Formanlage an. Es folgte eine neue Sandaufbereitung. Dann wurde ein neuer Schmelzbetrieb aufgebaut. 2006/2007 waren wir voll ausgelastet.
Sie haben dann das Unternehmen noch einmal erweitert.
Richtig. Wir mussten unsere Kapazitäten erweitern, um die Kundenwünsche zu erfüllen. Und natürlich stellte sich die Frage, ob hier am Standort oder im Ausland. Nach langem Überlegen habe ich mich für Chemnitz entschieden. Ein wesentlicher Grund war für mich die Belegschaft. Es folgte die Investition von weiteren 20 Millionen in die sogenannte Linie 2. Und noch im Bau erreichte uns die Wirtschaftskrise. Innerhalb von zwei Wochen haben wir die Hälfte unseres Auftragsbestandes verloren. Das war eine kritische Phase. Das Bauvorhaben haben wir dennoch durchgezogen. Seit 2010 gibt es wieder einen Aufwärtstrend und wir schließen an die alten Zahlen erneut an.
Nicht nur die Wirtschaftskrise hat Ihnen zu schaffen gemacht. Sie hatten einen sechs Jahre dauernden Streit vor Gericht wegen vermuteter Umweltbelastung, den sie für sich entscheiden konnten. Hören Sie immer noch kritische Stimmen?
Wir hören von den direkten Anwohnern keine Klagen. Auch das Gericht hat uns mit keinerlei zusätzlichen Auflagen versehen und bestätigt, dass wir sämtliche Voraussetzungen nachweislich eingehalten haben. Das betrifft sowohl Emissionen als auch Lärm und Umwelteinflüsse. Jetzt bin ich erst einmal froh, dass ich der Belegschaft zusichern kann, hier weiterzuarbeiten. Letztendlich haben wir gezeigt, dass es möglich ist, einen Industriebetrieb im Stadtgebiet zu betreiben.
Ein Neubau auf der „grünen Wiese“ wäre sicherlich preiswerter gewesen als dieses Industriedenkmal. Warum dieser Schritt?
Zuerst einmal war es ein klares Bekenntnis für diesen Chemnitzer Standort, weil hier ein hervorragendes Umfeld in der Metallverarbeitung existiert. Und es ist ein Standort mit viel Tradition – auch was die Automobilindustrie betrifft. Für mich war es keine Option, auf die „grüne Wiese“ zu gehen, Flächen zu versiegeln und neue Infrastruktur zu schaffen, wenn hier an einem traditionellen Industriestandort alles vorhanden ist. Ich liebe die alte Bausubstanz und wie sie heute wieder genutzt wird. Unsere Gießereihalle wurde 1850 gebaut. Hier wurde noch genietet und wurden Stahlträger eingesetzt. Natürlich war es eine große Herausforderung, die alte Hallensubstanz so zu nutzen, dass unsere hochmodernen Industrie-Anlagen optimal ausgelastet sind. Wir haben mit intensiver Planung einen optimalen Materialfluss herstellten können. Ich denke, es ist uns gut gelungen und nun sind wir ein Teil der Chemnitzer Historie. Das fühlt sich gut an.
Ihre Werkhallen befinden sich direkt neben Büros von Start-up-Unternehmen, Zahnarztpraxen und Wellnessangeboten. Wie verträgt sich das?
Wir verstehen uns alle wunderbar! Diese Mischung macht den einzigartigen Charakter des Geländes aus. In Deutschland muss man suchen, bis man etwas Ähnliches findet. Hier haben bis zur Wiedervereinigung mehr als tausend Menschen im Webstuhlbau gearbeitet Heute arbeiten wieder so viele an diesem Standort – allerdings in ganz neuen Branchen. Die große Vielfalt macht den Standort lebendig. Und ich genieße es, an diesem einzigartigen Ort zu arbeiten.
Wo sehen Sie Ihr Unternehmen Trompetter und die Stadt Chemnitz im Jahr 2025?
Ich hoffe, dass wir bis dahin weiter unseren Teil dazu beitragen, dass sich die Stadt wirtschaftlich gut entwickelt. Die Voraussetzungen dafür sind gut. Wenn ich den typischen Chemnitzer beschreiben müsste, so wäre dieser fleißig, clever und wissbegierig. Was noch wachsen sollte, ist das Bewusstsein für den Wert kultureller Angebote. Das kulturelle Leben in der Stadt ist genauso wichtig wie eine gute Arbeit, um sich hier wohlzufühlen.