Der Stadtteil-Chronist

Eckart Roßberg

Macher der Woche vom 19. Juni 2020

Eckart Roßberg steht niemals still. Er ist auf dem Sonnenberg geboren und will auch niemals weg. Er arbeitet an der Stadtteilzeitung „Der Sonnenberger“ mit, ist Mitglied im Stadtteilrat, aber vor allem ist Eckart Roßberg als Mitglied der AG Sonnenberg Geschichte der Stadtteil-Chronist. Wie er 2008 zu dieser Aufgabe kam und was ihn antreibt, erzählt er beim Interview im Rüdiger-Alberti-Park an der Fürstenstraße/ Ecke Zietenstraße – im Herzen des Sonnenbergs.


Was verbinden Sie mit dem Alberti-Park?
Eckart Roßberg: Dieser Platz ist einerseits einer meiner Lieblingsplätze auf dem Sonnenberg und andererseits bedeutet er mir sehr viel, weil seine Namensgebung durch die AG Sonnenberg Geschichte entstanden ist. Als die Stadt 2016 plante, den Platz zu gestalten, sollte er Fürstenplatz genannt werden. Unser leider vor kurzem verstorbenes Ehrenmitglied der AG Sonnenberg Geschichte hatte aber die Idee, Pfarrer Alberti in das Gedächtnis der Stadt einzubringen, da der Platz unweit der Markuskirche liegt. Rüdiger Alberti war 1935 im KZ Sachsenburg inhaftiert und damals Pfarrer an der Markuskirche. Die Stadt hat dem Vorschlag zugestimmt und so haben wir den Park zu Rüdiger Albertis 120. Geburtstag am 13. Juli 2018 eingeweiht.

Sie sind Mitglied im Verein „AG Sonnenberg-Geschichte“ und erstellen jedes Jahr eine Chronik. Was bewegt Sie dazu?
Ich bin schon immer Sonnenberger, ich bin hier geboren und habe mich immer für Geschichte interessiert. Seit 2005 bin ich Rentner und hatte mehr Zeit, also habe ich mich der AG Sonnenberg Geschichte angeschlossen. Die AG hat zwei Bücher herausgebracht: 1997 „Leben auf dem Sonnenberg“ und 2008 „Die Sonne gab den Namen“. In beiden Büchern findet sich jeweils eine Chronik vom Sonnenberg über einen langen Zeitraum. Die bis zu zwölf Ereignisse pro Jahr waren mir allerdings zu wenig, weil in den Jahren danach so viel passiert ist und ich fand, das müsste man festhalten. Ich habe es dann übernommen, die Chronik weiterzuführen und habe jährlich eine erstellt.

Wie erstellen Sie die Chroniken?
Ich versuche, so weit wie möglich Veranstaltungen wie das Stadtteilfest oder den „Hang zur Kultur“ auf dem Sonnenberg selbst zu besuchen. Ich habe schon immer viel fotografiert und wollte in der Chronik jeweils einen Text und ein Foto zusammenbringen. Die ersten Jahre hat das auch genügt, aber die Chroniken wurden zunehmend umfangreicher, denn immer mehr Kultureinrichtungen fassten auf dem Sonnenberg Fuß. Es sind so viele neue Dinge entstanden: zum Beispiel die Kulturkneipen „Kaffesatz“ und „Lokomov“, das Theater „Komplex“ und die Galerie denkART. Es ist sehr viel geschehen. Außerdem bin ich immer über den Sonnenberg gelaufen und habe überall fotografiert, was abgerissen, saniert oder neu gebaut wurde. Ich habe versucht, alles festzuhalten. Das große Glück ist, dass das alles auch meine Frau interessiert, die ebenfalls auf dem Sonnenberg geboren wurde, und wir dadurch gemeinsam fast überall dabei sind.

Eckart Roßbergs zahlreiche Chroniken können auf http://www.ag-sonnenberg-geschichte-in-chemnitz.de und https://sonnenberg-chemnitz.de gelesen werden. Wer lieber bildschirmfrei liest, der kann sich die Chronik in gedruckter Form bei dem Chemnitzer selbst abholen. Er hat alle Chroniken zuhause auf Papier, um immer wieder blättern und nachlesen zu können, was auf dem Sonnenberg in den letzten Jahren Spannendes passiert ist.

