18.10.2016
Pressemitteilung 599

Internationaler Stefan-Heym-Preis der Stadt Chemnitz geht im Jahr 2017 an die polnische Autorin Joanna Bator


Die mit 20.000 Euro dotierte Auszeichnung wird im April kommenden Jahres verliehen

Pd0599 Joanna Bator Foto K Lukas

Der Internationale Stefan-Heym-Preis der Stadt Chemnitz wird 2017 an die polnische Schriftstellerin und Publizistin Joanna Bator verliehen. Diese Entscheidung des Kuratoriums zur Vergabe der Auszeichnung gab Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig heute bekannt.

Die Verleihung des mit 20.000 Euro dotierten Literaturpreises findet traditionell im Umfeld des Geburtstages von Stefan Heym im April kommenden Jahres statt.

Joanna Bator, Jahrgang 1968, gilt als eine herausragende Stimme der zeitgenössischen europäischen Literatur. Mit ihren ebenso eigenwillig wie kunstvoll und feinsinnig erzählten Texten greift sie leise, aber entschieden aktuelle gesellschaftliche Fragen und Phänomene auf, und lotet sie in ihren historischen Tiefendimensionen aus.

Ihr jüngster Roman „Dunkel, fast Nacht“ zeigt, wie Hass eine Gesellschaft zerstören, wie schnell der Firnis menschlicher Moral reißen kann, wenn Menschen mit Veränderung konfrontiert sind. Für diesen Roman erhielt Joanna Bator 2013 die Nike, den wichtigsten polnischen Literaturpreis. In diesem Jahr stand die Autorin für das Werk auf der Shortlist des Internationalen Literaturpreises – Haus der Kulturen der Welt 2016. Zuvor veröffentlichte sie die Romane „Sandberg“ (2011) und „Wolkenfern“ (2013) sowie zahlreiche Essays und Artikel.

Zudem ist Joanna Bator Trägerin des Spycher: Literaturpreises Leuk 2014. Sie war im Wintersemester 2014/15 Inhaberin der Friedrich-Dürrenmatt-Gastprofessur für Weltliteratur in Bern. 2015 lebte und arbeitete Joanna Bator für zwölf Monate als Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD in Berlin. Die promovierte Philosophin ist Autorin und Hochschuldozentin, lehrte unter anderem in Warschau, New York, London und Tokio. In Japan verbrachte sie vier Jahre. Ihr Zuhause ist in Polen.

Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig: „Das Kuratorium würdigte die literarische Qualität des Werkes. Persönlich freue ich mich zudem auf einen besonderen Austausch, denn die Fragen, mit denen sich Joanna Bator beschäftigt, berühren in ihrer Substanz die gesellschaftlichen Debatten, denen wir täglich begegnen. Es geht um die Deutung von Geschichte und Gegenwart, Brüche im Leben einzelner Personen und in ganzen Gesellschaften, um Identität, Zugehörigkeit und Ausgrenzung.“

Prof. Bernadette Malinowski, Mitglied des Kuratoriums zur Verleihung des Internationalen Stefan-Heym-Preises und Inhaberin des Lehrstuhls für Neuere Deutsche und Vergleichende Literaturwissenschaft an der TU Chemnitz: „Mit Joanna Bator wird eine Schriftstellerin ausgezeichnet, deren zeit- und gesellschaftskritisches Werk dem Geiste Stefan Heyms sehr verwandt ist. In allen ihren bisher erschienenen Romanen wählt sie die kleine schlesische Provinz- und Bergbaustadt Walbrzych als einen Handlungsort, an dem die großen menschlichen Themen und Fragen – Identität, Heimat, Fremde, Flucht, Vertreibung –, an dem gesellschaftliche Zusammenhänge und kollektive Wirkungsmechanismen narrativ entfaltet werden. Die Protagonisten ihrer Romane sind keine eindimensionalen Wesen, sondern empfänglich für das Gute wie das Böse, für Mythen und Dämonen, für Phantastisches und Absurdes, für Erinnern und Verdrängen, kurz: für alles, was Fluch und Segen der menschlichen Existenz ausmacht. Dabei lässt sie in den erzählten individuellen und kleinkollektiven Schicksalen das Profil einer ganzen Gesellschaft in ihren epochalen Verflechtungen aufleuchten. Wir haben es hier mit einer Literatur zu tun, die sich gerade dadurch klar positioniert, dass sie keine Stimme ausblendet (auch nicht die des Hasses), keine Stimme ins eindeutige Recht oder Unrecht setzt, sondern das Erzählte mit großer Empathie heranrückt und zugleich mit feiner Ironie und leisem Witz auf Distanz hält. Diese Literatur überantwortet es letztlich dem Leser, sich kritisch mit den erzählten Phänomenen und Diskursen, die immer auch einen klaren Bezug zur Wirklichkeit aufweisen, auseinanderzusetzen. Bator erklärt Krisen und Konflikte nicht, sondern zeigt sie in ihrer psychologischen und sozial-historischen Gewordenheit, sie moralisiert nicht, sondern ringt im Medium der Literatur um ein Verstehen. Mithin wird durch die Vergabe des Stefan-Heym-Preises an Frau Bator eine Autorin geehrt, die mit künstlerisch geschärftem, präzisem Blick auf die Wirklichkeit wesentliche Aspekte des Schaffens von Stefan Heym fortschreibt.“

