Passion für Automobile

Frieder Bach

Macher der Woche vom 14. Februar 2020

Wenn man sich mit Frieder Bach über die Geschichte der sächsischen Fahrzeugindustrie unterhält, ersetzt das den Heimatkundeunterricht. Der 76-Jährige ist ein wandelndes Lexikon, wenn es um die Wiege des deutschen Automobilbaus – Chemnitz – geht. Neben der Geschichte sammelte der gebürtige Chemnitzer Oldtimer. Als es immer mehr wurden, gründete er einen Verein und initiierte den Aufbau eines Museums – das Museum für sächsische Fahrzeuge Chemnitz e.V. an der Zwickauer Straße. Ein spannender Ort, nicht nur für Menschen mit Benzin im Blut.


Was fasziniert Sie an Oldtimern?
Frieder Bach:
(Lacht) Das schiebe ich immer auf meinen Großvater. Er hat 1907 mit der Autoschrauberei angefangen und in die Familie getragen. Von 1907 bis 1912 hat er bei Daimler in Berlin gelernt und ist danach zu Hansa-Loyd nach Oldenburg gegangen. Dort ist er bis zur Weltwirtschaftskrise geblieben. Angezogen von der Industrie, von der Arbeit, die es in Sachsen gab, hat er sich 1931 selbstständig gemacht. Außerdem ist er Rennen gefahren. Zum Beispiel hat er 1924 das größte Rennen in Deutschland gewonnen – die Reichsfahrt: von Eisennach bis nach Hannover über 1.200 Kilometer kreuz und quer durch Deutschland. Wenn es also meiner Frau mal zu viel wird, sage ich immer: „Ich bin erblich belastet. Ich kann nicht anders.“

Sie basteln auch selbst? Was ist Ihr aktuelles Projekt?
Das ist der letzte Sportwagen, den die Auto Union bauen wollte. Davon haben wir zufällig eine Zeichnung gefunden. Dieser Sportwagen sollte 1938 bei dem Rennen Berlin - Rom zum Einsatz kommen. Durch den Krieg hatte es dieses Rennen jedoch nicht gegeben, aber alle großen Fabriken hatten bereits begonnen, spezielle Autos zu bauen bzw. zu planen: Mercedes, BMW, Adler, Stoewer, etc.

Die Geschichte, die sich hinter dem letzten Sportwagen der Auto Union verbirgt, ist spannend, wie Frieder Bach erzählt. So war das Fahrzeug im Frühjahr 1940 auf dem Papier fertig, gleichzeitig wurde aber die Sportabteilung des Fahrzeugherstellers aufgelöst. In die Räumlichkeiten zog die Rüstungsproduktion ein. Die bisher produzierten Fahrzeuge der Sportabteilung wurden zum größten Teil an Privatleute verkauft. Einige wurden in eine Halle an der jetzigen Carl-von-Ossietzky-Straße ausgelagert, um sie vor dem Krieg zu schützen. Diese Hoffnungen, die Autos vor dem Krieg zu schützen, erfüllten sich nicht. Es wurde so großflächig bombardiert, dass es die Halle traf und alle Autos verbrannten. „Das waren Meilensteine in der Autoentwicklung“, so Bach. „Für die Fachwelt, die sich mit Oldtimern beschäftigt, sind diese Sportwagen unglaublich wichtig.“ Bei der Recherche für eine Ausstellung im Fahrzeugmuseum stieß Bach auf Unterlagen zu dem letzten Sportwagen. Der Entwurf wurde u. a. von Günther Mickwausch unterzeichnet, der von 1932 bis 1945 Chefdesigner bei Auto Union war. Sprich: er war echt. „Die Form ist so begeisternd, dass ich das Auto bauen musste.“ Das große Problem, eine Aluminiumkarosserie, speziell einen offenen Zweisitzer, zu bauen, ist zum einen sehr teuer, zum anderen findet man kaum noch jemanden, der es kann. Ein Zufall kam ihm zu Hilfe: „Ich habe einen Mitarbeiter des Fraunhofer-Instituts kennengelernt. Sie haben für den Test einer Maschine, die komplizierte Formen herstellen kann, ein Referenzobjekt gesucht. Da kam die stromlinienförmige Karosserie des Sportwagens gerade recht. So bauen wir, mein Sohn gemeinsam mit mir, seit gut einem Jahr an dem Fahrzeug. Ich hoffe, dass wir im April fertig werden. Das Auto wollen wir in die aktuelle Ausstellung integrieren.“

Wo bekommen Sie die Fahrzeugteile her?
Ich habe im Laufe der Jahre, in denen ich mich mit Oldtimern beschäftige, viele Teile gesammelt. Mittlerweile würde man das nicht mehr alles zusammentragen können.

