Hier werden Visionen koordiniert

Dr.-Ing. Sebastian Ortmann

Macher der Woche vom 21. April 2023

Vergangenen Monat feierte das Institut Chemnitzer Maschinen- und Anlagenbau e. V. (ICM) seinen 30. Geburtstag. Als Forschungs- und Entwicklungseinrichtung hat sich das ICM Chemnitz mit praxisnaher Forschungsarbeit seit drei Jahrzehnten in der Branche etabliert: doch nicht, weil sie die Chemnitzer Maschinenbautradition pflegen, sondern auch diese Tradition mit Innovation und Fortschritt verknüpfen. Was Sonden in Kühen, Bewegungsabläufe bei Skispringern oder Alarmanlagen an Fenstern mit Maschinenbau zu tun haben, verrät der Institutsleiter Dr.-Ing. Sebastian Ortmann im Macher-der-Woche-Interview.


Das ICM Chemnitz hat eine lange Tradition und ist doch unter den Chemnitzerinnen und Chemnitzern wenig bekannt. Was machen Sie hier am Standort?
Dr. Sebastian Ortmann:
Kurz formuliert – Industrieforschung. Es ist angewandte Forschung für kleine und mittelständische Unternehmen. Und wie es unser Name schon sagt, machen wir Industrieforschung im Maschinenbau. Mittlerweile sind es sechs Fachgebiete in unserem Institut, die sich alle in irgendeiner Form mit Maschinenbau beschäftigen. Da gibt es Neue Mobilität, Produktionstechnik, Ressourcen- und Energieeffizienz, Mechatronische und Mensch-Technik-Systeme, Informations- und Kommunikationstechnologien und Innovationsmanagement – aber immer im Kontext zum Maschinenbau.

Wie bekommen Sie Ihre Aufträge?
Oft ist es so, dass Unternehmen mit einer Idee für ein neues Produkt oder einer neuen Technologie zu uns kommen und fragen, ob wir das entwickeln können. Dann fangen wir gemeinsam an. Die Unternehmen bekommen von uns am Schluss entweder ein fertiges Produkt, das sie dann vermarkten können oder einen Demonstrator.

Woher kommen Ihre Kunden?
Circa 80 Prozent unserer Kunden kommen aus der Region Südwestsachsen. Es gibt aber mittlerweile welche, die beispielsweise aus Nordrhein-Westfalen oder Bayern kommen.

Ihre Kooperationspartner, nicht nur in der Stadt, sondern auch überregional, vertrauen den Fähigkeiten des gemeinnützigen Forschungsinstituts, um Wissen anzuwenden. Ein besonderes Chemnitzer Attribut war stets, eine Idee mehr zu haben als die Konkurrenz. Diese Wissensvorsprünge in Produkte zu überführen, hat sich das ICM zur Aufgabe gemacht. Manche Resultate aus den gemeinsamen Projekten und engen Kooperationen muten auf den ersten Blick etwas skurril an. Die neuste Innovation am Institut sind Sonden für Kühe.

Was haben Sonden für Kühe und Bewegungsabläufe beim Skispringen mit Maschinenbau zu tun?
Einer unserer Fachbereiche ist Innovationsmanagement. Hier werden Ideen und Visionen koordiniert. Da sind aber auch Themen dabei, die mit Maschinenbau auf den ersten Blick nichts zu tun haben. In dem vorliegenden Fall, den Sonden für Kühe, ist ein Professor einer Hochschule zu uns gekommen und meinte, dass er in der Rinderhaltung aktiv ist und Unterstützung sucht. Ursprünglich ging es um die Maniküre bei Kühen, dass man die Klauen mit einem Laser bearbeiten kann. Das ist schonender für die Tiere. Aus solchen Produktideen leiten wir dann Innovationen ab. In dem konkreten Fall wollen wir eine Sonde in die Mägen der Rinder platzieren, um zu sehen, ob die Kuh funktioniert oder nicht funktioniert – ganz technisch ausgedrückt. Aber es geht immer um das Tierwohl. Hier nutzen wir unsere Erfahrungen aus der Informations- und Kommunikationstechnologie. Wie kann die Sonde die gesammelten Informationen nach außen transportieren? Sie sehen, eigentlich gibt es nichts, was man nicht mit Maschinenbau lösen kann.

