Die Sprache der Hände

Prof. Dr. Ellen Fricke

Macherin der Woche vom 16. Februar 2018

Die Hand mit abgespreiztem Daumen und kleinem Finger zum Abschied ans Ohr gehalten: Diese Geste ist weit verbreitet und bedeutet so viel wie „Lass uns telefonieren!“ Obwohl heutige Telefone kaum noch einem gebogenen Telefonhörer ähneln, greifen wir problemlos auf dieses Zeichen zurück. Wie Gesten entstehen, sich verändern und wie sie zukünftig genutzt werden könnten, erzählt Prof. Ellen Fricke im Macher-der-Woche-Interview. In der Ausstellung „Gesten – gestern, heute, übermorgen“ bringt die Sprachwissenschaftlerin der TU Chemnitz die Gestenforschung zum Greifen nahe. Noch bis zum 4. März können sich Besucher im Industriemuseum Chemnitz den Gesten und ihren vielfältigen Aspekten über zahlreiche interaktive Exponate nähern.

Prof. Dr. Ellen Fricke


Wie kam es zu der Idee für die Ausstellung? 
Da ich schon immer von der Idee begeistert war, Wissenschaft, Technologie und Kunst zusammenzubringen und so in die Region hineinzuwirken, bot sich zum Zeitpunkt meiner Berufung an die TU Chemnitz eine vom Bundesforschungsministerium aufgelegte Förderlinie „Die Sprache der Objekte“ dafür an. Die Ausstellung ist Teil des Forschungsprojekts „Hands and Objects in Language, Culture and Technology“ – kurz MANUACT, in dem mein Team und ich mit Arbeitswissenschaftlern der TU Chemnitz und dem Sächsischen Industriemuseum Chemnitz kooperieren. Gemeinsam haben wir mit dem Ars Electronica Futurelab im österreichischen Linz das gesamte Thema für eine Ausstellung aufbereitet. 

Was können die Besucher aus der Ausstellung mitnehmen? 
Eine zentrale Frage der Ausstellung ist: Wie gestaltet sich das Zusammenspiel von Traditionen des Objektgebrauchs, deren Verkörperung in kommunikativen Handbewegungen und der berührungslosen Gestensteuerung von Alltagsdingen? Wir wollen eine Brücke zwischen Artefakten der Vergangenheit und moderner Gestennutzung schlagen. Die interaktiven Exponate, die wir gemeinsam mit dem Futurelab entwickelt haben, wie zum Beispiel die „Virtuelle Töpferscheibe“, machen dieses komplexe Zusammenspiel für die Besucher am eigenen Leib erfahrbar. Wenn wir auf der Grundlage dieser Erfahrungen einen Prozess der Reflexion, des Innehaltens und des Nachdenkens über unsere Zukunft, einschließlich der Zukunft der Arbeit, in Gang setzen können, dann wäre eines unserer Ziele erreicht.

Auf welche Art bringen Sie die Forschung in der Ausstellung mit ein? 
Ein zentraler Grundgedanke des Forschungsprojekts ist, dass es sinnvoll ist, für die Gestensteuerung bei den Gesten der zwischenmenschlichen Kommunikation anzusetzen, weil die Nutzer sie schon kennen und dann nicht für jedes Gerät und jede Bedienungsfunktion eine völlig neue Handbewegung lernen müssen. Wir haben beispielsweise mit dem Ars Electronica Futurelab ein interaktives Exponat entwickelt, bei dem die flache Hand gestisch zum Flugzeug wird und über einen virtuellen Globus, wie Google Earth, navigieren kann. Durch solche interaktiven Exponate wird unmittelbar erfahrbar, wie stark sich unser alltägliches Verhältnis zu den Dingen derzeit wandelt: von Gegenständen zum Anfassen wie einem traditionellen Schulglobus bis hin zur berührungslosen Gestensteuerung von Robotern. Wie ein solcher Wandel sich zukünftig wiederum auf die zwischenmenschliche Kommunikation auswirkt – das ist eine Frage, die mich als Sprachwissenschaftlerin und Gestenforscherin natürlich ganz besonders interessiert.

