Wasserfester Badespaß für Erwachsene
Jens Korch
Macher der Woche vom 25. Februar 2021
Wie sieht ein perfektes Bad für dich aus? Diese Frage muss Jens Korch seit über zehn Jahren regelmäßig beantworten. „Gemütlich. Kerzen an, Badeschaum rein, manchmal auch Musik und ich trinke gerne einen Wein in der Wanne. Und natürlich darf ein Buch nicht fehlen.“ Denn Lesen gehört für ihn zum Baden wie Schaum und Wasser. Doch nicht irgendein Buch: Es muss schon ein Wannenbuch sein. Der Chemnitzer ist Verleger der Edition Wannenbuch – wasserfeste Bücher für Erwachsene. Was 2010 als Poolidee in Italien begann, bestimmt mittlerweile sein berufliches Leben – eine echte Erfolgsgeschichte.
Was verpassen die Menschen, die keine Badewanne haben?
Jens Korch: Natürlich kann man unsere Bücher auch auf der Couch, am Tisch oder im Gartenstuhl lesen. Aber die Idee war, dass wir speziell für die Badewanne Bücher entwerfen und die auf das Verhalten und die Gegebenheiten vor Ort, also in der Badewanne, anpassen. Zum Beispiel lassen sich die Geschichten in den Büchern in ca. 15 Minuten lesen. Das ist etwa so lange, wie jemand für ein Bad braucht, bevor das Wasser kalt oder die Haut runzelig wird. Außerdem ist das Material wasserfest und die Schrift so groß, dass man es ohne Brille und Kontaktlinsen gut erkennen kann.
Wie lange dauerte es von der Idee bis zur Veröffentlichung des ersten Buches?
Knapp ein Jahr. Die Idee ist vor mehr als zehn Jahren in der Toskana im Urlaub entstanden. Wir saßen am Pool und die Kinder von Freunden lasen diese Babybadebücher. Wir Erwachsenen saßen am Rand und haben uns die Frage gestellt, ob es solche Bücher nicht auch für uns gibt. Wir fanden die Idee gut. Bei der Recherche stellten wir fest, dass solche Bücher für Erwachsende wirklich nicht erhältlich sind.
Basieren die Erkenntnisse auf persönliche Erfahrungen? Oder wie ergeben sich beispielsweise die 15-Minuten-Geschichten?
Das sind wirklich Berichte aus statistischen Erhebungen bzw. Ratschläge von Experten. Ein heißes Bad sollte beispielsweise nicht länger als diese 15 Minuten dauern. Wir haben auch Probeexemplare im Freundeskreis zum Testlesen verteilt und bekamen gute Rückmeldungen, beispielsweise zur Schriftart.
Du sprichst immer von wir?
Ja, wir haben zu zweit, Grit Strietzel und ich, begonnen, die Wannenbücher zu entwerfen. Damals waren wir noch hauptberuflich als Redakteure bei einer Tageszeitung angestellt. Die Wannenbuch-Idee war mehr so ein Hobby. Allerdings stellten wir schnell fest, dass es nebenbei nicht funktioniert. So habe ich meinen Job bei der Tageszeitung gekündigt und mich voll auf das Thema Wannenbücher konzentriert. Grit Strietzel ist weiterhin im Verlag tätig und sitzt im Beirat, der mich bei Fragen rund um die Edition Wannenbuch unterstützt.
Unterhaltsam, witzig und trotzdem anspruchsvoll sollen die Geschichten in den Büchern sein. Denn Badewannenbücher seien doch nur was für Kinder, so das Klischee. Darum war es anfangs schwer, Autor:innen für die ersten Titel zu gewinnen. Doch die beiden Gründer ließen sich nicht entmutigen und griffen selbst zum Stift bzw. zur Tastatur. Herausgekommen sind die ersten beiden Exemplare – der Krimi „Blume des Herzens“ und der Liebesroman „Yachttrip ins Glück“ erschienen unter Pseudonymen.
Was prädestiniert dich dafür, Bücher zu schreiben?
(lacht) Wir haben es die ersten Jahre geheim gehalten. Als Journalisten gibt es zwar Parallelen zum Autor, aber fiktive Geschichte zu schreiben, ist noch einmal ein anderes Feld. So ist von Grit Strietzel ein Krimi entstanden und ich habe einen kitschigen Liebesroman geschrieben, für den ich mich heute schäme. Der ist inzwischen auch vergriffen, also keine Gefahr, dass den noch jemand liest. Nach den beiden Büchern haben sich zum Glück Autor:innen gemeldet, die jetzt für uns schreiben.
