Stolpersteine in Chemnitz
Jenny Olga und Ilse Margarethe Fleischer
Foto: Stadt Chemnitz, Pressestelle
Jenny Olga Fleischer, geb. Cohn
Geboren: 09.09.1878
Gestorben: 19.11.1938
Ilse Margarethe Fleischer
Geboren: 13.08.1900
Gestorben: 19.11.1938
Verlegeort:
Holzmarkt 15, heute Rosenhof 1a
Stolperstein-Verlegung am:
17. Mai 2022
Lebensweg
Foto: Cornelia Siegel
Jenny Fleischer war die Witwe des Schuhgeschäftsinhabers Hugo Fleischer, der in den 1920er-Jahren zu den führenden Vertretern der Deutschen Demokratischen Partei in Chemnitz gehörte. Der angesehene Kaufmann hatte die Partei fast ein Jahrzehnt lang als unbesoldeter Stadtrat im Ratskollegium vertreten. Er war Inhaber eines Schuhund Stiefelbasars, der seinen Sitz im Holzmarkt 15 hatte. Das Geschäftshaus baute er in der Folgezeit zum »Schuhhaus für Alle« aus. Am 10. Oktober 1899 hatte sich Hugo Fleischer mit der aus Niederschlesien stammenden Jenny Cohn vermählt. Bereits zehn Monate später wurde ihr einziges Kind, Tochter Ilse Margarethe, geboren. Die Familie wohnte in unmittelbarer Nachbarschaft zum Geschäft im Holzmarkt 8.
Am 2. Dezember 1929 verstarb der angesehene Stadtrat an den Folgen eines Herzinfarktes. An der Trauerfeier nahmen führende Vertreter des öffentlichen Lebens teil. Bürgermeister Walter Arlart würdigte die Verdienste des Verstorbenen und hob besonders dessen »warmherziges Gefühl für die Kleinen und Schwachen« hervor. Jenny Fleischer war fortan Geschäftsinhaberin, ihre unverheiratete Tochter wurde Geschäftsführerin.
Die Frauen gaben die bisherige Wohnung auf und zogen in das Geschäftshaus, das erst im Frühjahr 1928 von den Architekten Max Feistel und Dr.-Ing. Kurt Pötzsch grundlegend umgebaut worden war. Doch Jenny und Ilse Fleischer konnten nur bis zur NS-Machtergreifung das Familienerbe unbehelligt fortführen. Der antisemitische »Kampfbund für den gewerblichen Mittelstand« setzte am 1. April 1933 auch ihr Geschäft auf die »Liste jüdischer Geschäfte, Rechtsanwälte und Ärzte«, die von der Bevölkerung boykottiert werden sollten.
Infolgedessen ging der Umsatz dramatisch zurück. Daher bevollmächtigte Jenny Fleischer im Juni 1938 ein Maklerbüro, das zweigeschossige Geschäftshaus zu verkaufen. Die NS-Behörden bestanden auch auf einer »Arisierung« der Schuhwarenhandlung. Die Mercedes Schuhfabriken Aktiengesellschaft in Stuttgart hatte Interesse an einer »Übernahme«, doch dazu sollte es nicht mehr kommen.
Am Morgen des 19. November 1938, zehn Tage nach den furchtbaren Novemberpogromen, schieden Jenny und Ilse Fleischer gemeinsam freiwillig aus dem Leben. Ihre leblosen Körper wurden am Mittag im Holzmarkt 15 gefunden. Als Todesursache wurde von den Behörden »Freitod durch Rauchgasvergiftung« angegeben. Ihre Urnen wurden vier Tage später in der Familiengrabstätte des Jüdischen Friedhofes im Ortsteil Altendorf beigesetzt.
Hier liegen die Stolpersteine für Jenny und Ilse Fleischer:
Stolpersteine in Chemnitz
Es ist ein Projekt gegen das Vergessen: in Chemnitz werden seit 2007 jährlich Stolpersteine verlegt.
Eingelassen in den Bürgersteig, erinnern die Gedenksteine an tragische Schicksale von Mitbürgern, die während des nationalsozialistischen Regimes verfolgt, deportiert, ermordet oder in den Tod getrieben wurden.
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