Handgefertigtes gibt ein Gefühl der Sicherheit

Mützenladys Petra Minks, Ellen Nürnberger und Grit Albrecht

Macherinnen der Woche vom 12. August 2022

Rund 15 Frauen aus Chemnitz und der Umgebung verbinden ihre Leidenschaft für Handarbeit mit einem guten Zweck: Die Chemnitzer Mützenladys stricken, häkeln und nähen ehrenamtlich für krebskranke Menschen. Was sie dazu bewegt und welche Schicksale ihnen dabei begegnen, davon berichten die Macherinnen der Woche Petra Minks, Ellen Nürnberger und Grit Albrecht im Interview.


Was bewegt Sie dazu, viele Stunden Ihrer Freizeit für krebskranke Menschen Mützen, Drainagebeutel und Kissen anzufertigen?

Petra Minks: Das ist uns einfach ein Herzensbedürfnis. Wir möchten den Betroffenen ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

Grit Albrecht: Es gibt uns das gute Gefühl, helfen zu können. Jeder kennt jemanden, der Erfahrungen mit Krebs hat. Andererseits nähen, stricken und häkeln wir alle gerne. Es ist schön, das auch für andere tun zu können.


Frau Minks, Sie haben das Ganze hier in Chemnitz ins Leben gerufen. Wie kam es dazu?

Petra Minks: Die Gruppe der Onkomützen ist eine Interessensgemeinschaft, die vor vier Jahren in Rheine in Westfalen von größtenteils Betroffenen gegründet wurde. Inzwischen gibt es mehr als 5000 Mitglieder deutschlandweit. Wir bilden die Regionalgruppe Sachsen. Durch meine Arbeit als Röntgenassistentin damals im MVZ Chemnitz hatte mich eine Bekannte gebeten, den Kontakt zum Haus herzustellen. Sie hatte von der Gruppe gehört. Der Kontakt zur Hämatologie am Klinikum war direkt super. So bin ich Ende 2019 dazu gekommen. Heute beliefern wir ganz Sachsen und erhalten Anfragen aus ganz Deutschland. Neben Privatpersonen, die uns bei Facebook kontaktieren, beliefern wir etwa 20 bis 25 Kliniken regelmäßig.


Wie groß ist die Gruppe hier in Chemnitz?

Petra Minks: Wir sind 15 Frauen – sie wohnen in Chemnitz, Wolkenstein und sogar Rostock. Die Jüngste ist 34, die Älteste 86. Jede hat ihre Aufgabe, die eine näht, die andere strickt. Ich komme selbst leider nicht mehr dazu, ich beantworte die ganzen Anfragen, habe die Organisation übernommen und gehe ja noch voll arbeiten. Alle 14 Tage treffen wir uns hier bei mir zuhause und packen dann etwa 300 Mützen. Pro Woche kommen rund 15 Päckchen zusammen, die mein Mann dann immer zur Post bringt. Es geht nur gemeinsam.

Grit Albrecht: Wenn wir uns alle 14 Tage hier treffen, dann ziehen wir vier, fünf Stunden durch. Aber es macht Freude, wir lachen viel dabei.

Petra Minks: Die Päckchen sollen ja auch immer schön aussehen, da kommt auch eine Karte mit rein und für die Kinder mal eine Süßigkeit. Wir arbeiten nicht nur unter dem Dach der Onkomütze, sondern sind daneben noch als Chemnitzer Mützenladys aktiv. Da haben wir zum Beispiel nach dem Hochwasser im Arltal für Kinder kleine Seelentröster angefertigt, und zum Schulanfang Päckchen mit Buntstiften und Malbüchern verschickt. Vor wenigen Wochen waren wir in einem Pflegeheim zu Gast und haben dort Rollstuhldecken gespendet.


Wie müssen die Mützen beschaffen sein? Aus welchem Stoffe, aus welcher Wolle?

Ellen Nürnberger: Es darf nicht kratzen, das ist ganz wichtig. Wir verwenden auch keine gebrauchten Stoffe, schließlich ist das für Krebspatienten. Die genähten Mützen sind meist aus Jersey-Stoff, der ist schön dehnbar. Und bei den gehäkelten Mützen ist es ganz wichtig, dass die Löcher nicht zu groß sind. Denn sie sollen ja vor der Sonne schützen, und die Kopfhaut ist ohne Haare sehr empfindlich.


Welche Produkte stellen Sie außerdem her?

Petra Minks: Mützen – gestrickt, gehäkelt, genäht. Dazu Stirnbänder und Bandanas. Und Herzkissen: Die haben längere Ohren und können zum Schlafen gut unter die Achseln geklemmt werden. Für Frauen, die an der Brust operiert wurden, ist das eine schöne Entlastung. Ähnlich funktionieren die Port-Kissen.


Was ist das?

Ellen Nürnberger: Wenn man eine Chemo bekommt, wird oft unter der Haut ein Portkatheter eingesetzt, über den man die Medikamente direkt erhält. Das Portkissen hilft, dass der BH-Träger oder der Autogurt nicht so drückt.

Petra Minks: Und dann gibt es ja noch die Drainagetaschen. Das sind Taschen mit langen Gurt, mit den die Patienten während der Chemo auch mal in die Cafeteria oder auf Toilette gehen können ohne immer den Infusionsständer mitnehmen zu müssen.

