Chemnitzer komponiert Corona-Requiem
Andreas Pabst
Macher der Woche vom 29. Oktober 2021
Nach mehr als zwei Jahren ohne eigenen Auftritt wird die Singakademie Chemnitz e. V. am Samstag, dem 13. November, in der Markuskirche auf dem Sonnenberg wieder auftreten. Die Vorfreude bei Andreas Pabst ist groß. „Auf diesen Tag arbeiten wir seit Wochen hin, um eine gewisse Normalität in unseren Choralltag zu bekommen“, so der künstlerische Leiter der Singakademie, der die für Künstler so schwierige Coronazeit nach eigenen Aussagen genutzt hat, um Ideen zu sammeln und Pläne für die Zukunft zu schmieden. So wird der älteste Chor der Stadt im Februar kommenden Jahres ein von ihm komponiertes Corona-Requiem aufführen. Was die Besucher:innen erwartet, verrät der 42-Jährige im Macher-der-Woche-Interview.
Was ist ein Corona-Requiem?
Andreas Pabst: Ein Requiem ist im ursprünglichen Sinne eine Totenmesse, die von vielen Komponisten vertont wurde, um den Verstorbenen zu gedenken. Wir als ältester Chor in Chemnitz wollen uns am Kulturhauptstadtprozess beteiligen und ein Zeichen setzen. Daher haben wir uns entschieden, ein eigenes Requiem zu schreiben und aufzuführen, was den Opfern der Corona-Pandemie gedenken wird.
Das Requiem soll aber nicht nur gedenken. Es soll auch Hoffnung wecken, nach vorn schauen. Für viele ist das Ende der Pandemie ein Neu-Anfang, so auch für uns als Chor, denn wir konnten viele Monate nicht proben und konzertieren. Nun freuen wir uns, endlich wieder singen zu dürfen.
Was erwartet die Besucher:innen am 27. Februar?
Unser Requiem soll trotz des kirchlichen Bezugs ein Stück für alle Zuhörer:innen sein, eben auch diejenigen, die sonst nicht in die Kirche gehen. Stilistisch wird es in Richtung Filmmusik, Pop/Rock gehen. Ich möchte, dass die Menschen sich in diesem Stück wiederfinden, dass es sie abholt und dass sie am Ende des Stückes mit einem guten Gefühl nach Hause gehen.
Die Singakademie wird dabei wieder begleitet von der mittelsächsischen Philharmonie Freiberg sowie zwei Solisten.
Sie komponieren das selber?
Ja
Wie lange dauert das?
Lange. Ich habe damit im Sommer angefangen. Zwar arbeite ich nicht jeden Tag an dem Werk, aber sehr häufig. Da kommen schon etliche Stunden in der Woche zusammen, da ich nicht nur selber komponiere, sondern auch instrumentiere und das Notenmaterial für Chor, Solisten und Orchester erstelle.
Der gebürtige Karl-Marx-Städter sang im Dresdner Kreuzchor. Seine Ausbildung zum Dirigenten und Pianisten absolvierte er an der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ in Dresden. Während seines Studiums wurde er als Music Supervisor auf dem Kreuzfahrtschiff AIDA engagiert und leitete die Choraufnahmen für das Album „Reise, Reise“ der Rockband Rammstein. Er dirigierte zahlreiche Musicals, wie „das Phantom der Oper“ und „Tanz der Vampire“, er war als Assistent der musikalischen Leitung ständiger Gast bei den Musicalproduktionen an den Vereinigten Bühnen Bozen, hatte Gastverträge an der Staatsoperette Dresden und an der Oper Chemnitz. Zuletzt war er als Chordirektor und Orchesterleiter am sorbischen National-Ensemble in Bautzen beschäftigt. „Aktuell bin ich wieder als Dirigent, Komponist und Arrangeur freiberuflich tätig“, sagt er. Seit 2012 ist er künstlerischer Leiter der Singakademie Chemnitz, mit der er neue Wege beschreitet.
Leiten Sie die Singakademie ehrenamtlich?
Ich bekomme für die Leitung eine Aufwandsentschädigung. Ansonsten sind wir ein Verein und alle Beteiligten arbeiten ehrenamtlich.
Wie sind Sie 2011 zur Singakademie gekommen?
