Spielen(d) lernen

Renate Wendt

Macherin der Woche vom 3. Mai 2019

Zwei kleine schwarze-weiße Würfel als Stecker im Ohr und ein Würfelarmband am Handgelenk: mit diesen kleinen Details verrät Renate Wendt ihre Leidenschaft: Die 71-jährige ist seit vielen Jahren im Deutschen Spielemuseum ehrenamtlich tätig. Ob Spiele sortieren, Veranstaltungen vorbereiten, Führungen geben oder neue Spielregeln lernen: Seit 15 Jahren ist die gebürtige Stendalerin eine heimliche Ikone im Spielemuseum. Was als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme begann, ist nun ihr zweites Zuhause geworden.


Wie sind sie zum Spielemuseum gekommen?
Renate Wendt:
Das war tatsächlich ein großer Zufall. 2004 erhielt ich vom Arbeitsamt den Vorschlag, im Spielemuseum zu arbeiten. Ich kam beruflich aus einer ganz anderen Ecke. Als ich dann hier anfing, habe ich schnell festgestellt, dass das die beste Einrichtung für Kinder in Chemnitz ist und bin bis heute geblieben.

Was macht das Museum so besonders für Sie?
Das Herzstück des Museums, der Spieleraum. Dass die Kinder zusammen sitzen und spielen, ist sehr wertvoll. Viele Kinder haben das richtige Spielen mit Brett-, Karten- und Bauspielen verlernt, weil sie die meiste Zeit vor dem Computer hocken. Wir haben hier zwar auch einige Spielekonsolen, aber vor allem in den Ferien versuchen wir, den Raum geschlossen zu halten. Die strahlenden Kinderaugen, wenn sie spielen und nicht mehr gehen wollen, das ist es, was mich die ganze Zeit begeistert.
Durch das Spielen kommuniziert man miteinander. Am Wochenende sind viele Familien da, die von 13 bis 19 Uhr einfach nur zusammen sind und spielen. Das geht manchmal im Alltag zu Hause verloren, weil man sich nicht die Zeit füreinander nehmen kann. Außerdem lernt man auch das Verlieren. Viele Kinder können nicht verlieren, schmeißen einfach das Spielfeld um. Aber sich der Situation zu stellen, ist ein wichtiger Lernprozess.

Inwieweit hat sich das Spielen durch die Digitalisierung verändert?
Natürlich wachsen die Kinder und Jugendlichen heutzutage mit Handys und Computern auf. Aber wenn wir zum Beispiel eine Schulklasse hier haben, ist unsere Regel, dass die Handys in den Taschen bleiben. Dabei unterstützen uns auch die Lehrer. Dann sind die Kinder tatsächlich erst einmal etwas verwundert und überlegen, was sie jetzt machen sollen. Wenn sie sich aber orientiert haben und ins Spiel reingekommen sind, kann man sehr gut beobachten, wie sie darin aufgehen und am Ende gar nicht mehr weg wollen. Sie haben Spaß daran. Allerdings ist das Spielinteresse auch immer sehr vom Umfeld abhängig. Wenn die Eltern zu Hause nicht spielen, hat das Kind meist auch keinen Zugang dazu.

Wie kann man dann den Teufelskreis aufbrechen?
Wir bieten im Haus auch Schulungen für Heimerzieher, Lehrer oder Logopäden an. Ich gebe Führungen und erzähle den Leuten etwas zu der Entstehung und den Hintergründen des Spielens. Wir haben auch Freiwillige bei uns und hoffen, dass sie viel lernen, mitnehmen und weitergeben. Und so versucht man das natürlich auch nach außen zu tragen. Wir Erwachsene, ob Eltern oder Großeltern, sind dafür verantwortlich, dass das Spielen bleibt. Ich wünsche mir sehr, dass Spiele ein wichtiger Teil der Kindheit sind. Bei Kindergeburtstagen kommen Kindergruppen her und können sich beim Twister-Spielen austoben oder im Sommer draußen mit großen Schachfiguren spielen. Das ist einfach schön und sollte viel öfter genutzt werden.