Ellen Nürnberger: Die Chemo dauert ja mehrere Stunden. Und viele können die Farbe der Infusion schwer ertragen, deshalb sind sie froh, wenn sie die in die Tasche stecken können.


Was bedeutet es den krebskranken Menschen, wenn Sie von Ihnen solche Produkte erhalten?

Ellen Nürnberger: Es gibt ihnen die Sicherheit, nicht alleine zu sein. Dass jemand für sie da ist.

Petra Minks: Die Mützen heilen keinen Krebs. Aber sie geben Gemeinschaft.

Ellen Nürnberger: Und zeigen, dass sie im Kampf nicht alleine sind. Das ist eine Herzensangelegenheit für uns. Wir legen auch viel Herz in jedes Produkt rein.

Petra Minks: Die Mützen gibt es in vier, fünf verschiedenen Schnitten. Trotzdem ist jede individuell, weil alle Mädels ein bisschen ihre Handschrift hinterlassen.


Und wie fühlt es sich für Sie an?

Ellen Nürnberger: Meine Mutter und meine Schwester sind an Krebs gestorben. Viele von uns sind Betroffene oder kennen Krebspatienten. Als Angehöriger kann man nicht viel tun, hier kriegen wir etwas zurück.

Petra Minks: Unser ganzer Vorsaal hängt voller Dankeskarten, und das sind nur die vom vergangenen halben Jahr. Man hört viele Geschichten. Einige Patienten begleitet man über Jahre. Man kennt ihre Geschichte, ihre Familie und man leidet und freut sich mit ihnen.

Grit Albrecht: Und man weiß genau, wo es hingeht. Unsere Hilfe kommt wirklich an. Wir erfahren viel Dankbarkeit. Wir können dem Gegenüber sagen: Wir fühlen mit dir.


Warum tragen manche Krebspatienten lieber Mützen?

Ellen Nürnberger: Viele wollen keine Perücke. Das ist unangenehm und im Sommer oft zu warm.

Petra Minks: Viele Betroffene mit Haarausfall möchten nicht ständig auf ihre Krankheit angesprochen werden, sondern ganz normal damit umgehen. Außerdem ist es ein Schutz vor Hitze und Kälte.


Wie finanzieren Sie das?

Petra Minks: Die Mützen, Herzkissen und all die anderen Sachen für Krebspatienten gibt es geschenkt. Wir haben auf unserer Mützenladys-Seite darüber hinaus aber verschiedene Aktionen, bei denen wir selbsthergestellte Sachen wie Hüte, Mützen, Dreieckstüchter und Kerzen gegen eine Spende anbieten.


Wie kann man Sie noch unterstützen?

Petra Minks: Wir brauchen immer Stoffe und Wolle. Aber auch wenn uns mal jemand das Porto übernimmt oder die Briefmarke bezahlt, hilft uns das sehr.


Sehen Sie manchmal Fotos der Menschen, für die Sie häkeln oder stricken?

Petra Minks: Ja. Bei direkten Anfragen bekommen wir oft Trage-Bilder geschickt oder aus den Kliniken erreichen uns Fotos vom Stand der Onkomützen.


Fertigen Sie auch für Kinder Mützen an?

Petra Minks: Ja, unter anderem für die Kinderonkologien in Erfurt und Hamburg sowie Chemnitz und Dresden.


Sie erfahren viele Schicksale.

Petra Minks: Ja, und das nicht nur von Patienten. Ich erinnere mich an eine Story, da kommen mir gleich wieder die Tränen. Ich war auf der Suche nach Stoffen und bei Facebook wollte einer Wolle für 180 Euro verkaufen. Mein Mann und ich sind also ins Vogtland gefahren. Wir kommen in ein Neubaugebiet und vor einer Tür sitzen zwei junge Männer und ihr Vater. In den Kartons lag die Wolle und angefangene Sachen ihrer verstorbenen Mutter. Wir hatten nicht genug Geld mit und ich sollte anfangen, auszusortieren. Aber das konnte ich einfach nicht. Der Vater meinte dann: Nehmen Sie alles mit, meine Frau hätte das gewollt. Das war hart an der Grenze. Der Vater ist inzwischen gestorben, aber die Söhne halten Kontakt zu uns. Da weiß man, man hat alles richtig gemacht.
 

Cookie Einstellungen

Wir verwenden auf dieser Website mehrere Arten von Cookies, um Ihnen ein optimales Online-Erlebnis zu ermöglichen, die Nutzerfreundlichkeit unseres Portals zu erhöhen und unsere Kommunikation mit Ihnen stetig zu verbessern. Sie können entscheiden, welche Kategorien Sie zulassen möchten und welche nicht (mehr dazu unter „Individuelle Einstellung“).
Name Verwendung Laufzeit
privacylayer Statusvereinbarung Cookie-Hinweis 1 Jahr
cc_accessibility Kontrasteinstellungen Ende der Session
cc_attention_notice Optionale Einblendung wichtiger Informationen. 5 Minuten
Name Verwendung Laufzeit
_pk_id Matomo 13 Monate
_pk_ref Matomo 6 Monate
_pk_ses, _pk_cvar, _pk_hsr Matomo 30 Minuten

Datenschutzerklärung von Matomo: https://matomo.org/privacy/