„Mach es doch einfach selbst“
Katrin Kropf
Macherin der Woche vom 15. April 2015
Wie gutes Radio klingen soll, davon hat jeder eine andere Vorstellung. Seit 20 Jahren gibt es in Chemnitz ein freies Radio, das sich vom üblichen privaten und öffentlichen Programm abheben will. Nach dem Motto: Wenn Dir kein Programm gefällt, mach es doch selbst. Jetzt feiern die ehrenamtlichen Radiomacher den 20. Geburtstag von Radio T. Engagiert dabei ist die 28-jährige Katrin Kropf. Sie ist Vorstandsmitglied und moderiert zwei bis drei Sendungen pro Woche. Stolz trägt sie ihr blaues Radio-T-Shirt und nimmt in der Radio-Küche Platz.
Wann bist Du im Radio zu hören?
Katrin Kropf: Ich moderiere die Sendung Soundsplash, in der aktuelle Tonträger und Neuerscheinungen vorgestellt werden. Ganz gediegene Töne stelle ich für die Sendung „ Atmoäther – Sphärisches zur Nacht“ zusammen. Hin und wieder bin ich auch bei der Sendung „Rückfall“ zu hören, mit Musik von Gestern.
Was für Musik liegt Dir?
Katrin Kropf: Ursprünglich komme ich aus dem Hard- und Heavy-Bereich, aber bei den Sendungen ist bei mir alles dabei: Singer Songwriter, Indie, Folk, Punk, Rock. Man kann ja in einem freien Radio viel machen. Hier senden wir Titel, die kann man in anderen Radiostationen nicht spielen: Auch mal Songlängen gerade bei progressiver Musik von 20 Minuten.
Dein Lieblingsstück?
Katrin Kropf: Geht insgesamt 45 Minuten. Jethro Tull mit „Thick as a brick“. Mit Musik der 60er und 70er-Jahre ist meine Plattensammlung zu Hause gut gefüllt. Da kann ich beim „Rückfall“ meine eigenen Platten auskramen. Beim Soundsplash spiele ich natürlich nur aktuelle Musik.
Wie engagierst Du Dich noch neben der Redaktion bei Radio T?
Katrin Kropf: Ich bin seit 2012 im Vorstand von Radio T. Wir kümmern uns um die Projekte rund ums Radio, so zum Beispiel die Hörspielinsel. Wir pflegen Kontakte zu anderen freien Radios und kämpfen zum Beispiel in regelmäßigen Abständen um Frequenzen und Sendeleitungsgebühren. Da Radio T sich über Projekte, Spenden, eine kommunale Grundförderung sowie Fördermitgliedsbeiträge finanziert, ist das jede Menge Arbeit. Und wir bereiten natürlich den Umzug ins neue Domizil auf den Brühl vor.
Auf dem Brühl entsteht derzeit das neue Zuhause von Radio T. Im Musikkombinat, der ehemaligen Karl-Liebknecht-Schule wird dann doppelt so viel Platz sein für die drei Studios und Redaktionsräume. Zum Beispiel wird es ein Extra-Raum für die medienpädagogischen Angebote geben. „Die Radioleute haben bei dem Umbau bisher auch viel persönlich mit angepackt. Wände verspachtelt, Brandschutztüren durch die Gegend geschleppt“, erzählt Katrin Kropf. Für Herbst ist der Umzug geplant.
Wie kamst Du zu Radio T?
Katrin Kropf: Bei einem Wohnzimmerkonzert kam ich mit Radiomacher Jörg ins Gespräch. Ich habe vorher für Onlinemagazine Rezensionen geschrieben. Über die Jahre habe ich mir das journalistische Grundwissen selbst angeeignet. Ich will die Bands und die Musik unterstützen, die mir etwas bedeuten. Das ist ja das Faszinierende: Wir haben so viele Spartensendungen, ob Drum `n Bass oder Singersongwriter, wo jeder sein Fachwissen hat, welche Konzerte sich lohnen und welche lokalen Künstler Neuigkeiten zu bieten haben. Es gibt auch eine Sendung „Heimatmelodie“ mit Jörg, da wird ganz speziell Musik aus Chemnitz und Umgebung vorgestellt.