Das war Zufall. Meine Vorgängerin Maja Sequeira fiel krankheitsbedingt kurzfristig aus und bat mich um die Vertretung. Leider ist sie wenige Monate später gestorben. Daraufhin wurde ich gefragt, ob ich nicht generell die Leitung der Singakademie übernehmen möchte. Das habe ich dann 2012 getan.
Für einen Chorleiter ist so ein Chor ein Glücksfall. Es ist ein Laienchor und man braucht Geduld bzw. muss viel vorbereiten, am Ende sind die Konzerte aber immer künstlerisch ansprechend. Und das sage ich jetzt nicht als künstlerischer Leiter (lacht). Die Motivation unserer Teilnehmer:innen ist sehr hoch. Dadurch kann man mit ihnen viel ausprobieren und viel erreichen.
Wie ist Ihre Vorgängerin auf Sie gekommen?
Meine Vorgängerin kam aus Dresden und durch meine Engagements kannten wir uns, außerdem studierten wir beim gleichen Professor.
Jeden Montag, 18 Uhr, treffen sich 45 bis 50 gesangsbegeisterte Menschen in der Annenschule. „Eigentlich haben wir 80 Mitglieder. Aber durch die Corona-Pandemie kommen derzeit eben nur die knapp über die Hälfte“, sagt Andreas Pabst. Wer Lust hat, gemeinsam zu singen, der kann gerne vorbeikommen und es sich anschauen. „Wir haben noch niemanden weggeschickt, weil es nicht gepasst hat. Für die Leute ist es ein Hobby, der Spaß steht im Vordergrund und so soll es auch bleiben. Dennoch ist eine gewisse Portion Professionalität notwendig, denn wir geben Konzerte mit der Robert-Schumann-Philharmonie, der Vogtland-Philharmonie und anderen Orchestern. Da muss die Leistung schon ansprechend sein.“
Sie haben Choraufnahmen für das Album „Reise, Reise“ der Band Rammstein geleitet. Wie lief das ab?
(lacht) Das ist nicht gelogen. Allerdings hört sich das spektakulärer an, als es war. Der Arrangeur von Rammstein kannte jemand aus dem Chor, den ich geleitet habe. So kam der Kontakt zustande. Bei den Aufnahmen waren wir im Studio mit zwei Mitgliedern von Rammstein, die uns Anweisungen gegeben haben.
Von dem eigentlichen Album haben wir gar nichts gehört. Wir haben die Noten, eine Klickspur, ein bisschen Schlagzeug und die Leadvocals bekommen. Dazu haben wir dann gesungen. Es war alles trocken, recht steril und hatte nichts mit einem gemeinsamen Auftritt mit Rammstein zu tun. Aber trotzdem ein Erlebnis. Ein gemeinsamer Auftritt bei einem Konzert wäre natürlich ein Traum. Aber dazu wird es wohl nicht kommen.
Was haben Sie für Ziele mit der Singakademie?
Nach diesen unsicheren Zeiten wollen wir zuallererst unseren Personalbestand sichern. Es sollen wieder alle Chormitglieder zur Probe kommen und sich wohl fühlen. Und dann arbeiten wir natürlich an unserer Qualität. Es klingt wie eine Floskel, aber ist tatsächlich so: Wir wollen uns immer verbessern. Dafür brauchen wir eben auch ständig neue Mitglieder.
Unsere nächste Bewährungsprobe haben wir am 13. November in der Markuskirche auf dem Sonnenberg. Hier geben wir seit mehr als zwei Jahren unser erstes Konzert in Chemnitz, zu dem wir hoffentlich zahlreiche Besucherinnen und Besucher begrüßen können. Natürlich unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen.
Ist Chemnitz eine besonders musikalische Stadt?
Chemnitz ist zumindest nicht unmusikalisch. Wenn man das Orchester der Robert-Schumann-Philharmonie, das Theater und die Oper betrachtet, geht schon was. Auch die Alternativkultur ist am Aufleben. Und wir versuchen, mit der Singakademie unseren Teil beizutragen.
Die Stadt ist Kulturhauptstadt Europas 2025. Wie will sich die Singakademie beteiligen?
Wir wollen auf alle Fälle dabei sein. In den kommenden Wochen hat sich der neue Geschäftsführer der Kulturhauptstadt Europas Chemnitz 2025 GmbH, Stefan Schmidtke, bei uns angekündigt. Und dann schauen wir mal, was wir zusammen machen.