Wie kam es dazu, dass Sie ausgerechnet den Verein gegründet haben?
Das war mehr aus der Not getrieben: Ich hatte 1969 ein Motorrad mit Trittbrett und Handschaltung, das ich nicht wegwerfen wollte, aber auch nicht mehr gefahren habe. Also habe ich kurzerhand zwei Eisen in die Wand geschlagen und das Motorrad drauf gestellt. Das war der Beginn meiner Sammelleidenschaft. Denn kurze Zeit später kam ein BMW-Motorrad dazu. Es sprach sich rum, dass ich alte Motorräder sammle. Nach zwei Jahren hatte ich ca. vierzig. Dann kamen noch Autos dazu. Die angemietete Scheune wurde gekündigt. So kam die Idee, ein Museum daraus zu machen. 1983/1984 bin ich zum Kulturamt der Stadt gegangen. Dort war man sofort begeistert. Als ich jedoch die Konzeption vorgelegt habe und sich Fahrzeuge der Auto Union darunter befanden, verschwand die Begeisterung. Sie sahen nicht die Fahrzeuge, sondern den Rüstungsbetrieb. Da konnte ich nichts machen. 1990 haben wir einen neuen Anlauf genommen und den Verein gegründet.

Klingt nach einer aufregenden Zeit?
Das war alles sehr aufwendig. 1990 habe ich mich selbstständig gemacht, gleichzeitig den Verein gegründet. Zudem mussten die Fahrzeuge restauriert werden.

1995 zog der Verein mit dem Museum für sächsische Fahrzeuge in das Wasserschloß Klaffenbach. „Am Eröffnungstag standen mehrere tausend Besucher auf dem Schlosshof“ erinnert sich Frieder Bach. Das Hochwasser 2002 nahm dem Verein die museale Heimat. „Wir sind auf gut Deutsch abgesoffen.“ Seit Ende 2008 ist die Ausstellung in den „Stern Garagen“ an der Zwickauer Straße untergebracht. „Das Haus mit seiner Fahrzeugvergangenheit passt perfekt zu uns.“ Es ist eine der ältesten deutschen Hochgaragen. „Und die Nähe zur Stadt beschert uns auch unter der Woche Besucher. Mit dem Museum Gunzenhauser, dem Industriemuseum und dem Straßenbahnmuseum ist die Zwickauer Straße zu einer Museumsstraße geworden. Und wir sind ein Bestandteil“, freut sich Frieder Bach.

Trotzdem hat man aber das Gefühl, dass viele Chemnitzer noch nicht wissen, dass hier ein Museum zu finden ist.
Das ist richtig. Wir betreiben dieses Museum als Verein und müssen schauen, wie wir finanziell über die Runden kommen. Von den Eintrittspreisen allein kann man als Museum nicht leben. Wir sind auf Förder- und Sponsorengelder angewiesen. Das hat leider zur Folge, dass wir nicht viel Geld in die Werbung investieren können. Ich muss aber auch sagen, dass es nicht zuletzt an den Chemnitzern selber liegt, sich für ihre Stadt und die Angebote zu interessieren.

Am 7. Februar war Eröffnung der neuen Ausstellung im Fahrzeugmuseum: Was wird gezeigt?
Der Titel lautet „Fix voran mit Frontantrieb – 90 Jahre DKW-Rennwagen“.

Die Sonderausstellung vom 7. Februar bis 4. Oktober 2020 zeigt, dass der sächsische Automobil- und Motorradhersteller DKW den Motorsport nicht nur als Testfeld für neue Technologien nutzte, sondern auch als geschickt gewählte Marketingstrategie einsetzte. Von Frontantrieb und Zweitaktmotor im Automobil mussten die Käufer in den 1920ern erst überzeugt werden. Warum also nicht bei Autorennen beweisen, wie schnell und zuverlässig diese Technik funktioniert? Gezeigt werden in der Sonderausstellung eine Auswahl an Werksrennern, Rekordwagen, privaten Sporteigenbauten und Kinderrennautos aus drei Jahrzehnten.

