Ein Bier erobert Chemnitz

Nicolle & René Schwabe

Macher der Woche vom 3. August 2018

Müsste man auf die Bierhauptstadt Deutschlands tippen, wären, so die weitläufige Meinung, Städte im Süden der Republik bzw. in Bayern die Favoriten. Doch weit gefehlt: die Hauptstadt des Bieres liegt in Ostdeutschland. Genauer gesagt in Chemnitz. Hier wird so viel Bier getrunken wie nirgends sonst in der Republik: rund 132 Liter pro Person und Jahr. Vor allem der einheimische Gerstensaft ist wieder mehr gefragt. Der jüngste Neuzugang in der Chemnitzer Biertradition ist das MARX Bier. Seit Anfang März erobert das Pils erfolgreich unsere Stadt. Mit so einem schnellen Erfolg hat die „Erfinderin“ Nicolle Schwabe und ihr Ehemann René Schwabe nicht gerechnet, wie beide im Macher-der-Woche-Interview verraten.


Seid ihr selbst von diesem Erfolg des Marx-Bieres überrascht?
René Schwabe:
 Wir sind schon überrascht.
Nicolle Schwabe: Wir hatten gehofft, dass es klappt. Dass es aber nach so kurzer Zeit schon funktioniert, damit haben wir nicht gerechnet. Die Leute nehmen es an und wissen, was damit bezweckt wird.

Und was bezweckt ihr mit dem Bier?
Nicolle:
 Wir wollten den Chemnitzerinnen und Chemnitzern ein einheimisches Bier anbieten, dessen Wertschöpfungskette fast ausschließlich aus der Region stattfindet. Getreu dem Motto: „Bier braucht Heimat“!

Was wollt ihr mit eurem Produkt noch erreichen?
René: Territorial wollen wir die Marke bzw. das Einheimische Bier für den Chemnitzer sein. Derzeit liegt der Fokus auf der Stadt, sowie dem Chemnitzer Speckgürtel.

Habt ihr auch Anfragen aus anderen Städten?
Nicolle: Aus Richtung Küste sind Anfragen gekommen, die gern unser Bier beziehen wollten. Auch aus Richtung Berlin und Trier hatten wir schon Anfragen.
René: …und aus Leipzig.

In Chemnitz hat das Brauwesen, wie kaum in einer anderen sächsischen Stadt, über die Jahrhunderte einen hohen Stellenwert eingenommen. Mit seinen ehemals drei, nun noch zwei aktiven Brauereien – Reichenbrand und Einsiedel – und einige Gasthausbrauereien wird auf Lokalpatriotismus gesetzt. Und das scheint, den Chemnitzerinnen und Chemnitzern, zu schmecken.

Wie erklärt ihr euch das Phänomen, dass Einheimisches verstärkt den Markt beherrscht?
René: In Bayern gibt es 350 Privatbrauereien. Jedes Dorf hat seine eigene Brauerei. Die Leute trinken das Bier vor Ort, egal ob es im Laden irgendwelches Angebotsbier gibt. Bei uns ist das nach der Wende ein bisschen verloren gegangen. Man hat nationale Marken getrunken. Dem Altbundesbürger ist das vollkommen egal, der trinkt seine Biermarke.
Inzwischen denken wir auch hier wieder einheimischer. Der Biertrinker überlegt sich schon, wo kommt das Bier her. Dieser Stolz bzw. diese Heimatverbundenheit, die merkt man. Und daran wollen wir mit dem MARX Bier anknüpfen.
Die Menschen leben wieder bewusster. Sie achten darauf, was sie essen und trinken. Es soll nicht mehr nur billig sein, sondern sie wollen wissen, woher es kommt. Und ob hinter dem Produkt ein großer Konzern steht, der nichts mit der Heimat zu tun hat. Die Leute interessiert schon, wird das hierhergestellt, hängen Arbeitsplätze dran, steht eine gewisse Kultur dahinter.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, ein eigenes Bier zu brauen?
Nicolle:
 Die Lücke, die die Marke Braustolz mit dem Weggang aus Chemnitz hinterlassen hat, wollten und wollen wir gerne füllen. Als die Brauerei öffentlich bekannt gegeben hat, dass sie das Gelände Am Feldschlößchen verlässt und somit vor Ort kein Bier mehr braut, haben Konsumenten und Gastronomen gesagt, sie wollen Braustolz nicht mehr trinken bzw. in ihrer Einrichtung führen, da es kein lokales Bier mehr ist. Das war der Punkt, an dem man sich fragte, würde ein eigenes Bier auf dem Markt funktionieren? So ging diese ganze Geschichte los. Das ist jetzt ungefähr ein Jahr her.
René: Und so wurde eine neue, unbefleckte Marke für die Region auf den Markt gebracht, die die Tradition der Bierbrauerei in Chemnitz erhalten soll.