Joanna Bator: “So etwas wie “den Schriftsteller” gibt es eigentlich nicht. Verschiedene Autoren wollen verschiedene Dinge, und es ist ganz natürlich, dass nicht jeder, der ein Buch schreibt, das gleiche Ziel verfolgt. Einige von uns, wie Nabokov, glauben, dass die ästhetische Freiheit das einzige Prinzip ist, dem es zu folgen gilt. Andere, wie Orwell, dringen darauf, dass direkte politische Einmischung entscheidend ist. Ich neige zu Ersterem. In Zeiten wie den heutigen aber ist jeder, wir Schriftsteller eingeschlossen, dazu gezwungen, die Spannung zwischen seinem Privatleben, seinen Fragen und Zweifeln, und der Öffentlichkeit, die eine ganz andere Sprache und Lösungsansätze braucht, neu zu definieren. Vor wenigen Wochen etwa, als ich an den „Black-Protest“-Demonstrationen in Warschau teilnahm, bei denen Frauen für ihre Rechte eintraten, war ich sicher, dass ich an der richtigen Stelle war. Es war wichtig, private Projekten hintenanzustellen, um sich gegen eine Gefahr zu positionieren, die der Gesellschaft als Ganzes drohte. Ich glaube fest daran, dass ich als Autorin das Leben vieler Menschen, meiner Zeitgenossen, nur dann tatsächlich beeinflussen kann, wenn ich die richtigen Bücher zur genau richtigen Zeit schreibe.“

Internationaler Stefan-Heym-Preis der Stadt Chemnitz
Der Internationale Stefan-Heym-Preis der Stadt Chemnitz wird in Erinnerung an das Leben, Werk und Wirken von Stefan Heym, den Sohn und Ehrenbürger unserer Stadt, verliehen. Mit dem Internationalen Stefan-Heym-Preis sollen zeitkritische und couragierte Persönlichkeiten gewürdigt werden, die wie Stefan Heym als Schriftsteller bzw. Publizisten herausragende und nachhaltig wirkende Leistungen erbracht haben. Erstmals wurde der Preis 2008 an Amos Oz verliehen. 2011 erhielt Bora Ćosić die Auszeichnung. Aus Anlass des 100. Geburtstag Stefan Heyms wurde der Preis 2013 an Christoph Hein vergeben.

Zum Kuratorium, das über die Vergabe des Preises entscheidet, gehören die Oberbürgermeisterin der Stadt Chemnitz, der Präsident des P.E.N. Zentrums Deutschland, der Präsident des Goethe-Institutes, der Leiter des C. Bertelsmann Verlages, der Vorsitzende der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) – Deutsche Sektion, die Vorsitzende der Internationalen Stefan-Heym-Gesellschaft e. V., Frau Prof. Malinowski als Inhaberin des Lehrstuhls für Neuere und Vergleichende Literaturwissenschaft an der TU Chemnitz und zwei Stadträte des Kulturausschusses der Stadt Chemnitz.

Stefan-Heym-Förderpreise
Im Jahr 2017 werden zudem erstmals Stefan-Heym-Förderpreise verliehen. Insgesamt 20.000 Euro stehen für Projekte und Initiativen in Wissenschaft und Forschung, zur Nachlasspflege, für Stipendien oder zur Unterstützung von Projekten mit Schülerinnen und Schülern bzw. Studierenden zur Verfügung, die sich in besonderer Weise mit Leben und/oder Werk Stefan Heyms beschäftigen. Mehr hierzu finden Sie in der Pressemitteilung 598.

Weitere Informationen
Informationen zum Internationalen Stefan-Heym-Preis der Stadt Chemnitz, den Stefan-Heym-Förderpreisen sowie den bisherigen Preisträgern finden Sie auf der Internetseite www.stefan-heym-preis.de.

Informationen

Herausgeber:
Pressestelle
Stadt Chemnitz

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