Nischel Jubiläum: Weggefährten erinnern sich

Zwei Jahre, zwei Künstler, 76 Entwürfe

Volker Beier, Bildhauer

Interview Volker Beier
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Jede einzelne der 174 Platten trägt seine Handschrift: Volker Beier hat sie alle eigenhändig bearbeitet. Gemeinsam mit dem Künstler Heinz Schumann hat der Bildhauer den Schriftspiegel hinter dem Karl-Marx-Kopf entworfen und angefertigt. Im Interview berichtet er vom Schaffensprozess, von Schwierigkeiten und abgelehnten Vorschlägen.


Wie kam es dazu, dass Sie den Auftrag für den Schriftspiegel erhalten haben?

Heinz Schumann hatte mich gefragt, ob ich das – da ich bildhauerisch ja schon einige Erfahrungen hatte – lösen könnte mit ihm. So kam es zu diesem Auftrag. Er lautete: »Schriftgestaltung hinter dem Karl-Marx-Monument«.


Hatten Sie dafür gewisse Vorgaben?

Nein, wir waren da völlig frei. Es gab Vorstellungen von Lew Kerbel, die anders aussahen. Er hatte da selbst schon Vorschläge gemacht, die wir alle nicht akzeptieren konnten und so ist es zu der Schriftlösung gekommen, die heute hinter dem Monument zu sehen ist.


Welche Vorschläge hatte Lew Kerbel?

Lew Kerbel hatte Vorschläge, einen Kettensprengenden im Relief riesengroß auf der 400 Quadratmeter großen Fläche zu bringen. Also etwas sehr Heroisches, das in der ganzen Breite niemand akzeptieren konnte.


Warum haben Sie diese abgelehnt?

Weil es nicht dazu passte. Es war bereits ein Umdenken, einen solch großen Kopf an diese Stelle zu setzen, aber nachdem dann die Faltung (Anm. d. Red.: die »Parteisäge«) gebaut wurde, stimmte der Platz dann erst einmal. Man merkte, dass Lew Kerbel sich das sehr gut überlegt hatte, dass der Platz berechtigt war und optisch die Architektur den Kopf aufgenommen hat und das hat uns eigentlich alle überzeugt.


Wie war die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und Heinz Schumann?

Wir haben uns immer schon sehr gut verstanden. Wir haben dann gemeinsam entschieden und skizziert, aber die Skizzen sollten eine einheitliche Handschrift tragen, also habe ich dem Ganzen später meine plastische Handschrift gegeben.


Wie viele Entwürfe haben Sie gebraucht, ehe Sie das Richtige gefunden haben?

76. Das war aus dem Grund, dass die Statik des Gebäudes das nicht anders hergab: Wir konnten nicht mit Naturstein arbeiten wie es bis dahin geplant war, nämlich mit Rochlitzer Porphyr – dem heimischen Material – sondern wir mussten uns auf ein leichtes Material umorientieren und deshalb sind wir auf Aluminium gekommen. Es ist eine Hydronalium-Legierung, die seewasserbeständig ist, weil wir in Chemnitz eine große Konzentration der Chemie hatten und da war es wichtig, dem etwas entgegenzusetzen. Der Schriftspiegel durfte nicht korrodieren. Und diese Hydronalium- Legierung hat ja die ganzen Jahre bewiesen, dass sie beständig diesen schönen, silbergrauen Wert erhalten hat. Das war uns wichtig.


Was war die Intention für den Schriftspiegel?

Das ist eine breitgefächerte, mehrsprachige Geschichte, die alle angeht. Es ist ein Gedanke, der in der Welt sehr wichtig ist.


Wie sind Sie bei der Sprachauswahl verfahren?

Es war unser gemeinsamer Wunsch, dass der Schriftspiegel international wirksam wird und für unsere Stadt war das ja eine sehr wichtige Geschichte.


Welche Erinnerungen haben Sie an die Einweihung?

Sehr, sehr Gute: Das ist gut aufgenommen worden und man hat viele Interviews gehabt, es waren auch viele Schulklassen und das war schon eine ganz gute Öffentlichkeitsarbeit. Wir haben auch vorher sehen können, wie das Karl-Marx-Monument selbst aufgestellt und aus den vielen Teilen zusammengeschweißt wurde. Das war ganz lustig, das von oben von unserem Gerüst aus zu sehen, als wir den Schriftspiegel gesetzt haben.