Sind Gesten zeitlos und universal verständlich? 
Wie alle Mittel der zwischenmenschlichen Kommunikation verändern sich natürlich auch Gesten im Laufe der Zeit. Viele stark konventionalisierte Gesten können schon in der Antike nachgewiesen werden – der sogenannte Stinkefinger beispielsweise. Wie die Telefongeste aber zeigt, können gerade handhabungsbasierte Gesten darüber hinaus auch eine Art Wissensspeicher darstellen, der vergangene Technologien und deren Handhabung ein Stück weit konserviert. Ob mit der zukünftigen Entwicklung der Kommunikationstechnologien diese Geste verschwindet oder von einer Handform ersetzt wird, die mehr einem Smartphone entspricht, kann heute natürlich noch nicht vorhergesagt werden.

Gibt es bei bestimmten Gesten Unterschiede zwischen den Generationen? 
Ich denke, der Umgang mit Smartphones kann Gesten verändern. Zukünftige Generationen nutzen vielleicht eine flache Hand als „Telefongeste“. Ein anderes Beispiel ist das Fotografieren: Hier kann bereits heute eine Veränderung der entsprechenden Geste beobachtet werden. Ältere Generationen halten mit ihren Händen einen unsichtbaren Fotoapparat vor sich und betätigen mit dem Zeigefinger den Auslöser. Jüngere Generationen verbinden das Fotografieren mit einem Smartphone und nutzen dementsprechend eher eine andere Geste in einer anderen Körperhöhe.

Sind regionale Unterschiede in der Bedeutung von Gesten bekannt? 
Gesten sind selten universal. Häufig gibt es interkulturelle Unterschiede: Nehmen wir zum Beispiel die Victory-Geste, die Geste für Sieg, bei der Zeige- und Mittelfinger ein V nachahmen. Ändere ich die Orientierung der Handfläche und drehe den Handrücken nach außen, dann kann ich mit dieser Geste in Chemnitz zwei Getränke bestellen, während man in England und Australien eine Beleidigung ausdrückt. 

Obwohl es viel um Sprachtheorie und Forschung geht, ist die Ausstellung im Industriemuseum zu sehen? Passt das?
Der Abstraktionsweg von der Handlung zur Geste interessiert uns sehr. Die historischen Ausstellungsstücke, die im Industriemuseum zu sehen sind, machen plastisch nachvollziehbar, wie sich die Rolle der Hand zum Beispiel in der Geschichte von Produktionsprozessen des Hämmerns, Spinnens oder Töpferns verändert. Und viele Exponate aus dieser Entwicklungsgeschichte erschließen sich nicht allein vom Anschauen, sondern nur, wenn man auch weiß, wie man mit ihnen umgeht und sie bedient. Solches Handhabungswissen ist zentral und droht zunehmend verloren zu gehen. Im Unterschied dazu haben wir es bereits jetzt – und zukünftig verstärkt – mit Gegenständen zu tun, die wir berührungslos, ohne haptisches Feedback, mit unseren Händen steuern. In solchen Handhabungsprozessen ändert sich die Rolle der Hand gerade grundlegend. Im Industriemuseum ist also nicht nur vergangene, sondern auch zukünftige Industriekultur zu sehen. Das Heute ist ja bereits die Vergangenheit von morgen.