Es wurde auf das richtige Pferd bzw. in diesem Fall auf ein schmackhaftes Bier gesetzt. Inzwischen liegt der Verkauf ca. 30 Prozent über dem geplanten. Zahlreiche Getränkemärkte, Supermärkte, Getränkehändler und Gastronomen haben das Bier in ihr Sortiment aufgenommen. Die Nachfrage steigt. Die MARX Chemnitzer Bier GmbH, mit seiner Geschäftsführerin Nicolle Schwabe, hat ihr Domizil auf der Waldenburger Straße 63a in Chemnitz gefunden. Hier im alten Gerätewerk Karl-Marx-Stadt werden Bestellungen entgegengenommen, das Bier händisch in die MARX Städter Holzkisten umgepackt und Auslieferungen vorgenommen.

Wo wird das Marx-Bier gebraut? Sie haben augenscheinlich hier keine Brauerei?
René:
 Gebraut wird in Einsiedel.

Ist Chemnitz eine Bierstadt?
Beide im Chor: Ja!

Wie seid ihr auf den Namen MARX Bier gekommen?
Nicolle: Man soll auf den ersten Blick erkennen, wo das Bier herkommt. „MARX  Städter“ ist ortsbezogen und spricht jeden an. Alle, die vor 1990 geboren sind, verbinden es mit der Stadt Karl-Marx-Stadt. Die ganz alten Hasen verbinden es mit Karl Marx und die jungen sagen einfach MARX – ein junges Bier, das aus Chemnitz kommt. Jeder hat die Möglichkeit, für sich zu entdecken, wer oder was für ihn MARX ist und in welcher Richtung er es für sich auslegen möchte.

Wie viel Chemnitz steckt eigentlich in eurem Bier?
René: Eigentlich alles.

Ihr bezieht alles aus der Stadt?
René: Fast. In Chemnitz wird (noch) kein Hopfen angebaut. Aber ganz wichtig: Die Hauptzutat kommt aus der Stadt! Ca. 93 Prozent an einem Bier ist Wasser. Und jeder weiß, dass wir in Chemnitz verdammt gutes Wasser haben.
Nicolle: Es ist sicherlich nicht möglich, alles komplett aus Chemnitz zu beziehen. Aber wir versuchen schon, alles was geht, regional abzudecken. Unsere Holzkisten lassen wir seit Beginn an von der Chemnitzer Lebenshilfe e.V. fertigen. Inzwischen brauchen wir jedoch so viele Kisten, dass wir zwei weitere soziale Projekte mit der Herstellung beauftragt haben.

Wie schmeckt denn nun ein typisches Chemnitzer MARX Bier?
Renè: Lecker! Es soll massenkompatibel sein und möglichst viele Leuten ansprechen.
Nicolle: Genau, nicht zu herb, aber auch nicht zu leicht. Das faszinierende ist, wenn du mit Leuten sprichst, gibt es dazu sehr breit gefächerte Meinungen. Der eine sagt, es ist mir fast zu herb, viele sagen es ist perfekt, für den nächsten könnte es ruhig etwas herber sein. Es kommen auch Frauen oder Nicht-Bier-Trinker zu uns, die meinen, das Bier ist schön leicht. Das kann ich trinken, das schmeckt, obwohl es Bier ist.Wir wollten ein Qualitätsbier. Die Leute sollen keine Kopfschmerzen bekommen. Wir haben drei Hopfensorten im Bier, die unterschiedlich wahrgenommen werden. Alle fangen bei null an. Es gibt keine vorgefertigte Meinung über das Bier.

Wie lange habt ihr dafür getestet?
Nicolle:
 Zirka ein halbes Jahr lang wurde mit Braumeistern, Biersommeliers und Biertrinkern getestet um das Rezept so hinzubekommen.

Bier ist ja auch ein Kulturgut – wir wollen in sieben Jahren Kulturhauptstadt werden. Wie kann das MARX Bier dazu beitragen?
René:
In meinen Augen ist das ein wichtiger Faktor. Wenn man so eine große Stadt ist, braucht man eine Biervielfalt und ortsansässige Marken. Von der Seite sind wir ein gutes Puzzleteil.

Was wünscht ihr euch für Chemnitz, für die Stadt in den nächsten sieben Jahren noch?
René: Ich wünsche mir, dass mehr Leute in die Stadt kommen, dass wir breiter aufgestellt sind und dass die Leute die Stadt positiver wahrnehmen. Wir sind eine sehr kritische Stadt, auch mit uns selbst und müssen positiver gucken. Die Chemnitzerinnen und Chemnitzer lieben ihre Stadt, tragen das aber nur ungern nach außen. Das ist die Chemnitzer Bescheidenheit. Wir quatschen nicht, sondern machen!!!
Nicolle: Wenn die Leute weiterhin regional denken bzw. es sogar verstärken, wäre das schön. Damit unterstützen sie ihre Region. Das Bewusstsein, regional zu denken, ist in den letzten Jahren ein guter Ansatz gewesen, der erhalten bleiben soll. Es gibt viele positive Dinge bzw. Veranstaltungen, die sich in den vergangenen Monaten und Jahren in Chemnitzer etabliert haben und auf die man stolz sein kann. Beispielsweise das Hut-Festival, der Chemnitzer Brauereimarkt oder das Kosmonaut Festival. Das fördert die Lebensqualität aller Altersschichten, daran muss man festhalten und genauso weitermachen.

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