Jörg Braune, Ur-Gestein von Radio T, kennt die 20-jährige Geschichte des Radios bestens. Er gesellt sich in der Radio-Küche am einfachen Holztisch mit einer Tasse Tee dazu. „Es gibt so viel gute Musik, die zu wenig gespielt wird. Das ist unsere Lücke, die wir sehen und die wir mit Freude füllen“, erzählt er. Neben der sorgfältig ausgewählten Musik liefert Radio T Informationen aus Kultur, Politik und verschiedene Themen aus der Stadt. 50 Mitglieder gestalten das Programm: vier Stunden in der Woche immer ab 19 Uhr und am Wochenende 12 bis 24 Uhr. „Wir sind hier tatsächlich bei Radio T auch Lokalpatrioten, auch wenn das ein komischer Begriff ist“, erzählt Jörg weiter. „Wir setzen uns mit unserem Umfeld auseinander. Viele kommen aus einer bestimmten Szene, die einen Bezug zur Stadt hat. Und wir fiebern mit, wie sich die Stadt entwickelt.“
Warum lässt sich in Chemnitz gut freies Radio machen?
Jörg Braune: Wenn ich Kontakt mit anderen freien Radios habe, ist mir aufgefallen, dass wir nie ein Problem haben, Geschichten zu finden. Hier wird immer etwas auf- oder abgebaut oder es verändert sich etwas. In vielen anderen Städten steht die Entwicklung. Wir als Radiomacher können viel besser berichten, wenn sich etwas bewegt und es eine Auseinandersetzung gibt. Hier in Chemnitz haben wir ganz viel Futter. Und es macht Spaß von Bewegung zu berichten. Ich hab das Gefühl, ich bin dabei, wie etwas entsteht. Wir haben vergangenes Jahr über 40-Mal außerhalb des Studios gesendet. Da merkt man, dass vor Ort viel los ist. Ob beim Kunst- und Kulturfestival Begehungen, beim Küchwaldrauschen-Festival, auf dem Brühl und bei vielen verschiedenen Locations. Wir kommen gern mit unserem rollenden Studio vor Ort.
Zum 20. Geburtstag haben die Radio-Macher im Atomino gefeiert. Dabei hat sich Jörg gern an die Begeisterung und den Enthusiasmus aus der Gründungszeit erinnert. „Radio T ist als Wendeprojekt gestartet. Auf einmal wurde alles anders. Alles sollte besser werden. Alles stand uns offen. Wir hatten eine gut laufende „Radio-Veranstaltung“ und wir wollten daraus ein richtiges Radio machen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das heute noch so funktionieren würde. Aber damals war das ein logischer Schritt und es war auch möglich. Die Leute haben vier Jahre für die Lizenz und Frequenz gekämpft und sie erhalten.“ Man darf den Hintergrund nicht vergessen. Der Staatsfunk stellte Ende 1991 seinen Betrieb ein. Doch die Enttäuschung über die neuen Sender kam bei einigen Hörern recht schnell. „Das war nicht das Radio, wie wir es wollten“, sagt Jörg. „So ein Radio, wie wir wollten, machte niemand. Und da haben wir es dann halt selbst in die Hand genommen.“ Von da an versucht Radio T, zwar nicht ein Radio für alle, aber doch ein Radio für andere zu sein.
Der Wunsch, eine Alternative zu sein, ist heute ja aktueller denn je. Wie siehst Du das?
Katrin Kropf: Ich höre Radio T auch selber. Wenn man nicht das hören kann, was man hören will, habe ich hier die Möglichkeit, daran etwas zu ändern.
Wann war die erste Sendung von Radio T?
Jörg Braune: Die erste Sendung war am 2. April 1995 um 20 Uhr. Eine zweistündige „Juhu – wir sind on Air“-Sendung. Aus heutiger Sicht wundert man sich doch, wie sich Radio T weiterentwickelt hat. In unserer Sendung „T – Historisch“ kann man regelmäßig unsere alten Sendungen hören, 10 Jahre alt und älter. Auch die, die wir auf Kassette aufgenommen haben und die in Kneipen als Hintergrundradio liefen – sogenanntes Trockenradio. Zum Teil zum Brüllen komisch und skurril. Auf jeden Fall spannende Zeitdokumente.
Wie stellt Ihr heute die Qualität im Radio sicher?
