Gutachterverfahren
Die Johannisvorstadt
Entlang der Bahnhofstraße entstehen zwei neue Quartiere. Gewerbebauten schirmen zur hoch belasteten Straße ab. Um kleinere quartiersprägende Plätze mit Blick auf die prägenden Bauten (Kirche / Kaufhaus Tietz) entstehen angenehme innenstadtnahe Wohnquartiere.
Erdgeschossig werden platzseitig großzügig verglaste Ladenzonen mit entsprechenden Lagerflächen zur Verfügung gestellt; die Ladenzonen orientieren sich hierbei zum Quartiersplatz und beleben diesen.
Historischer Bezug
Mit ihrem Bestreben, die Stadtmitte mit östlich am Tietz angrenzenden Flächen zu verbinden und zu verdichten, greifen Architekten im jüngst von der Stadt initiierten Gutachterverfahren einen historischen Faden auf und verweisen mit ihrem Arbeitstitel »Neue Johannisvorstadt« bei der künftigen Entwicklung dieses Gebietes auf die Historie. Stadtgeschichtlich gibt es folgenden Bezug: »Das in östlicher Richtung gelegene Johannistor befand sich ungefähr an Stelle des heutigen Posthofes. Der Weg durch das Tor führte zur Johannisvorstadt, etwa auf dem Gelände zwischen Zschopauer und Ausgustusburger Straße gelegen, mit der Johanniskirche und dem Johannisfriedhof. Der Verkehr mündete in die Straßen nach Zschopau, Freiberg-Dresden und in Richtung Augustusburg«, so beschreibt es Adam Daniel Richter in einem historischen Dokument.
Fragen und Antworten zu »Neuen Johannisvorstadt«
Auf die Entwürfe gibt es überwiegend positive Resonanz der Bürger. Zugleich haben sie große Erwartungen. Die Frage steht also im Raum: Wann wird tatsächlich gebaut?
Es wird nicht alles auf einmal gehen. Nun gilt es Prioritäten zu setzen und danach den Umsetzungsprozess zielgerichtet zu beginnen. Der Planungs-, Bau- und Umweltausschuss hat sich am 8. September in nichtöffentlicher Sitzung mit den Ergebnissen beschäftigt und der Verwaltung Vorgaben zur Umsetzung gegeben. Um Investoren
von den Ideen zu überzeugen, werden bereits Gespräche geführt aber auch die Immobilien-Fachmesse EXPO REAL Anfang Oktober dafür genutzt. Mit besonderer Priorität soll das Baufeld »Neue Johannisvorstadt« entwickelt und vermarktet werden.
Bisher war für den Parkplatz am Tietz eine geschlossene Blockbebauung mit vorrangig Einzelhandel und Büros vorgesehen. Und auf dem Parkplatz an der Johanniskirche sollte der Park der Opfer des Faschismus weitergeführt werden. Warum wurden diese Ziele geändert?
Der Innenstadt fehlt bauliche Dichte und eine Anbindung an die benachbarten Stadtteile. Insbesondere die Bahnhofstraße wirkt wie eine Barriere und bietet keinen Anreiz für Passanten, sich aufzuhalten. Der Rahmenplan,der derzeit fortgeschrieben wird, hat deshalb eine bauliche Entwicklung sowohl für den Parkplatz am Tietz als auch für den Parkplatz an der Johanniskirche zum Ziel. Aufgabe der Teilnehmer des Gutachterverfahrens war, dafür ein städtebauliches Konzept zu entwickeln – mit Ideen zur Quartiersbildung, Nutzung, aber ebenso zum Vernetzen von Freiräumen. Eine Herausforderung für die Konzepte ergab sich zudem aus der Historie des Standortes, der Johannisvorstadt.
Warum scheinen diese Bereiche trotz der Lage an stark befahrenen Straßen als Wohnstandorte geeignet?
Die Nachfrage nach innerstädtischem Wohnen wächst. Chemnitz wird zunehmend interessant für Investoren, da die Renditeerwartungen in anderen Städten wie Dresden oder Leipzig sinken. Chemnitz hatte einen namhaften Immobilienentwickler mit einer Untersuchung des Nutzungspotenzials beauftragt. Diese ergab, dass insbesondere der Bereich der ehemaligen Johannisvorstadt fürs Wohnen sehr gut geeignet ist. Seit einigen Jahren ist zu beobachten, dass immer mehr Menschen Innenstädte als attraktive Wohnorte (wieder-)entdecken. Sie erwarten und finden hier die erwünschte Infrastruktur und gute Wohnbedingungen. Von diesem Trend kann auch Chemnitz profitieren. Für Wohnen in der »Neuen Johannisvorstadt« spricht die Möglichkeit, ein Quartier mit verschiedenen Nutzerzonen zu bilden; eine gute Anbindung zum Park und zur Johanniskirche; die innerstädtische Lage mit Nähe zur Infrastruktur der City und die trotz zentraler Lage grüne Umgebung. Eine kleinteilige Quartiersbildung ermöglicht unterschiedliche Wohn- und Eigentumsformen und kann auf unterschiedliche Nachfrage reagieren. An der Augustusburger Straße und der Bahnhofstraße ist zum Abschirmen der Wohnungen vor Lärm beispielsweise ein Parkhaus denkbar.