Inzwischen sind fast 40 Titel mit einer Gesamtauflage von 250.000 Exemplaren erscheinen. Ob romantischer Liebesroman, spannender Krimi oder Gehirnjogging-Übungsbücher. Selbst Goethe gibt es als erotische Version in wasserfester Form für die Wanne. „Mit dem Buch haben wir eine erotische Lesung in einer Leipziger Sauna durchgeführt. Das war ein voller Erfolg.“ Sogar ein Yoga-Buch für die Wanne steht im Portfolio. Die kreative Leseidee kommt bei den Kunden an. Selbst die AIDA-Schiffe beliefert Jens Korch mit seinen Büchern. Auch die NH-Hotels oder das Hotel Neptun in Warnemünde haben die Wannenbücher als Accessoires für die Ausstattung ihrer Badezimmer entdeckt. Wie man hört, sind sie ein beliebtes Mitbringsel. So beliebt, dass sich sogar Firmen mit speziellen Wannenbuchideen bei ihm melden. „Mit einem Schweizer Badeschaumhersteller gibt es einen Krimi, der exklusiv nur zum Badeschaum erhältlich ist. Oder mit einem Sanitärausstatter haben wir einen Liebesroman herausgebracht. Wir schauen, dass wir vieles abdecken. Es darf gern lustig sein“, so Korch. So wie seine Reaktion auf die nicht enden wollenden Fragen der Leser:innen, ob es Bücher für die Dusche gebe. „Dusch dich zum Superstar. Der Vocalcoach für die Dusche“, lautet die Antwort.
Das Buch habt ihr mit der Sängerin Lisa Wohlgemuth, die 2013 den zweiten Platz bei der Castingshow „Deutschland sucht den Superstar (DSDS)“ belegt hat, herausgebracht. Wie liest man denn unter der Dusche?
Das war mehr als Gag gedacht. Und was macht man unter der Dusche? Man singt. Lisa Wohlgemuth kommt aus Annaberg-Buchholz, quasi direkt um die Ecke, und sie hat sich bereiterklärt, mitzumachen. In dem Buch gibt sie Tipps, wie man unter der Dusche zum Superstar wird. Alles mit einem Augenzwinkern zu lesen.
Was ist das meistverkaufte Buch?
Bei den fast 40 Titeln, die wir herausgegeben haben, ist „Goethe erotisch“ mit 25.000 Exemplaren das Meistverkaufte. Und das Yoga-Buch „Sonnengruß im Badeschaum: Yoga-Übungen für die Wanne“ ist auch bereits in der achten Auflage auf dem Markt. Am Anfang wurden wir dafür belächelt, aber es ist eine schöne Geschenkidee für Yoga-Fans.
Was ist dein Lieblingsbuch aus der Edition Wannenbuch?
Alle. Wenn mir ein Buch nicht gefällt, bringe ich es nicht heraus. An jedem Buch bin ich beteiligt: sei es beim Lektorat, beim Satz, bei der Titelsuche oder beim Layout. Ich stehe mit den Autor:innen in ständigem Kontakt, deshalb ist es für mich schon fast eine persönliche Niederlage, wenn manche Titel bei den Lesern nicht so ankommen, wie erwartet.
Deine Leser sind zu 95 Prozent weiblich. Stört es dich, dass du hauptsächlich Frauen mit deinen Büchern ansprichst?
Nein, warum auch? Das war nicht beabsichtigt. Es war für uns auch überraschend. Mit den beiden ersten Büchern – dem Krimi für Männer und dem Liebesroman für Frauen – wollten wir beide Geschlechter ansprechen. Aber inzwischen sind es ca. 96 Prozent Leserinnen, die unsere Bücher kaufen. Die Erkenntnis liegt nahe, dass Männer nicht so gern baden wie Frauen bzw. nicht so gern in der Wanne lesen.