Was fließt in die Chroniken ein?
Ich recherchiere in verschiedenen Zeitungen, welche Termine bevorstehen und was passiert ich, sammele es und trage alles zusammen. Auch alles, was ich selbst erlebe, fließt ein. Seit 15 Jahren bin ich nur noch mit dem Fotoapparat unterwegs und habe viele Baustellen verfolgt. Zum Beispiel den Umbau vom Dresdner Platz habe ich von A bis Z fotografisch dokumentiert und die letzte Montage der Träger sogar nach Mitternacht bei -5 Grad mit der Kamera gefilmt. Zum 25-jährigen Jubiläum der AG Sonnenberg Geschichte habe ich das auch im Off-Theater „Komplex“, das uns die Räume zur Verfügung stellte, vorgeführt. Auch den Stadionumbau habe ich von vorn bis hinten mitverfolgt und war bei jedem Stadionrundgang mit den Bauleuten dabei, sodass der Bauleiter beim vierten oder fünften Mal zu mir sagte: „Also du warst schon so oft dabei, eigentlich kannst du jetzt den Leuten alles erzählen.“ Aus den Umbauten vom Stadion und vom Dresdner Platz habe ich Vorträge erarbeitet, die ich zum Beispiel im Geschichtsverein gehalten habe. 2013 habe ich zum ersten Mal die Chronik in zwei Teilen erstellt. Der erste Teil mit Bildern und Text umfasst die wichtigsten Ereignisse und der zweite Teil steht unter dem Motto „Was sonst noch geschah“. Dort habe ich dann alles untergebracht, was auch an negativen Dingen geschah wie Einbrüche oder zerstochene Reifen oder andere kleinere Ereignisse. Natürlich kann es nie vollständig sein, aber dort liste ich die Sachen auf, die ich aus Zeitungen, aus dem Internet oder durch eigenes Erleben über den Sonnenberg so erfahren habe. Das sammele ich über ein Jahr und am Beginn des nächsten Jahres setze ich mich hin und fasse alles zusammen. Meist ist im März die Chronik des vorhergehenden Jahres fertig. Pro Jahr sind ca. 80 bis 100 Fotos in einer Chronik, dadurch habe ich ein riesiges Archiv zuhause und muss die schönsten Bilder aussuchen.

Sind noch mehr Menschen an der Chronik beteiligt?
Hellfried Malech, der Chef der Galerie denkART, fotografiert auch viel. Immer wenn irgendwo etwas fehlt, hilft er mir aus. Textlich mache ich aber alles selbst.

Seit diesem Jahr hat Eckart Roßberg noch eine weitere Aufgabe: Er arbeitet in der Redaktion der Stadtteilzeitung „Sonnenberger“ mit. Er verfasst einige Beiträge für die gedruckte Version und Webseite sonnenberg-chemnitz.de und stellt auch seine Fotos dafür zur Verfügung. Oftmals stehen seine Artikel auch in Zusammenhang mit der Geschichte des Sonnenbergs und er hat viel Freude daran. Aber damit nicht genug:

Sie sind zusätzlich auch Mitglied im Stadtteilrat. Was wollen Sie auf dem Sonnenberg bewegen?
Ich möchte bei Veranstaltungen und Beratungen wie zum Lessingplatz oder der Bazillenröhre dabei sein und meine Meinung einbringen. Außerdem möchte ich unseren Stadtteilmanager bei seiner schwierigen Arbeit mit meiner Erfahrung unterstützen. Es kommen zudem viele Projekte vom Sonnenberg, die von Bürgern oder Vereinen eingereicht werden. Der Stadtteilrat entscheidet, ob sie förderfähig sind oder nicht. Das ist nicht ganz leicht, aber auch da bringe ich mich gern ein.

Sie leben schon sehr lange auf dem Sonnenberg. Nun hat das Viertel eher einen schlechten Ruf. Warum ist das Ihrer Meinung nach so?
Ja, den schlechten Ruf hat er leider schon lange, das hängt noch mit der Industrialisierung zusammen. Nachdem Chemnitz 1852 eine Eisenbahnverbindung bekam, wurde auch der Sonnenberg von der Dresdner Straße aus über die Humboldthöhe bebaut. Damals enststanden viele Mietskasernen, in denen auf engstem Raum viele Menschen zusammenlebten. Und es gab an jeder Ecke eine Kneipe, aber wenig Kultur. Doch dieses Milieu, diese Wohnquartiere für das „Proletariat“, kann man mit dem heutigen Sonnenberg gar nicht mehr vergleichen. Man sollte nicht nur die Geschichte, sondern auch die Gegenwart sehen und sich anschauen, was hier enormes gewachsen und entstanden ist – baulich sowie kulturell. Deshalb tut es einem immer weh, wenn die Leute sagen: „Was?! Du wohnst auf dem Sonnenberg?!“ Ich freue mich hingegen über jeden, der sagt. „Ich komme zum Sonnenberg, hier kann ich mich entwickeln.“
Der Sonnenberg lebt, er wird immer bunter, liebens- und lebenswerter. Wir werden alles daran setzen, dass es weiter vorwärts geht, auch wenn es nicht immer leicht ist.

Das Besondere am Sonnenberg ist für Eckart Roßberg, dass er ihn immer wieder neu entdecken kann und er sich ständig weiterentwickelt. Allein der Alberti-Park, an dessen Stelle nur Plattenbauten standen und kaum etwas blühte, ist eine enorme Bereicherung für den Stadtteil, findet der Rentner. Deshalb steht für Eckart Roßberg fest: „Ich bin hier geboren und ich möchte nie hier weg.“

Was wünschen Sie sich für den Sonnenberg in der Zukunft?
Vor allem wünsche ich mir, dass die Sonnenberger aus den verschiedenen Kulturkreisen gut miteinander leben. Ich wünsche mir, dass diejenigen, die über den Sonnenberg reden, sich nicht alter Klischees bedienen, sondern sich sagen: „Ich gehe über den Sonnenberg, schaue mir alles an, spreche mit den Leuten und bilde mir danach ein Urteil.“ Außerdem wünsche ich mir, dass sich die kulturellen Angebote weiterentwickeln, dass man weiterhin Häuser saniert und der Sonnenberg noch schöner wird. Für die Macher vom Sonnenberg wünsche ich mir, dass sie so weitermachen wie bisher und sich nicht entmutigen lassen.

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