Der Siegerentwurf für das Umfeld der Johanniskirche fand bisher breite Zustimmung. Kritischer bewertet wurde, den Parkplatz am Tietz statt mit einem mit zwei Karrees zu bebauen.
Bisherige Planungen für den Parkplatz sahen ein großes Karree vor. Diese schematische Idee sollte zunächst deutlich machen, dass es neben dem Tietz ein Baufeld an der Bahnhofstraße/Zschopauer Straße geben soll. Im Gutachterverfahren wurde herausgearbeitet, dass eine kleinteiligere Gliederung des Areals, die den Haupteingang zum Tietz betont, wünschenswert wäre. Der Entwurf schafft durch das Abschirmen zur Bahnhofstraße einen Vorplatz für das Tietz, auf dem man sich aufhalten kann.
Bürger äußerten, dass das Konzept anzulegende Plätze als »Resträume« versteht? Welche Funktion sollen die Plätze einmal haben?
Sie wurden bewusst gestaltet und sowohl durch ihre Ausrichtung auf das Tietz und die Johanniskirche als auch zur Dimensionierung angrenzender Karrees entwickelt. Die Plätze inszenieren die Schnittpunkte der Wegebeziehungen von Fußgängern und schaffen gleichzeitig Adressen innerhalb der Quartiere. Auf diesen Flächen, die verkehrsabgewandt Aufenthaltsqualität besitzen, öffnen sich die Erdgeschosse angrenzender Karrees. Hier soll Gastronomie und Einzelhandel belebend wirken.
Die Gliederung der Karrees der »Neuen Johannisvorstadt« wird maßgeblich vom unterirdisch verlaufenden Gablenzbach vorgegeben. Könnte man das Gewässer dabei offenlegen?
Grundsätzlich wäre das möglich. Der Bach hätte jedoch eine nur geringe gestalterische Wirkung, da er meist nur wenig Wasser führt und die Sohle etwa 3,5 Meter unter der Geländeoberfläche liegt. Der Architektenentwurf nimmt aber die Lage des Gablenzbachkanals auf. Bei der Freiflächengestaltung könnte auf das Motiv des Bachverlaufs symbolisch eingegangen werden.
Ein Besucher der Ausstellung schlägt vor, den Turm der Johanniskirche, der in den 1970er-Jahren in einer vereinfachten und verkürzten Form umgebaut wurde, wieder in der ursprünglichen Form zur Geltung zu bringen. Ist das realistisch?
Der Vorschlag ist es wert, näher betrachtet zu werden. Mit der Bebauung der umgebenden Karrees, die sicherlich vier bis fünf Geschosse haben werden, besteht die Gefahr, dass die Kirche in ihrer jetzigen Kubatur zu wenig zur Geltung kommt.
Es heißt, das Realisieren der beiden Baufelder solle möglichst zügig vorangebracht werden. Entspricht dieses Vorgehen der beabsichtigten Entwicklung der Innenstadt von innen nach außen?
Die Strategie »von innen nach außen« bezieht sich vor allem auf die Standortentwicklung für den Einzelhandel. Dieser muss nach wie vor im unmittelbaren Stadtzentrum, also im Umfeld von Markt und Neumarkt und entlang der Straße der Nationen eingeordnet werden. Eine Bebauung der Quartiere jenseits der Bahnhofstraße stärkt aber ebenfalls die Innenstadt. Vor allem das innerstädtische Wohnen bringt zusätzliche Kunden und Frequenz für die Innenstadt und wird deshalb sehr begrüßt.
Mit der Bebauung fallen öffentliche Parkflächen weg. Insbesondere der Parkplatz am Tietz würde für dessen Besucher benötigt. Wird dafür Ersatz geschaffen?
Ja, in beiden Baufeldern fallen die ebenerdigen öffentlichen Stellplätze weg. Im Siegerentwurf ist auf beiden Baufeldern vorgesehen, Stellplätze zu ersetzen. Am Tietz kann dies in einer Tiefgarage erfolgen. Im Bereich der »Neuen Johannisvorstadt« besteht die Option für die Errichtung eines Parkhauses an der Ecke Bahnhof-/Augustusburger Straße. In beiden Fällen würden die Stellplatzanlagen als private Einrichtungen mit einem Anteil öffentlich nutzbarer Plätze errichtet.