Sie haben auch mit dem Chemnitzer Eiskunstlaufpaar Aljona Savchenko und Robin Szolkowy zusammengearbeitet.
Richtig. Das nennt man Motion Capture, übersetzt Bewegungs-Erfassung. An den Sportsachen der beiden wurden Sensoren befestigt. Über Kameras in der Halle wurden die Sensoren ausgewertet und der Bewegungsablauf bewertet. Wir haben die Bewegungen während des Eislaufens aufgenommen – alles in ein Simulationsprogramm überführt und dann eben Verbesserungen vorgeschlagen, um Bewegungsabläufe zu optimieren. Solche Tests haben wir auch für das Skispringen in Oberwiesenthal durchgeführt. Wie ist die Absprunggeschwindigkeit und -kraft, wie fliegen sie und wie ist die Landung? Für die Auswertungen arbeiten wir mit dem Olympiastützpunkt Chemnitz zusammen. Sie haben das notwendige Know-how und wir haben die Technik.  

Auf welches Projekt der jüngeren Institutsgeschichte sind Sie besonders stolz?
Die kabellose Alarmspinne. Die meisten, die im privaten Hausbereich eine Alarmanlage haben, haben an den Fenstern Magnete und wenn die aufgehen, wird das detektiert und Alarm gemeldet. Wir haben in das Isolierglas, also zwischen den Fensterscheiben, eine Elektronik eingebaut. Sie detektiert den Glasbruch oder das Bewegen des Fensters. Das heißt, dass dieses Produkt im Fenster integriert geliefert wird und in eine bestehende Alarmanlage eingebunden werden kann. So kann jedes Fenster überwacht werden.
Wir beschäftigen uns seit über 13 Jahren mit Elektromobilität. Angefangen mit Mikromobilität, von dreirädrigen Fahrzeugen bis zum Roller. Da sind wir mittlerweile in der Vermarktung. Wir vermarkten unseren eigenen Roller – einen Lastenroller. Hat jetzt unmittelbar auch nichts mit dem Sondermaschinenbau zu tun, aber wir nutzen die Kompetenzen des Maschinenbaus. Wir machen die Rahmenkonstruktionen, wir simulieren bezüglich des Gewichts, wir optimieren. Das ist ein Produkt, das wir von null an bis zum Serienprodukt durchentwickeln.

Sie forschen auch in der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie. Was machen Sie dabei genau?
Wir sind eher auf dem Gebiet der Anwendung unterwegs. Die TU Chemnitz geht stark in die Brennstoffzellenentwicklung. Wir beim ICM nehmen die Brennstoffzelle und integrieren sie in Fahrzeuge. Da müssen bestimmte Systeme entwickelt werden. Eine Kühlung, ausreichende Belüftung und alles, was dazu gehört. Damit machen wir dann Versuche.

Sie haben ein ziemlich junges Team. Ist es schwer, Arbeitskräfte in die Region zu bringen?
Wir haben durch Praktika und Abschlussarbeiten, die wir betreuen, einen guten Kontakt zu den Universitäten und Fachhochschulen in der Region. Da schauen wir, ob die Studierenden zu uns passen könnten. Sicherlich ist es deutlich schwerer geworden. Einige Stellen bekommen wir auch nicht besetzt.
Wir bezeichnen uns als ICM-Familie. Das versuchen wir auch zu leben. Das wird natürlich mit der zunehmenden Größe des Instituts schwerer. Aber ich denke, wir haben das ganz gut hinbekommen, dass die Leute, die bei uns arbeiten, ihre Arbeitsstelle weiterempfehlen. Das ist das Beste, was uns passieren kann.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, welches Projekt oder welche Idee würden Sie gerne umsetzen?
Wir haben in gewisser Weise eine Verantwortung für die mittelständischen Unternehmen in der Region. Da kommt es nicht auf einen bestimmten Kunden an. Wir möchten, dass der Mittelstand stark bleibt und weiterhin Innovationen vorantreibt. Dann geht’s uns auch gut.

Wo sehen Sie das ICM in 30 Jahren?
Immer noch im Maschinenbau tätig. Aber es wird alles sehr stark in Richtung Automatisierung, Informations- und Kommunikationstechnik und Daten gehen. Weniger manuelle Arbeit. Das Klima-Thema wird uns sehr stark beschäftigen: C02-neutrale Produktion, alternative und regenerative Energien.

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