Chemnitz bewirbt sich als Europäische Kulturhauptstadt 2025? Was wünschen Sie sich für die Stadt bis dahin? 
Unsere Ausstellung ist ein schöner Auftakt zur Kulturhauptstadtbewerbung und ein gutes Beispiel dafür, wie die TU Chemnitz gemeinsam mit dem Industriemuseum in die Stadt hineinwirkt und umgekehrt. Die Chemnitzer Besucher können anhand der interaktiven Exponate selbst erleben, welches Innovationspotential in der Verbindung von Wissenschaft, Kunst und Technologie liegen kann. Nach meinem Eindruck wird diese besondere Verschränkung in Chemnitz bisher noch unterschätzt. Ich wünsche mir sehr, dass wir mit unserer Ausstellung etwas bewegen können und auch die Bewerbung zur Kulturhauptstadt daraus Ideen schöpfen kann.


Wie kam es zu der Idee für die Ausstellung? 
Prof. Dr. Ellen Fricke: Da ich schon immer von der Idee begeistert war, Wissenschaft, Technologie und Kunst zusammenzubringen und so in die Region hineinzuwirken, bot sich zum Zeitpunkt meiner Berufung an die TU Chemnitz eine vom Bundesforschungsministerium aufgelegte Förderlinie „Die Sprache der Objekte“ dafür an. Die Ausstellung ist Teil des Forschungsprojekts „Hands and Objects in Language, Culture and Technology“ – kurz MANUACT – in dem mein Team und ich mit Arbeitswissenschaftlern der TU Chemnitz und dem Sächsischen Industriemuseum Chemnitz kooperieren. Gemeinsam haben wir mit dem Ars Electronica Futurelab im österreichischen Linz das gesamte Thema für eine Ausstellung aufbereitet. 

Was können die Besucher aus der Ausstellung mitnehmen? 
Eine zentrale Frage der Ausstellung ist: Wie gestaltet sich das Zusammenspiel von Traditionen des Objektgebrauchs, deren Verkörperung in kommunikativen Handbewegungen und der berührungslosen Gestensteuerung von Alltagsdingen? Wir wollen eine Brücke zwischen Artefakten der Vergangenheit und moderner Gestennutzung schlagen. Die interaktiven Exponate, die wir gemeinsam mit dem Futurelab entwickelt haben, wie zum Beispiel die „Virtuelle Töpferscheibe“, machen dieses komplexe Zusammenspiel für die Besucher am eigenen Leib erfahrbar. Wenn wir auf der Grundlage dieser Erfahrungen einen Prozess der Reflexion, des Innehaltens und des Nachdenkens über unsere Zukunft, einschließlich der Zukunft der Arbeit, in Gang setzen können, dann wäre eines unserer Ziele erreicht.

Auf welche Art bringen Sie die Forschung in der Ausstellung mit ein? 
Ein zentraler Grundgedanke des Forschungsprojekts ist, dass es sinnvoll ist, für die Gestensteuerung bei den Gesten der zwischenmenschlichen Kommunikation anzusetzen, weil die Nutzer sie schon kennen und dann nicht für jedes Gerät und jede Bedienungsfunktion eine völlig neue Handbewegung lernen müssen. Wir haben beispielsweise mit dem Ars Electronica Futurelab ein interaktives Exponat entwickelt, bei dem die flache Hand gestisch zum Flugzeug wird und über einen virtuellen Globus, wie Google Earth, navigieren kann. Durch solche interaktiven Exponate wird unmittelbar erfahrbar, wie stark sich unser alltägliches Verhältnis zu den Dingen derzeit wandelt: von Gegenständen zum Anfassen wie einem traditionellen Schulglobus bis hin zur berührungslosen Gestensteuerung von Robotern. Wie ein solcher Wandel sich zukünftig wiederum auf die zwischenmenschliche Kommunikation auswirkt – das ist eine Frage, die mich als Sprachwissenschaftlerin und Gestenforscherin natürlich ganz besonders interessiert.

