Es bleibt spannend hier
Frank Bihra
Macher der Woche vom 3. Juni 2015
Am 14. Juni bevölkern rund 800 Radfahrer am Morgen die Chemnitzer Innenstadt. Vom Roten Turm bis zu den Pinguinen dicht gedrängt, warten sie gespannt auf den Startschuss zum 4. Fichtelberg Radmarathon. Dann gilt es die 84 Kilometer lange Tour mit 1.900 Höhenmetern zu bewältigen. Für den einen ist es eine unvorstellbare Tortur, für den anderen eine fantastische Erfahrung. Die Wahrheit liegt wohl auf halber Strecke. Frank Bihra, Organisationsleiter, klärt uns über die Faszination des Rennens auf. #MacherderWoche
Wie bist Du auf die Idee gekommen, ein Radmarathon in Chemnitz zu organisieren?
Frank Bihra: Ich kam vom Stilfser Joch. Das ist mit 2757 Meter der höchste Gebirgspass in Italien. 6.000 Radfahrer sind auf das Stilfser Joch hinauf geradelt: Eine Stimmung – beeindruckend. Am Vorabend wollte ich essen gehen und bekam kaum einen Platz in den Restaurants. So viele Menschen waren unterwegs. Am darauffolgenden Tag zwischen den Radfahrermassen den Berg hoch zu strampeln, war einfach ein schönes Gefühl. Danach habe ich mich gefragt, warum wir das nicht bei uns auf die Reihe bekommen.
Den Gedanken hast Du sofort umgesetzt?
Wie ich nach Hause kam, kontaktierte ich Heiko Schinkitz, den Präsidenten des Stadtsportbundes Chemnitz und berichtete von der Veranstaltung. Ich war in einer solchen euphorischen Stimmung, dass ich ein Rennen in Chemnitz auf die Beine stellen musste. Viele dachten, wir verbrennen mit der Veranstaltung nur Geld. Außerdem, so die Meinung, gäbe es nur 30 Leute, die es auf den Fichtelberg zum Fichtelberghaus schaffen.
Im vergangenen Jahr war die Veranstaltung mit 600 Fahrern das erste Mal ausgebucht. Nicht nur einheimische Radler quälten sich auf den höchsten Berg Sachsens (1.215 m). Sie kamen aus der halben Republik: „Hamburger, Rostocker, Dresdner, Leipziger, Kölner und Berliner waren dabei“, berichtet Frank Bihra. „Dieses Rennen ist in der Tat eine richtig gute Werbung für Chemnitz über den Tag hinaus“, schrieb ihm die Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig in einem Brief. Worte, die Bihra stolz machen und seine Arbeit bestätigen: „Frau Ludwig hat erkannt, dass wir was für unsere Stadt tun. Dabei hat sie uns immer gut unterstützt.“ Inzwischen hat sich der Fichtelbergradmarathon in der Radsportszene etabliert.
Warum veranstaltest Du den Fichtelbergradmarathon?
Neben dem rein sportlichen Aspekt - für Breiten- und Freizeitsportler ist es ein anspruchsvolles Event - gibt es wie schon gesagt weitere, die eine Rolle spielen: Wir wollen unsere Stadt bekannter machen. Sportliches Event ist das eine, das andere: wir wollen was für Chemnitz und auch für das Erzgebirge tun. Wir arbeiten eng mit dem Tourismusverband Erzgebirge zusammen, schreiben die Bürgermeister an der Strecke an, ob sie uns nicht unterstützen wollen. Schließlich kommen die Fahrer aus halb Deutschland. Im Vorfeld der Veranstaltung haben wir die auswärtigen Teilnehmer angeschrieben und gefragt, ob sie Hilfe z.B. bei der Hotelbuchung benötigen. Damit kamen wir ins Gespräch und die Teilnehmer bringen das nächste Jahr Freunde mit. Aus meiner Sicht ist das Stadtmarketing.
Wie oft bist Du schon selber den Fichtelberg hinauf gefahren?
Ich kann es nicht zählen, zu Trainingszwecken schon einige Mal. Am Wettkampftag sitze ich aus organisatorischen Gründen im Führungsfahrzeug: Mache unsere Streckenposten noch einmal munter, bitte entgegenkommende Fahrzeuge vorsichtig zu fahren.
Empfohlen ist der Fichtelbergradmarathon für „gut trainierte Freizeitsportler“. Ein kleiner Hinweis, was die Fahrer auf der Strecke erwartet: 84 Kilometer durch die erzgebirgische Hügellandschaft und hoch auf den Fichtelberg mit einer 16prozentigen Steigung. „Aber nur kurz“, lächelt Frank Bihra. Fahrzeiten zwischen drei und sechs Stunden sind dabei. „Wir starten in Dreißiger-Gruppen, damit es nicht zu größeren Staus auf den Straßen kommt. Dadurch zieht sich das Feld schon auseinander.“
Warum startet der Fichtelbergradmarathon ausgerechnet in Chemnitz?
