Auf der Suche nach dem perfekten Motiv

Philipp Gladsome

Macher der Woche vom 21. Dezember 2018

Philipp Gladsome hat es geschafft, wovon andere träumen. Der Chemnitzer kommt den Stars der deutschen Musikszene ganz nah: im Tourbus, zwischen den Auftritten, auf der Bühne oder in den wenigen privaten Momenten eines Rockstarlebens. Der 29-Jährige ist immer mittendrin und hat das Gespür für diesen einen Moment, den er dann für die Ewigkeit festhält. Philipp Gladsome ist Fotograf und hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der meist gefragtesten in der deutschen Musikszene etabliert – ohne es wirklich gewollt zu haben.

Philipp Gladsome


Lassen sich eigentlich Fotografen von anderen Fotografen nur ungern fotografieren?
Philipp Gladsome:
Nein, damit habe ich keine Probleme. Ich finde es immer ganz interessant, wenn man sieht, wie andere Fotografen arbeiten. Das Problem ist nur, man muss sich sehr zurückhalten, nicht sowas zu sagen wie: Soll ich mich mal hier hin stellen oder hier ist das Licht gerade besser. (lacht)

Bevorzugt man als Fotograf, in der Ebene auf der du dich inzwischen befindest, den Begriff Fotograf oder eher Künstler.
Bitte Fotograf! Ich hab auch ganz lange gebraucht, bis ich mich selbst als Fotograf bezeichnet habe. Einfach, weil ich nie eine Ausbildung in diesem Bereich gemacht habe. Ich guck halt durch, drück auf den Knopf und das wars. Irgendwie sieht das, was raus kommt, ganz in Ordnung aus.

Wie erklärst du dir deinen Erfolg in den vergangenen Jahren?
Erfolg ist in meinem Falle weniger, weil ich ein unfassbar guter Fotograf bin, sondern vielmehr weil ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Es war mehr Glück als Verstand. Es gibt garantiert viel mehr Fotografen, die besser sind als ich. Die haben einfach nicht das Glück gehabt, zu dem Zeitpunkt dort zu sein und sich mit gewissen Leuten gut zu verstehen.

Durch häufige Beiträge beispielsweise in den Social-Media-Kanälen hat man mittlerweile das Gefühl, dass auch Fotografen ebenfalls ein gewisses Popstar-Image pflegen. Wenn man sich den deutschen Fotografen Paul Ripke zum Beispiel anschaut. Neben Musikgrößen sieht man ihn auch bei den Feierlichkeiten der Deutschen Fußballnationalmannschaft. Wie schätzt du den Hype ein?
Paul Ripke ist ziemlich gut darin, sich selbst zu vermarkten. Also, der hat es geschafft, aus einem Fotografen eine Marke zu machen. Das gelingt relativ wenigen Fotografen. Ich glaube, das ist auch das Problem vieler Fotografen, dass sie sich eher zurückhalten. Bei mir ist das eher so ein Zwischending. Ich würde jetzt nicht sagen, dass ich total schüchtern und verklemmt bin, aber auch nicht der, der immer komplett nach vorn geht.

Woher kommt denn das gesteigerte Interesse der Bevölkerung an Fotografen. Ist das mit dem Social-Media-Aspekt zu erklären, dass man sozusagen alles verfolgen kann?
Ja, ich glaube schon. Früher war es das Foto, das in der Zeitung gedruckt wurde oder als Poster an der Wand hing. Man hat nie die Entstehung gesehen, wie es gemacht wurde oder wer die Person ist, die hinter der Kamera steht. Heutzutage ist man viel näher an den Personen dran als vielleicht noch vor zehn Jahren.

Es fällt auf, dass du sehr nah an den Künstlern dran bist. Nicht im Fotografengraben vor der Bühne, sondern direkt mit darauf.
Ja, ich glaub, nur dadurch kann ich die Fotos machen, die ich mache und die sich dann auch von dem unterscheiden, was andere Pressefotografen in den ersten drei Songs im Graben machen. Schon allein durch die Perspektive ist es ein ganz anderer Einblick. Wenn man so hinter einem Künstler steht, die große Halle vor einem, dann ist das einfach ein viel beeindruckenderes Bild, als wenn ich von schräg unten die Nasenlöcher fotografiere.

Deine Bilder bestechen durch die Perspektive und ohne viel Schnickschnack. Ist die Zeit der übertriebenen Effekte vorbei?
Ja, das würde ich schon sagen. Dadurch, dass die Leute auf Social-Media-Plattformen ehrliche Fotos und nahe Bilder haben wollen, sind totbearbeitete Bilder mit zehntausend Lichtquellen langweilig. Diese Nähe ist noch einmal interessanter – gerade was Künstler betrifft.

