Eine HAAMIT im Kaßberg-Kiez
Götz Weigel
Macher der Woche vom 24. November 2017
Wer in Chemnitz einzigartige Geschenke und Gemütlichkeit sucht, ist in der Papeterie auf dem Kaßberg, Weststraße 67, genau richtig. Götz Weigel betreibt seit drei Jahren mit der HAAMIT Chemnitz‘ einzige Papeterie. Beim Betreten des Ladens duftet es nach Kaffee und Büchern, urige Holztische laden zum Verweilen ein und ein buntes Sortiment an Keramik-, Papier- und Lederwaren verteilt sich scheinbar chaotisch, aber doch geordnet durch das zweistöckige Geschäft. Das Kiez-Gefühl wird hier großgeschrieben, und so entstand zusammen mit anderen Ladenbetreibern des Kaßbergs auch die Idee für den Einhundert-Meter-Weihnachtsmarkt, der am ersten Adventswochenende mit kreativen, kulturellen und kulinarischen Highlights lockt.
Wie kamst du auf die Idee, eine Papeterie zu eröffnen?
Götz Weigel: Die Idee zum Laden entstand mit dem Kauf einer alten Buchdruckmaschine. Durch meine Arbeit als Grafikdesigner hatte ich viel mit Entwürfen und Druckprodukten zu tun und mich haben schon immer die alten Drucktechniken fasziniert. Also habe ich überlegt, mit welchem Sortiment ich meine selbstgedruckten Motive kombinieren kann. Ich habe einen Laden gesucht, ausgebaut und im Oktober 2014 die HAAMIT eröffnet. Dass ich einmal ein Einzelhandelsgeschäft betreibe, hätte ich selber nie gedacht. Es war ein glücklicher Zufall.
Bietet eine Papeterie ausschließlich Papierwaren an? Wie unterscheidet sich dein Sortiment davon?
Papeterie ist natürlich der Hinweis auf die vielen verschiedenen Papierprodukte, die es bei mir gibt. Aber darüber hinaus biete ich noch mehr an. Von Lederwaren über personalisierte Notizblöcke, Kalender und alle Arten von Stiften bis hin zu Keramik und Lakritz, aber eben auch selbstgemachte Drucke.
Haamit bedeutet im erzgebirgischen Dialekt Heimat. Doch tatsächlich passt der Heimatbegriff in Götz‘ Laden sehr gut. Identität und Zugehörigkeit sind dem Chemnitzer sehr wichtig, gerne würde er auch sein Sortiment mit regionalen Manufakturprodukten erweitern. Ein Handwerker aus Steinebach drechselt zum Beispiel Kreisel, zur Weihnachtszeit kann man Annaberger Faltsterne erwerben. Seit dem Umzug vor einem Jahr bietet die HAAMIT ihren Gästen auch Kaffeespezialitäten an. „Die Kaffee-Geschichte hatte ich schon im Erstkonzept geplant, aber durch die Nähe zu Emmas Onkel in den ersten Räumlichkeiten brauchte ich das nicht. So wie es jetzt ist, habe ich es mir immer vorgestellt“, schwärmt Götz von seinem heimeligen Laden. Tatsächlich wollen die Leute auch einfach Kaffee trinken, ein Buch lesen und die Atmosphäre genießen.
Wie entstand die Idee zum Einhundert-Meter-Weihnachtsmarkt?
Durch die Verdichtung der Läden im Gastronomie- und Einzelhandelsbereich auf dem Kaßberg lag schon immer in der Luft, dass wir etwas zusammen machen wollen. Ich treffe mich mit den anderen Ladenbesitzern ein bis zweimal im Jahr, um uns auszutauschen und abzustimmen. Aber letztlich organisiert dann jeder ganz individuell sein Angebot im und auch vor dem Geschäft. Das Besondere daran ist, dass sich auch die Hausbewohner einbringen und zum Beispiel ein kleines Programm auf die Beine stellen können. Und so ergibt das alles zusammen eine schöne Atmosphäre mit kulinarischen Besonderheiten, kreativen Geschenken und kulturellen Angeboten in weihnachtlich familiärer Stimmung. Das ist für mich gelebte Kiez-Kultur.
Warum genau 100 Meter?
Eigentlich sind es mehr als 100 Meter. Dadurch, dass die Läden auf mehreren Straßen verteilt sind und nicht auf einem zentralen Platz liegen, haben wir diese ungefähre Begrenzung gewählt und das Ganze dann Einhundert-Meter-Weihnachtsmarkt genannt. Die Besucher schlendern von Geschäft zu Geschäft. Es gibt einen festen Kern von beteiligten Einzelhandelsläden, zum Beispiel Emmas Onkel, die Buchhandlung Lessing und Kompanie, Paisa Paisa, Salbenmanufaktur Beti Lue oder die Wagner-Winzerstube. Und wenn weitere Läden in diesem Bereich entstehen, sind sie natürlich herzlich willkommen.
Was ist das Besondere für dich am Kaßberg als Ladenstandort?
Die Suche nach einem passenden Standort war gar nicht so einfach. Die Brühldiskussion kam langsam auf, aber es wusste noch keiner, wie sich das entwickelt. In der Innenstadt wiederum haben es kleine Läden schwer. Der Kaßberg mit seinen 20.000 Einwohnern und den schönen Straßenzügen bot sich dann als Standort an. Etwas Vergleichbares wie die HAAMIT gab es in Chemnitz ja noch nicht, es war also auch für mich ein Test. Das schöne Flair hier lockt immer auch ehemalige Bewohner an. Für mich hat der Kaßberg noch viel Entwicklungspotential. Ich wünsche mir zum Beispiel mehr Gastronomie und schöne Ladengeschäfte – kurzum: mehr Leben im Kiez.
Der Internethandel boomt, Kaufhäuser verdrängen die Einzelhandelsgeschäfte. Warum hast du trotzdem einen eigenen Laden eröffnet?
Das Im-Laden-Stehen und mit den Leuten ins Gespräch kommen ist mir sehr wichtig. So kann man viel besser Teil des Kaßbergs, Teil von Chemnitz und dem öffentlichen Raum sein. Das schafft man im Internet nicht. Der lebendige Austausch mit meinen Kunden hat für mich viel größere Priorität, als Onlinehandel zu betreiben. Die Atmosphäre im Laden liebe ich.
Wo siehst du die Stadt im Jahr 2025?
Ich wünsche mir, dass die Chemnitzer mehr rausgehen und die Stadt beleben. Sie können ruhig mutiger sein und mal etwas wagen. Es gibt ja schon gute Vorbilder: das Augusto am Fuße des Sonnenbergs zum Beispiel. Es ist vieles möglich, man muss sich bloß trauen!
Die Fahrradwege sollten eine wichtigere Rolle im Straßenverkehr einnehmen, denn beim Fahrradfahren erlebt man die Stadt viel intensiver. Wenn man die Chemnitzer rauslocken könnte, würde automatisch vieles von alleine passieren. Ich denke, die Kulturhauptstadtbewerbung kann in dieser Richtung einiges bewirken. Man fängt an, Bekanntes mit neuen Augen zu sehen, ambitionierte Projekte auf den Weg zu bringen und Chemnitz in eine lebens- und liebenswerte Stadt zu verwandeln.