Chemnitz hat sich in den vergangenen Jahren sehr gut entwickelt und es bleibt spannend hier. Ich mag die Stadt, die Region, wo meine Freunde, ein Großteil meine Familie leben. Das was uns noch fehlt, müssen wir, Jung und Alt, gemeinsam aufbauen. Und da müssen alle mit anpacken. Nur herummeckern und dann von hier verschwinden, das ist keine gute Lösung. Deshalb trage ich bzw. tragen wir einen Teil dazu bei.
Bekommst Du nach dem Rennen eine Resonanz von auswärtigen Fahrern? Wenn ja, wie fällt die aus.
Facebook ist eine schöne Sache - darüber bekommen wir Meinungen oder via Emails. Und es gibt wirklich Dankschreiben. Die meiste Resonanz kriege ich auf dem Plateau oben auf dem Fichtelberg, direkt nach dem Rennen. Da ist so eine tolle Stimmung.
Was ist Deine Aufgabe als Organisationsleiter?
Neben den organisatorischen Dingen für das Rennen, besuche ich die wichtigsten Radhändler in der Region, bringe Ihnen Flyer und Plakate, führe Sponsorengespräche, treffe Vereinbarungen. Der einzige Monat, in dem ich nichts für den Fichtelbergradmarathon mache, ist der Juli. Im September geht die Sponsorensuche los. Bis November müssen die feststehen. Bis Weihnachten Trikot und Flyer entwerfen, damit die dann zu den Sponsoren ins Weihnachtsgeschäft geht.
Das klingt nach einem Fulltime-Job?
Ich dachte am Anfang, dass ich die Organisation an einem Tag schaffe. Aber das ging nur zur Premierenveranstaltung. Mittlerweile haben wir eine CSB - Chemnitzer Sportbund Sportmarketing UG, deren Geschäftsführer ich bin, gegründet. Das hat den Grund, dass man nicht mehr alles durch das Präsidium absegnen lassen muss und flexibler agieren kann.
Hast Du einmal gerechnet, wie viel Zeit für die Organisation drauf geht?
Das ist schwierig, Es ist eine Mischung aus Hauptbeschäftigung und Ehrenamt.
Wie finanziert Ihr Euch?
Wir arbeiten mit Sponsorengeldern, Einnahmen von den Radtrikots und den Startgeldern. Wir bekommen keine Förderung. Begleitfahrzeuge, sanitäre Absicherung, Streckenverpflegung - inzwischen bewegen wir schon ein bisschen Geld.
Gibt es eine Vision, wo Du mit der Veranstaltung hin willst?
Ich möchte nicht mit Zahlen in vierstelliger Höhe arbeiten, weil wir bis dahin noch viel zu tun haben. Nur um einen kleinen Punkt zu nennen: Rad- und Autofahrer sind nicht unbedingt die besten Freunde. Wir müssen aber aufeinander Rücksicht nehmen, weil die Strecke nicht abgesperrt ist. Dafür appellieren wir an das Verständnis sowohl der Auto-, als auch der Radfahrer und müssen dafür aber auch kämpfen. Natürlich müssen unsere Radfahrer vernünftig fahren und die Verkehrsordnung beachten. Wir würden uns freuen, wenn mehr Autofahrer an diesem Tag ihre Fahrzeuge stehen lassen und die Teilnehmer dafür anfeuern. An dem Verständnis arbeiten wir.
Verträgt die Chemnitzer Sportszene so viele Veranstaltungen?
Natürlich vertragen wir diese Anzahl an Veranstaltungen. Das merken wir auch an den Anmeldezeiten, wie schnell sich die Leute registrieren. Wir müssen viele abweisen und haben eine Warteliste. Das ist für mich ein Beleg, dass es gut angenommen wird.
Ist Chemnitz eine richtige Sportstadt?
Wir haben mehr als 200 Vereine in Chemnitz. Ich bin der Meinung, wenn junge Menschen mit ihren Familien nach Chemnitz kommen, um zu arbeiten, wollen die nicht nur ins Opernhaus gehen. Die wollen für ihre Kinder und für sich selber Sportangebote finden und nutzen. Staatsminister Markus Ulbig hat bei einem Chemnitzbesuch gesagt: „Wenn es nicht so gute Sportvereine gäbe, hätte die Polizei noch ganz andere Probleme.“ Dieser Ausspruch hat uns gefallen.
Hast Du den Eindruck, dass man den Chemnitzern Mut machen muss?
Es kommt drauf an in welchen Kreisen man sich bewegt. Ich habe viele Freunde, die sagen: es ist doch eine ordentliche Stadt. Man hat viele Möglichkeiten, muss nur die Augen und Ohren aufmachen. Ich finde Chemnitz ist eine vernünftige Stadt. Wenn junge Leute wieder bei ihrer Familie sein wollen und zurückkommen in die Heimat, dann würde uns das gut tun.