2016 erhielt die Chemnitzer „Edition Wannenbuch“ den Publikumspreis der Frankfurter Buchmesse. Unter dem Titel „Buddhas baden besser“ beschrieb Autor Dirk M. Schumacher mit Humor Entspannungsübungen für die Badewanne. „Es kam für uns sehr überraschend und wir werden auch noch heute darauf angesprochen“, verrät Jens Korch. Er ist jedes Jahr auf den großen deutschen Buchmessen vertreten. „Um mit meinen Leser:innen ins Gespräch zu kommen, aber auch mit Händler:innen und Autor:innen. Das ist mir sehr wichtig.“ Auf einer dieser Messen sprachen ihn Interessenten aus Japan und Großbritannien an, die die Wannenbücher übersetzen und in ihrer Heimat auf den Markt bringen wollten.
Was ist daraus geworden?
Die Anfragen gibt es immer wieder. Kurioserweise aus Japan ganz viel. Aber es ist noch kein Projekt zustande gekommen. Ich überlege tatsächlich ein fremdsprachiges Buch herauszubringen. Man muss dann aber jemanden vor Ort sitzen haben, um den Versand zu übernehmen. Es ist ein logistischer Aufwand, dem man sich bewusst sein muss.
Wie viele Mitarbeiter hast du in deinem Verlag?
Ich habe zwei Angestellte und aktuell eine Praktikantin. Wir machen alles selber. Durch die Schließung der Buchläden während der Corona-Pandemie haben wir eine Menge Anfragen über unseren Online-Shop erhalten.
Wie erlebst du mit deinem Verlag die Corona-Pandemie?
Naja, die Messen sind weggefallen und somit der direkte Kontakt zu unseren Kunden. Zudem war der Handel anders aufgestellt. Die Wannenbücher sind Spontankäufe. Die sieht man und kauft sie oder eben nicht. Und es gab im vergangenen Jahr keine typischen Weihnachts-Einkaufsbummel. Die Einkäufe wurden in diesem Jahr ganz gezielt getätigt. So dass wir im Laden nicht die erhofften Absatzzahlen erzielen konnten. Aber die Online-Bestellungen sind selbstverständlich in die Höhe gegangen. Sowohl über die Buchhandlungen direkt als auch über unseren Shop.
Außerdem habe ich im vergangenen Jahr ein Netzwerk unabhängiger Verlage gegründet. Es heißt „Schöne Bücher“. Ca. 70 kleinere Verlage sind mittlerweile dabei. Während der Corona-Pandemie haben vor allem die kleinen Verlage, so wie wir einer sind, nach Wegen gesucht, um Leser:innen zu erreichen. Als erstes Projekt ist ein Katalog im Pocket-Format erschienen. In diesem Magazin stellen sich mehr als 50 der beteiligten unabhängigen Verlage vor, präsentieren ihre Lesetipps und zeigen die Macher:innen hinter den Werken. Diesen Katalog verteilt der jeweilige Verlag an seine Leser. So werden sie auch auf andere Neuerscheinungen aufmerksam. Ein Mehrwert für alle Beteiligten. Im März erscheint die zweite Ausgabe des Magazins.
„Sonne, Sex und Sangria“, „Pizza, Papst und Panna cotta“, „Ketchup“, „Kult und Kino-Küsse“, „Friedhof der Badeenten“ oder „Badenixe sucht Traumfigur“: Die pfiffigen Titel machen Lust aufs Lesen. Doch ein Titel verbunden mit seiner Heimatstadt Chemnitz fehlt noch in der Aufzählung. Das soll sich bis zum Kulturhauptstadtjahr 2025 ändern. „Ideen sind da. Zu diesem Anlass kommt auf alle Fälle etwas, denn ich habe mich über den Titel sehr gefreut. Beispielsweise ein Chemnitz Reiseführer oder ein Chemnitz Krimi. Irgendwas Witziges“, verrät der 44-jährige Diplom-Kaufmann.
Was möchtest du mit der Edition Wannenbuch bis 2025 noch erreichen?
Wir arbeiten ständig an neuen Titeln und suchen dafür Autor:innen. Außerdem wollen wir bekannter werden und neue Leser:innen gewinnen. Das sind unsere Ziele für die kommenden vier Jahre.
Gibt es einen Autor oder eine Autorin, mit dem du gerne einmal zusammenarbeiten würdest?
(Wie aus der Pistole geschossen) Loriot. Ich weiß, dass er schon seit fast zehn Jahren tot ist, aber die Rechte an seinen Werken werden noch vergeben. Herren im Bad, einer seiner bekanntesten Sketche, würde wunderbar passen. Aber meine bisherigen Anläufe, dieses Werk als Wannenbuch herauszugeben, waren nicht von Erfolg gekrönt.