Steckt viel Zeit in Ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit im Fahrzeugmuseum?
Auf alle Fälle. Wenn man so etwas einmal ins Leben ruft, muss man sich, solange es körperlich und geistig geht, darum kümmern. Ich bin seit zwölf Jahren Rentner und habe jetzt noch mehr Zeit in das Museum gesteckt als vorher – gerade in so eine Sonderausstellung wie die aktuelle. Durch die „Oldtimerei“ habe ich Kontakte zu vielen Sammlern, bei denen man Fahrzeuge ausleihen kann. Diese Leute muss man jedoch persönlich kennen, ansonsten geben sie die teilweise sehr teuren Fahrzeuge nicht heraus. Beispielsweise haben wir jetzt ein Fahrzeug aus dem Saarland geholt – von dem kannte ich noch den Vater des Besitzers. Den habe ich 1989 auf dem Nürburgring kennengelernt. So habe ich auch das Auto bekommen. Andere hätten das Auto vermutlich gar nicht bekommen. Deshalb glaube ich, dass die Ausstellung an einem anderen Ort so gar nicht zustande gekommen wäre.

Als Rentner ist Ihnen jetzt nicht unbedingt langweilig?
(Lacht) Nein, ich frage mich, wann ich früher auf Arbeit gegangen bin.

Haben Sie noch Ziele mit dem Fahrzeugmuseum?
Im Kopf haben wir noch mehr Themen für Sonderausstellungen, als wir zeitlich schaffen können. Wir machen meistens zweimal im Jahr eine Sonderausstellung. Mit dem Schreiben von Büchern ist es genauso. Ich habe jetzt das zwölfte oder 13. Buch geschrieben und schiebe aus zeitlichen Gründen immer noch Sachen vor mir her.

1932 schlossen sich vier regionale Fahrzeughersteller (Wanderer, Audi, Horch, DKW) zusammen, gründeten in Chemnitz eine Aktiengesellschaft und firmierten als Auto Union. Das Unternehmen wuchs rasch und avancierte zum zweitgrößten deutschen Autohersteller vor dem Krieg. Hier sind Klassiker der deutschen Automobilgeschichte vom Band gegangen. Die bekannten vier Ringe wurden als Markenzeichen berühmt. Nach dem Zweiten Weltkrieg  wurde die Auto Union in Ingolstadt neu gegründet und baute wieder DKW-Fahrzeuge bis zum Anfang der 60er Jahre. Danach griff man wieder auf den alten Markennamen Audi zurück.

Blutet einem Autoliebhaber wie Ihnen das Herz, wenn Chemnitz als Ursprung der Automobilindustrie nicht gebührend gewürdigt wird?
Ja. Bestes Beispiel ist die weitverbreitete Meinung, dass das Zeichen beim Audi die Audi-Ringe sind. Sind sie aber nicht. Es sind die Ringe der Auto Union. Die vier Werke waren in Sachsen. Ich habe mir angewöhnt, dass immer und immer wieder zu erzählen. Hilft ja nichts (lacht). Deshalb habe ich auch Bücher geschrieben, damit jeder die Geschichte nachlesen kann. Eine Anekdote dazu: Ich habe Ende der 80er Jahre ein Buch über DKW-Motorräder geschrieben. Und als ich das veröffentlichen wollte, hat mir der angefragte Verlag gesagt, dafür habe man kein Papier. So war das gestorben. Dann kam bei denen die Anfrage vom Motorbuchverlag Stuttgart, ob es in der DDR ein Buch über DKW-Motorräder gibt. Auf einmal war das Papier dann doch da (lacht).

Sie sind im Oktober 2018 für Ihre Arbeit zur Förderung der sächsischen Museumslandschaft ausgezeichnet worden. Was bedeutet Ihnen diese Ehrung?
Ich beziehe diese Auszeichnung in erster Linie nicht auf mich, sondern auf den Verein, der die Arbeit macht. Das ist ein gutes Team, auf das ich stolz bin. Große Nachwuchsprobleme wie andere Vereine haben wir auch nicht. In der Vergangenheit sind verhältnismäßig viele junge Leute zu uns gekommen und haben gleich losgelegt. Beispielsweise haben wir vergangenes Jahr beschlossen, das Museum umzubauen, Ausstellungsstücke anders zu platzieren und die Vortragsecke weiter in die Mitte zu rücken. Wo vor ein paar Jahren nur drei bis vier Mitglieder dabei waren, packten diesmal zehn bis 15 mit an. Was Besseres kann uns gar nicht passieren und darüber bin ich sehr froh.

Chemnitz bewirbt sich als Kulturhauptstadt Europas 2025. Sind Sie frohen Mutes, dass wir das schaffen?
Das hoffe ich ganz stark und auch, dass unser Museum mit den Ausstellungen zum Erfolg beitragen kann.

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