"Chapeau!" - Künstler ziehen den Hut

Teresa Stelzer

Macherin der Woche vom 25. Mai 2018

Melone, Fedora, Zauberhut, Dreispitz oder Sombrero: So unterschiedlich die Hutformen sind, so unterschiedlich ist auch die Bandbreite der Straßenkunst. Das ganze Spektrum der Straßenkunst wird an diesem Wochenende in Chemnitz präsentiert. Das erste Hutfestival findet statt und verwandelt die Innenstadt in eine große Open-Air-Bühne. Die Chemnitzerin Teresa Stelzer (31) ist nicht nur Teil des Organisationsteams, sondern mit ihrer Pantomime-Figur Fräulein panTo.c selbst in der Straßenkunstszene unterwegs. In unserem Macher-der-Woche-Interview stellt sie uns das neue Hutfestival vor und gibt in einen Einblick in die Kunst des öffentlichen Raumes.


Warum Hüte und nicht Hosen?
Teresa Stelzer:
Aus Sicht der Chemnitzer Veranstaltungszentren geht es um die Geste „Chapeau!“, wir wollen den Hut vor Chemnitz als Stadt ziehen, die ja dieses Jahr auch noch den 875. Geburtstag feiert. Noch deutlicher ist mir die Verbindung vom Straßenkünstler, der am Ende einer Darbietung sein Hutgeld von den Passanten einwirbt. Ob als Anerkennung oder Broterwerb, der Hut ist für Straßenkunst ein Erkennungsmerkmal und nebenbei ein Accessoire, mit dem sich unheimlich vielfältig spielen lässt.

Was erwartet die Besucher an dem Festival-Wochenende?
Es wird 13 Bühnenstandorte geben, eher Aktionsflächen, denn wir wollten bewusst auf große  Aufbauten verzichten und viele Künstler wünschen gar nicht viel Technik. Es gibt natürlich bestimmte Schwerpunkte. Wir haben die Bühnen nach Hüten benannt, zum Beispiel steht am Wall der Zauberhut, auf dem Stücke für Kinder laufen. Beim Cowboy-Hut (Zugang Rosenhof) können Besucher sich selbst im Zirkusmachen ausprobieren. Der Porkpie als Hutform steht für die Musikbühne am Jakobikirchplatz, Singer-Songwriter und Bands treten hier auf. Es findet viel parallel statt, daher werden die Künstler ihr Programm mehrmals über die Tage verteilt aufführen. So braucht kein Besucher zu fürchten, dass er etwas verpasst und kann auch entspannt durch die Innenstadt flanieren. Wir hoffen auf ein buntes Miteinander und Treiben.

Singer-Songwriter, Bands unplugged, Walk Acts, Stelzenläufer, Zauberer, Drehorgelspieler, Märchenerzähler, Feuerjonglage, Theaterstücke, Akrobatik, Clownerie: Das Hutfestival bietet eine breite Palette an Künsten, die vom 25. bis zum 27. Mai zwischen Rosenhof, Bürgerhaus am Wall und Galeria Kaufhof zum Staunen einladen. Auch für die kulinarische Vielfalt ist gesorgt, passenderweise mit Streetfood. Zudem wird das Hutfestival durch den Markt der schönen Dinge abgerundet. Kunsthandwerk und Design in Form von Kleidung, Keramik und Dekorationen werden ausgestellt. Um dem Namen des Festivals alle Ehre zu erweisen, wird es beim Designmarkt auch einen Hutmacherstand geben, um auf das selten gewordene Hutmacherhandwerk aufmerksam zu machen. Kunst, Essen und Design laden zum Flanieren durch die Chemnitzer Innenstadt ein. Ähnlich wie beim Parksommer wird das Hutfestival keinen Eintritt verlangen, sondern sich über einen freiwilligen finanziellen Obolus der Gäste und Sponsoren finanzieren. Ganz im Sinne des Festivals, werden Hüte bereit stehen, in die man etwas hineinwerfen kann. Als Dankeschön gibt es im Wert von 5 € Hutbänder oder für 2 € einen lustigen Button.

Soll das Hutfestival eine einmalige Geschichte oder etwas für länger sein?
Der Aufwand, den alle Beteiligten sich bisher gemacht haben, um die Festival-Strukturen zu schaffen, würde rechtfertigen, dass es weitergeführt wird. Und sollte es gut ankommen, warum nicht? Ich würde mir zumindest wünschen, dass es keine Eintagsfliege bleibt.
In den alten Bundesländern haben derlei Straßenfeste mehr Tradition. Ich würde mich freuen, wenn Chemnitz zwischen der Görlitzer ViaThea und Rudolstadt auch so einen bunten Punkt für die Region setzt. Aber ob es eine zweite Auflage gibt, wird natürlich erst entschieden, wenn man auf den Auftakt zurückschauen kann. Und da hoffe ich erstmal auf drei schöne Tage.