Sind Gesten zeitlos und universal verständlich? 
Wie alle Mittel der zwischenmenschlichen Kommunikation verändern sich natürlich auch Gesten im Laufe der Zeit. Viele stark konventionalisierte Gesten können schon in der Antike nachgewiesen werden – der sogenannte Stinkefinger beispielsweise. Wie die Telefongeste aber zeigt, können gerade handhabungsbasierte Gesten darüber hinaus auch eine Art Wissensspeicher darstellen, der vergangene Technologien und deren Handhabung ein Stück weit konserviert. Ob mit der zukünftigen Entwicklung der Kommunikationstechnologien diese Geste verschwindet oder von einer Handform ersetzt wird, die mehr einem Smartphone entspricht, kann heute natürlich noch nicht vorhergesagt werden.

Gibt es bei bestimmten Gesten Unterschiede zwischen den Generationen? 
Ich denke, der Umgang mit Smartphones kann Gesten verändern. Zukünftige Generationen nutzen vielleicht eine flache Hand als „Telefongeste“. Ein anderes Beispiel ist das Fotografieren: Hier kann bereits heute eine Veränderung der entsprechenden Geste beobachtet werden. Ältere Generationen halten mit ihren Händen einen unsichtbaren Fotoapparat vor sich und betätigen mit dem Zeigefinger den Auslöser. Jüngere Generationen verbinden das Fotografieren mit einem Smartphone und nutzen dementsprechend eher eine andere Geste in einer anderen Körperhöhe.

Sind regionale Unterschiede in der Bedeutung von Gesten bekannt? 
Gesten sind selten universal. Häufig gibt es interkulturelle Unterschiede: Nehmen wir zum Beispiel die Victory-Geste, die Geste für Sieg, bei der Zeige- und Mittelfinger ein V nachahmen. Ändere ich die Orientierung der Handfläche und drehe den Handrücken nach außen, dann kann ich mit dieser Geste in Chemnitz zwei Getränke bestellen, während man in England und Australien eine Beleidigung ausdrückt. 

Obwohl es viel um Sprachtheorie und Forschung geht, ist die Ausstellung im Industriemuseum zu sehen? Passt das?
Der Abstraktionsweg von der Handlung zur Geste interessiert uns sehr. Die historischen Ausstellungsstücke, die im Industriemuseum zu sehen sind, machen plastisch nachvollziehbar, wie sich die Rolle der Hand zum Beispiel in der Geschichte von Produktionsprozessen des Hämmerns, Spinnens oder Töpferns verändert. Und viele Exponate aus dieser Entwicklungsgeschichte erschließen sich nicht allein vom Anschauen, sondern nur, wenn man auch weiß, wie man mit ihnen umgeht und sie bedient. Solches Handhabungswissen ist zentral und droht zunehmend verloren zu gehen. Im Unterschied dazu haben wir es bereits jetzt – und zukünftig verstärkt – mit Gegenständen zu tun, die wir berührungslos, ohne haptisches Feedback, mit unseren Händen steuern. In solchen Handhabungsprozessen ändert sich die Rolle der Hand gerade grundlegend. Im Industriemuseum ist also nicht nur vergangene, sondern auch zukünftige Industriekultur zu sehen. Das Heute ist ja bereits die Vergangenheit von morgen.

Chemnitz bewirbt sich als Europäische Kulturhauptstadt 2025? Was wünschen Sie sich für die Stadt bis dahin? 
Unsere Ausstellung ist ein schöner Auftakt zur Kulturhauptstadtbewerbung und ein gutes Beispiel dafür, wie die TU Chemnitz gemeinsam mit dem Industriemuseum in die Stadt hineinwirkt und umgekehrt. Die Chemnitzer Besucher können anhand der interaktiven Exponate selbst erleben, welches Innovationspotential in der Verbindung von Wissenschaft, Kunst und Technologie liegen kann. Nach meinem Eindruck wird diese besondere Verschränkung in Chemnitz bisher noch unterschätzt. Ich wünsche mir sehr, dass wir mit unserer Ausstellung etwas bewegen können und auch die Bewerbung zur Kulturhauptstadt daraus Ideen schöpfen kann.

 

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