Rückblickend betrachtet entwickelte sich Gladsomes Passion fürs Fotografieren bereits in der Kindheit. „Meine Eltern haben mir einfach eine Kamera in die Hand gedrückt, da war ich neun Jahre alt.“ Es wurde schnell wieder uninteressant, bis sein Vater ihm mit 14 Jahren eine analoge Spiegelreflexkamera erklärte. Erneut vergingen sechs Jahre. „Mir ist wieder eingefallen, dass ich so eine Kamera in der Hand hatte und es ganz interessant war. Dann hab ich bei ebay geguckt, für 25 Euro eine gekauft und bin losgezogen, Freunde zu fotografieren.“ Seine Bilder gefallen und so wird er von Chemnitzer Stadtmagazinen, befreundeten Künstlern und DJs engagiert. Philipp Gladsome beschreibt es bescheiden als „glücklichen Umstand, dem er es zu verdanken hat“, dass er inzwischen K.I.Z., Silbermond, Marteria oder Matthias Schweighöfer vor der Linse hat.
Das hat durch Kraftklub angefangen. Das waren diejenigen, die mich mit auf Tour genommen haben. Ich hatte das Glück, sie zu begleiten, als sie gerade groß wurden. Wenn man als Referenz Kraftklub vorweisen kann, dann ist das schon enorm viel, dafür dass man eigentlich nur jemand war, der in Chemnitz ein bisschen rumfotografiert hat. Dadurch wurden dann andere Künstler auf mich aufmerksam. Die meinten dann, die Kraftklub-Jungs sind coole Typen, die nehmen bestimmt auch nur einen coolen Typen mit. Komm doch einfach mal bei mir mit. Dann kamen zuerst MC Fitti, Robin Schulz, Silbermond und K.I.Z. Dann wurden es immer mehr."


Hast du immer eine Kamera dabei?
Jetzt gerade nicht, aber sonst eigentlich auch, wenn ich normal in der Stadt unterwegs bin. Meist nur eine kleine analoge, die für bestimmte Momente reichen muss. Aber wenn ich auf Reisen bin, natürlich mit mindestens fünf Kameras.

Ist das eigentlich mittlerweile dein Traumberuf?
Es war nie mein Traumberuf. Ich hab einfach fotografiert und nie daran gedacht, dass das jetzt mein Job werden könnte. Es hat sich so ergeben. Irgendwann kam ich an den Punkt, an dem ich dachte, ok, ich verdiene gerade mein ganzes Geld nur mit Fotografie. Anscheinend bin ich Fotograf. Es war also keine bewusste Entscheidung, das hat sich mehr oder weniger so ergeben.

Wie läuft eigentlich dein Vorhaben, eine eigene Ausstellung zu organisieren?
Ich hatte schon einmal eine auf dem Brühl – mit drei Freunden. Das ist aber schon wieder fünf Jahre her. Es wird also Zeit für eine zweite. Doch meine Ansprüche sind gestiegen. Damals hab ich nur Bilder ausgestellt, die ich schön fand. Das reicht mir nicht mehr. Mittlerweile braucht es einen roten Faden, der sich durchzieht oder ein Motto oder irgendwas. Einfach nur Bilder hinhängen, find ich langweilig. Solange mir da kein gutes Thema einfällt oder irgendwas anderes, mache ich das nicht.

Mehr als 250 Tage im Jahr ist Philipp Gladsome unterwegs. Unter anderem fotografiert er für einen großen Autohersteller den Direktor des „Museum of Modern Art“ in New York, begleitet den weltbekannten Starpianisten Lang Lang zu den olympischen Spielen nach Brasilien, reist mit dem bekannten DJ und Produzenten Robin Schulz via Privatjet zu einem Auftritt nach Ibiza, dreht mit einer aufstrebenden Nachwuchsband ein Musikvideo in Los Angeles oder ist für einen namhaften Elektronikriesen in Hongkong unterwegs. Und trotzdem kehrt er immer wieder nach Chemnitz, nach Hause zurück.

Du bist in der Welt unterwegs, in Chemnitz zu Hause, warum ist die Stadt für dich so ein guter Rückzugsort?
Ich habe hier meine Familie, meinen Freundeskreis und es ist immer das Gefühl von Nach-Hause-kommen, wenn ich in Chemnitz bin. Außerdem kennt man hier überall Leute und es ist nicht so anonym. Ich hab während meiner Ausbildung zum Sozialassistenten in Berlin gewohnt. Da war es so, dass ich jeden Abend, den ich zu Hause geblieben bin, das Gefühl hatte, etwas zu verpassen. Jeden Tag ist irgendwo eine Party, ein Konzert oder irgendwas anderes. Das hat man in Chemnitz nicht – das ist aber gut. Ich kann abends zu Hause bleiben, kann entspannen und zur Ruhe kommen. Ein weiterer Grund dafür, dass Chemnitz mein Hauptwohnsitz ist, ist, dass die Mieten so günstig sind und ich mittlerweile so viel Zeug habe, Kameratechnik, Klamotten, keine Ahnung was alles, dass ich eine große Wohnung brauche.

Wenn du etwas in Chemnitz fotografieren solltest, was wäre das?
Ich muss sagen, ich fotografiere sehr gern Leute im Zeisigwald. Auf dem Fuchsberg oben, das ist immer mein absoluter Ruhepol. Also wenn ich jemandem Chemnitz zeigen müsste, dann wäre das der Ort, an den ich wohl zuerst gehen würde.

Inspiriert dich Chemnitz in irgendeiner Weise? Also deine Bescheidenheit ist während des Gesprächs aufgefallen. Ist das auch eine Chemnitzer Tugend?
Ja, ich denke schon. Dadurch, dass ich hier mit Familie und Freunden einen Ruhepol habe, bin ich auch geerdet. Das hilft, im Kopf nicht abzuheben.

Chemnitz will in sieben Jahren Kulturhauptstadt werden. Was wünschst du dir bis dahin für die Stadt?
Mehr solche Aktionen wie KRACH. Es ist mir schon immer aufgefallen, dass Chemnitz für seine Größe eine unfassbar große kreative Szene hat. Es gibt viele Bands und Künstler, die ein stückweit unterstützt werden. Weil sie die Zukunft der Stadt sind und die Stadt auch ausmachen. Wenn man die verliert, dann hat man nicht mehr viel. Das sind die Leute, die die Partys machen und sich um das kümmern, was wiederum andere Leute in der Stadt hält.

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