Wie war Ihr Schaffensprozess für den Schriftspiegel?

Wir haben den Schriftspiegel 1:1 modelliert, 1:1 gezeichnet im damaligen Marmorpalast, dann wurde es bei VEB Stuck nach der Zeichnung gefertigt und ich habe mich dann stückweise diesen 400 Quadratmetern aller paar Tage gewidmet, wenn VEB Stuck diese Schrift aufgebaut hat. Dann habe ich die Struktur modelliert, damit es eine einheitliche Handschrift über den gesamten Schriftspiegel gab. Von der 400 Quadratmeter großen Schrift ist mir bekannt, dass so etwas bis dahin noch nie in dieser Größe auf der Welt gestaltet wurde. Zu dieser Zeit war es die größte Schriftfläche. Dann ging natürlich alles an den Statiker Christian Weise, der eine gute Aufhängung für die Platten gemacht hat – oben wurden sie in Bügel gehängt und unten in Federn gesteckt mit einer Dehnung von zwei Zentimetern, dass das Material schön arbeiten kann. Sie sind alle so ineinandergesteckt, dass man nie welche rausheben kann, also kann auch da nichts passieren.


Hatten Sie irgendwann Zeitdruck, den Schriftspiegel fertigzustellen?

Eigentlich nicht. Wir mussten nur verschiedene Betriebe ansprechen, die kleine Zuarbeiten an den Platten zu erledigen hatten.


Haben Sie den Transport und die Aufhängung der Platten begleitet?

Ja, wir haben selbst mitgemacht. Innerhalb einer Woche haben wir die Platten zu viert gehängt. Sie sind so schwer, dass man sie gerade so heben kann und wir da kein so großes Hebezeug brauchten. Die Gerüstböden wurden so gemacht, dass wir die Platten noch gut 20 Zentimeter reinheben mussten. Das ging erstaunlich gut. Wir haben von unten angefangen und die Platten immer der Reihe nach bis oben eingehängt.


Welche Rolle hat das Kunstwerk für Ihre bildhauerische Arbeit gespielt?

Es spielte eine große Rolle, so konnte ich danach natürlich auch viel größere Projekte gestalten.


War Ihnen damals bewusst, dass Sie ein Stück Stadtgeschichte schaffen?

So bewusst war mir das nicht, nein. Wir waren so verankert durch das Büro für architekturbezogene Kunst und die haben das sehr gut geleitet und gelenkt. Jeder hat seine Aufgaben gemacht und seinen Bereich gehabt und andere haben darüber befunden.


Was haben Sie damals gedacht als sie den Auftrag bekommen haben?

Ich habe gedacht, das ist eine schöne Herausforderung und es hat mir Freude bereitet.


Was beeindruckt Sie am Gesamtkunstwerk Karl-Marx-Monument?

Dass es ein Ensemble bildet und dass die Architektur, das Ganze sich behauptet. Mich beeindruckt auch, dass ringsherum viel lebt, mit vielen Menschen, dass sich viele dieser Sache annehmen. Deshalb muss ich sagen, verteidige ich die Architektur sehr stark. Wenn man dort einfach was wegnimmt, dann schwimmt das Monument optisch hin und her.


Was denken Sie heute über das Karl- Marx-Monument?

Ich denke genau das gleiche, was ich damals gedacht habe: Dass das Monument eine gewisse Symbolik für die Stadt hatte, die eben Karl- Marx-Stadt hieß. Das war schon wichtig.


Haben Sie weitere Geschichten, die Sie über das Monument erzählen?

Einer der Polizisten, die immer mal ein Auge auf das Monument geworfen hatten, sagte einmal, dass er etwas gehört hätte im Monument, das klang, als wäre etwas abgefallen. Da wurde ich von der Stadt gefragt, ob das denn möglich sei. Ich habe dann erklärt, dass das nicht sein kann und auch keiner mehr in den Karl-Marx-Kopf hineinsteigen kann. Ich habe selbst gesehen, wie das letzte Stück verschweißt wurde. Es hat einfach Spaß gemacht, das Monument in der Entstehung zu sehen. Es war interessant und da ist gemeinsam von Russen und Deutschen etwas geschaffen worden. 

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