Ist alles, was künstlerisch auf der Straße stattfindet, Straßenkunst?
Das ist schwierig zu beantworten. Im Alltag liegen Straßenkunst und Überlebenskunst wohl häufiger nah beieinander als bei einem ausgewiesenen Festival. Wenn ich jetzt eher das Motiv nehme, sich oder etwas auszudrücken, fallen mir ein paar Merkmale ein, welche die Straße verlangt: Meist sind die Darbietungen aus technischer Sicht und was Requisiten anbelangt, eher klein gehalten, häufig geht es um nonverbale Aktionen. Mobil zu sein, ist von Vorteil, denn es hängt häufig davon ab, wo man sich wie lange aufhalten darf. Nicht jede Stadt ist da gleich tolerant. Vieles passiert in der Straßenkunst zufällig. Du weißt nie, wer an dir vorbeiläuft, ob jemand stehen bleibt und wenn ja, wer es ist und wie es ankommt. Spannend finde ich dieses „Traubenprinzip“, plötzlich bildet sich ein großes Publikum, nur weil Leute stehen bleiben, weil andere stehen geblieben sind. Auf der Straße lässt sich gut testen, ob eine Show oder eine Idee ankommt und was man noch ändern kann, weil das Publikum sofort entscheidet und nicht an einen Ort gebunden ist, wie z.B. in einem Theater. Straßenkunst ist daher pur oder sehr direkt.

Du sprichst aus eigener Erfahrung, denn du bist Pantomimin. Wie bist du dazu gekommen?
Ich habe als Jugendliche in einem Chor mitgemacht, bei dem es neben dem Gesang noch weitere Aktivitäten wie Tanz, Theater etc. gab. Und im Bereich Pantomime haben sie noch Mitstreiter gesucht. Es folgten viele Workshops und ich habe dann versucht in Chemnitz  eigene Gruppen aufzubauen. Eine trug den Namen panTo.c. Als sich auch diese auflöste, habe ich solo weitergemacht und den Namen übernommen. Nun begleitet mich seit 2007 die Figur Fräulein panTo.c. Mit ihr mache ich am liebsten Walkacts, bei denen ich die Leute direkt anspiele und sie auffordere in Interaktion mit mir zu treten.

Trittst du selber beim Hutfestival auf?
Nein, ich habe mich zwar letzten Sommer wegen eines Auftritts beim Hutfestival gemeldet. Dann wurde aber klar, dass sie noch jemandem für die Organisation suchen. Und ich dachte mir, warum nicht einmal die andere Seite erkunden? Außerdem war die Straßenkunst noch Neuland für die Veranstalter – so kam es, dass ich in die Organisation gerutscht und nun mit für die Betreuung der Künstler zuständig bin. 

Chemnitz bewirbt sich als Europäische Kulturhauptstadt 2025. Was wünschst du dir bis dahin für die Stadt?
Ich finde die Bewerbung irgendwie witzig. Wenn es tatsächlich klappen sollte, hätte das für mich schon fast etwas Surreales. Ich bin jetzt nicht so die Lokalpatriotin, aber Chemnitz hat mich sicher geprägt, vor allem, wenn es darum geht aus wenig selbst etwas zu machen, eine Art Zwang zur Initiative.
Ich würde der Stadt mehr entspannte Unübersichtlichkeit wünschen. Ich kann jetzt nur für die kulturelle Szene sprechen, die im Vergleich zu anderen Städten nicht riesig ist. Da kommt es mir ab und an so vor, dass sobald irgendjemand eine kleine Idee hat, alle sofort darauf gucken und eine gewisse Erwartungshaltung entsteht. Mehr parallel, weniger Bedeutungsaufladung, so ein kreatives undurchsichtiges Meer, und nachhaltig, das fände ich schön. Vielleicht ist die Bewerbungsphase zur Kulturhauptstadt ja das eigentliche Ziel. An einigen Stellen passiert ja auch schon anhaltender etwas. Und ich weiß von einigen, die kürzlich zurück nach Chemnitz gezogen sind, dass sich das wohl ganz gut anfühlen muss, weil sich schon einiges getan hat.

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