Sie sind seit 15 Jahren hier. Was war Ihr persönliches Highlight in dieser Zeit?
Die Höhepunkte für mich sind die jährlichen Museumsnächte. Die verschiedenen Themen, die dort jedes Jahr bespielt werden, finde ich immer sehr spannend. Letztes Jahr stand das in Chemnitz erfundene Waschmittel FEWA mit der Werbeikone der FEWA Johanna im Mittelpunkt. Da konnten die Kinder, wie zu Omas Zeiten, in einem Bottich Wäsche waschen. Dieses Jahr steht bei der Museumsnacht das einhundertjährige Bauhaus-Jubiläum im Mittelpunkt.

Wie greift das Spielemuseum das Jubiläum auf? Gibt es ein typisches Bauhaus-Spiel?
Zur Museumsnacht wird es die Anker-Bausteine zum Ausprobieren geben. Das ist ein Spielzeughersteller, der seit mehr als 135 Jahren die Anker-Bausteine herstellt und aus Rudolstadt in die ganze Welt exportiert. Für das Jubiläum gibt es eine Sonderedition, das Musterhaus am Horn als Anker - Baukasten zum Selberbauen.

Egal ob Kork, Lego oder Holz: Bausteine sind nach wie vor das beliebteste Spiel im Museum. Weiterhin können Besucher aus über 2500 Spielen aus den Kategorien Karten, Quiz, Strategie oder preisgekrönten Spielen auswählen. Bei dieser Auswahl ist es nicht verwunderlich, dass das Deutsche Spielemuseum das Museum mit der längsten Verweildauer in der Stadt ist. Das Spielemuseum in Chemnitz ist daher in seiner Art einzigartig. Es ist das Einzige im gesamten Bundesgebiet mit so einer großen Auswahl an Spielen, die alle jederzeit ausprobiert werden können.

Was ist ihr Lieblingsspiel?
Ich bin nicht die leidenschaftlichste Spielerin. Wenn aber zum Beispiel die Spiele des Jahres erscheinen, dann kommen alle Mitarbeiter des Museums zusammen und probieren die Spiele aus, damit wir den Besuchern auch erklären können, wie die Spiele funktionieren. Dann kann ich den Besuchern auch Empfehlungen geben, ob es eher etwas für Kinder, Erwachsene oder Kenner ist. Jetzt habe ich zwei Enkel und mit denen spiele ich sehr gerne.

„Risiko“, „Mensch ärgere dich nicht“ oder „Die Siedler von Cartan“ sind seit Jahrzehnten bekannte und beliebte Spieleklassiker. Durch neue Auflagen mit veränderten Designs bringen die Spielehersteller immer wieder neue Editionen auf dem Markt, das Spieleprinzip bleibt aber gleich. Bekanntestes Beispiel: das „Mensch ärgere dich nicht“ der Wendezeit, der Mauerhüpfer. Dass der Klassiker unter den Brettspielen tatsächlich aus Indien stammt, ist eher weniger bekannt. Pachisi ist ein traditionelles indisches Spiel, dass im 19. Jahrhundert von den Engländern nach Europa gebracht wurde und seither fast in jedem Haushalt zu finden ist.

Apropos Europa: Chemnitz bewirbt sich als Europäische Kulturhauptstadt 2025. Was halten Sie von der Bewerbung?
Ich würde mir sehr wünschen, dass Chemnitz es schafft, Kulturhauptstadt zu werden. Einfach schon, um den schlechten Ruf, den wir im Moment haben, abzubauen. Als wir am Wochenende bei der Landesgartenschau in Frankenberg waren, haben wir vor Ort auch einen Pavillon von Chemnitz als Kulturhauptstadtbewerber gesehen. Solche Aktionen würde ich mir öfter wünschen: Stände auf dem Neumarkt oder der Klosterstraße, Events vor dem Kulturhauptstadtbüro im Rosenhof, denn er wirkt oft sehr leer. Das Ganze muss noch mehr hoch gepusht werden. Ich könnte mir eine Zusammenarbeit der einzelnen Museen zu dem Thema sehr gut vorstellen.

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