Jörg Braune: Es gibt heute einen Einsteigerkurs, in dem man lernt, wie das, was man sagen will, auch ankommt. Früher konnte jeder irgendwie anfangen. Das geht heute nicht mehr.
Katrin Kropf: Wir haben auch regelmäßige Plenen, in denen Sendungen besprochen und zur Not eben auch aus dem Programm genommen werden, wenn sie keine ausreichende Qualität haben.
Jörg Braune: Die Kontrolle ist da, aber nicht superstreng. Wir sind ja trotzdem ein ehrenamtliches Radio. Ein einheitliches Niveau werden wir nie erreichen. Es wird immer Leute geben, die gerade anfangen und Leute, die schon ewig dabei sind und Routine haben.
Katrin Kropf: Sprachlich ist mir in Chemnitz übrigens etwas aufgefallen. Es gibt die Redewendung „ganz sehr“. Das ist kurz vorm Superlativ und kannte ich vorher gar nicht. Wenn ein Chemnitzer sagt, ihm gefällt etwas ganz sehr, dann ist das ein ganz großes Lob.
Du hast in Leipzig studiert. Wie kam die Entscheidung für Chemnitz?
Katrin Kropf: Die Stelle in der Stadtbibliothek klang gut. Und ich hatte mir damals gedacht: Chemnitz ist nicht weit weg von Leipzig. Da kannst du immer schnell hinfahren, um etwas zu erleben. Aber am Ende hat sich herausgestellt, dass ich gar nicht mehr oft in Leipzig war. Ich bin in Chemnitz kulturell gut versorgt und ich lebe gerne hier. Man ist auch sehr schnell draußen in der Natur. Die erkunde ich am liebsten mit dem Rad. Vor allem im Zeisigwald bin ich gerne. Der ist einzigartig, auch mit seiner Geschichte und dem Versteinerten Wald. Am Tag, an dem er den schon lange verdienten Weltnaturerbestatus bekommt, gebe ich meinen KollegInnen vom Museum für Naturkunde einen aus...
Jörg Braune: Es ist immer die Frage, wie groß ist das Glas und wie viel ist drin. Was nützt dir ein großes Glas, wenn du es nicht schaffst, es zu trinken.
Was sind Deine kulturellen Eckpfeiler, die Du hier in Chemnitz hast?
Katrin Kropf: Jeder hat, glaube ich, seine Fleckchen. Aaltra finde ich von der Atmosphäre und den Konzerten sehr gut. Im Weltecho kann man gut tanzen gehen. Manchmal gehe ich ins Atomino. Und dann gibt es, ohne dass es Konkurrenz zu den etablierten Dingen ist, kleine Wohnzimmerkonzerte.
Wie funktioniert ein Wohnzimmerkonzert?
Katrin Kropf: Ich lade mir Musiker ein, die hauptsächlich akustisch spielen. Da kommt mein Freundeskreis und mit Mund-zu-Mund-Propaganda wird die Wohnung voll. Es kommen auch Leute, die sonst gar nicht zu Konzerten gehen. Es ist doch, weil es ein Wohnzimmerkonzert ist, ein sehr leiser Abend. Die Leute kommen wegen der Musik und hören zu. Da quatscht niemand, während die Künstler spielen. Am Schluss geht der Hut rum.
Was wünscht sich denn das Radio zum Geburtstag? Was sind Eure Ziele?
Beide: Vollfrequenz!
Katrin Kropf: Rund um die Uhr senden, das wäre unser Traum.
Jörg Braune: Und natürlich der Umzug ins Musikkombinat.
Katrin Kropf: Und dieses Jahr erleben wir das 10-jährige Jubiläum der Hörspielinsel.
Jörg Braune: Das ist bundesweit der zweitgrößte Wettbewerb für nichtkommerzielle Hörspiele.
Muss man den Chemnitzern Mut machen?
Jörg Braune: Denke schon. Manche bemühen sich gar nicht, mal nachzuschauen, was es gibt, aber meckern trotzdem. Es stimmt definitiv nicht, dass in Chemnitz nichts los ist.
Katrin Kropf: Auf jeden Fall muss man den Chemnitzer Mut machen. Mut zur Neugier. Auch um mal zu hören, was es gibt. Und wenn man feststellt, dass es eine Lücke gibt, dann ist doch Platz, Gelegenheit und die Möglichkeit, was selbst zu machen.